Rechtsanwalt
1 Allgemein
Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.
Bei dem Vertrag mit dem Mandanten handelt es sich um eine Geschäftsbesorgung in der Form des Dienstvertrages.
"Ein anwaltlicher Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat, hat in der Regel die Beratung des Mandanten oder dessen Rechtsbeistand zum Gegenstand. Allerdings kann die anwaltliche Leistung einem Werkvertrag zugeordnet werden, wenn ein durch die anwaltliche Arbeit herbeizuführender Erfolg den Gegenstand der Verpflichtung des Rechtsanwalts bildet. Dies ist gewöhnlich dann der Fall, wenn der Anwalt es übernimmt, Rechtsauskunft über eine konkrete Frage zu erteilen oder ein schriftliches Rechtsgutachten zu erstellen" (OLG Düsseldorf 12.10.2021 - 24 U 265/20).
Hinweis:
Dabei kann es sich bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts auch um eine absolutes Fixgeschäft handeln (OLG Düsseldorf 12.10.2021 - 24 U 265/20).
Haftung:
Bei Pflichtverletzungen u.Ä. haftet der Rechtsanwalt dem Mandanten auf Schadensersatz.
2 Zulassung
2.1 Allgemein
Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfordert gemäß §§ 4 - 36 BRAO das Vorliegen der folgenden Voraussetzungen:
Befähigung zum Richteramt (Zweites juristisches Staatsexamen) oder die Erfüllung der Eingliederungsvoraussetzungen nach Teil 3 des EuRAG oder Verfügung über eine Bescheinigung nach § 16a Abs. 5 des EuRAG
Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung
Nichtvorliegen eines der in § 7 BRAO genannten Versagungsgründe
Der Antrag ist an die zuständige Rechtsanwaltskammer zu stellen. Zu den Voraussetzungen der Zulassung beim BGH siehe den Beitrag "Bundesgerichtshof".
Bei den Rechtsanwaltskammern wird ein elektronisches Verzeichnis über die in ihrem Bezirk zugelassenen Rechtsanwälte geführt. Zudem wird bei der Bundesrechtsanwaltskammer ein Gesamtverzeichnis aller bei den Rechtsanwaltskammern zugelassenen Rechtsanwälte geführt.
2.2 Rücknahme/Widerruf der Zulassung
Die Zulassung kann bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 14 BRAOzurückgenommen bzw. widerrufen werden.
Entscheidungserheblicher Zeitpunkt ist der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens, d.h. entweder der Erlass des Widerspruchsbescheids - oder wenn ein solches Verfahren entbehrlich ist - der Ausspruch der Widerrufsverfügung (BGH 29.06.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10).
2.3 Weiterführen der Berufsbezeichnung
Die Rechtsanwaltskammer kann gemäß § 17 Abs. 2 BRAO einem Rechtsanwalt, der wegen hohen Alters oder aus gesundheitlichen Gründen auf die Zulassung verzichtet, erlauben, seine Berufsbezeichnung mit dem Zusatz "im Ruhestand" (abgekürzt i.R.) weiter zu führen.
2.4 Vermögensverfall
Die Zulassung ist dabei gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Indizien hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt bzw. die Einleitung des Insolvenzverfahrens.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH muss ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung der Vermutung ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse (dennoch) nachhaltig geordnet sind. Nicht ausreichend ist der Hinweis auf Immobilienvermögen, wenn es sich nicht um einen liquiden Vermögenswert handelt (BGH 06.02.2014 - AnwZ (Brfg) 83/13).
Die Zulassung muss trotz des Vermögensverfalls nicht widerrufen werden, wenn die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn aufgrund konkreter, im Arbeitsvertrag geregelter Sicherheitsvorkehrungen und Vertretungsregelungen eine Gefährdung der Rechtsuchenden ausgeschlossen wird (BGH 25.06.2007 - AnwZ (B) 101/05).
3 Formen
Die Rechtsanwaltstätigkeit kann in folgenden Formen ausgeübt werden:
Einzelanwalt
Kooperation
angestellter Rechtsanwalt
Rechtsanwalt als freier Mitarbeiter
in der Form der Limited Company
In internationalen Anwaltskanzleien sowie großen nationalen Kanzleien werden bei den Rechtsanwälten folgende Bezeichnungen bzw. Hierarchiestufen unterschieden:
Associate: Hierbei handelt es sich um einen angestellten Rechtsanwalt. Je nach Berufserfahrung wird zwischen Junior und Senior Associates unterschieden.
Counsel: Hierbei handelt es sich um Associates, die nicht zum Partner ernannt wurden, die die Kanzlei jedoch dauerhaft an sich binden will oder um eine Zwischenstufe für zukünftige Partner.
Of Counsel: Hierbei handelt es sich um externe juristische Dienstleister, die den Rechtsanwälten zuarbeiten, die Mandatsdurchführung bleibt jedoch bei den Rechtsanwälten.
Der BGH hat die Zusammenarbeit einer Kanzlei mit einem Of Counsel aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen als Verstoß gegen § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO gewertet (BGH 22.07.2020 - AnwZ (Brfg) 3/20):
"Ausweislich des Rahmenvertrages geht die Tätigkeit des Of Counsel über diese unselbstständige Zuarbeit und Beratung der Gesellschaft indes erheblich hinaus. Er übernimmt hiernach auch die Beratung von Mandanten in arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen, fertigt nicht nur Gutachten und Konzepte, sondern auch Schriftsätze und begleitet und vertritt Mandanten bei außergerichtlichen Verhandlungen und Einigungsstellenverfahren, ohne dass er bei seiner Tätigkeit den Weisungen der klägerischen Partnerschaftsgesellschaft unterworfen ist. Zu Recht und ohne dass dies im Zulassungsantrag beanstandet wird, ist der Anwaltsgerichtshof angesichts dieses Tätigkeitsprofils davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Of Counsel auf eine Rechtsberatung nach außen gerichtet ist. Damit wird das ursprünglich nur der klägerischen Sozietät erteilte Mandat faktisch (wenigstens in Teilen) eigenständig von dem Of Counsel bearbeitet. Angesichts dieser originären Bearbeitung wesentlicher Teile eines Mandates liegt eine gemeinschaftliche Berufsausübung vor, auch wenn im Außenverhältnis allein die klägerische Sozietät verpflichtet ist, der Of Counsel im Namen der Sozietät auftritt und er daneben auch zuarbeitende Tätigkeiten ausübt."
Non-Equity-Partner: Hierbei handelt es sich um eine noch nicht ganz vollwertige Partnerschaft.
Equity Partner: Hierbei handelt es sich um eine volle Partnerschaft.
4 Standesrecht
Allgemein:
Der Rechtsanwalt ist bei seiner Berufsausübung dem anwaltlichen Standesrecht unterworfen. Hierbei handelt es sich um konkrete Berufspflichten, nach denen sich der Rechtsanwalt innerhalb und außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit der Stellung eines Rechtsanwalts würdig zu erweisen hat, z.B. im Falle einer Interessenkollision. Rechtsgrundlagen für die verschiedenen standesrechtlichen Regelungen sind vor allem in den §§ 43 ff. BRAO und der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) zu finden.
Mit dem zum 01.08.2022 neu eingefügten § 43f BRAO wurde ein Fortbildungspflicht für junge Rechtsanwälte im anwaltlichen Berufsrecht eingeführt: Danach müssen Rechtsanwälte innerhalb des ersten Jahres ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer entsprechenden Lehrveranstaltung mit mindestens zehn Zeitstunden teilnehmen. Die Pflicht besteht nur für Rechtsanwälte mit Zulassungen ab dem 01.08.2022.
Verstöße gegen das Standesrecht u.a. werden vor dem Anwaltsgericht verhandelt.
Aufbewahrungsfrist für Handakten:
Mit § 50 BRAO wurde erstmals eine Aufbewahrungsfrist für Handakten festgelegt. Danach hat der Rechtsanwalt die Handakten für die Dauer von sechs Jahren aufzubewahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Auftrag beendet wurde.
Berufsgeheimnisträger:
Hinweis:
Zu den Anforderungen an die Wahrung des Berufsgeheimnisses siehe den Beitrag "Berufsgeheimnisträger".
Abwesenheit von der Kanzlei:
Ist der Rechtsanwalt länger als zwei Wochen (um eine Woche verlängert seit dem 01.08.2021) von seiner Kanzlei entfernt oder länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, so hat er gemäß § 53 BRAO einen Vertreter zu bestellen. Als Vertreter soll ein anderer Rechtsanwalt bestellt werden, die Vertretung kann aber auch durch einen Rechtsreferendar ausgeübt werden, sofern dieser mindestens 12 Monate im Vorbereitungsdienst ist.
Hinweis:
Die Verpflichtung, die bestellten Vertreter bei der Rechtsanwaltskammer anzuzeigen, ist entfallen. Ebenfalls entfallen ist die Beschränkung, dass Rechtsanwälte nur solche Rechtsanwälte zu ihrer Vertretung bestellen können, die derselben Rechtsanwaltskammer wie sie angehören.
5 Verschwiegenheitspflicht
Siehe den Beitrag "Berufsgeheimnisträger".
6 Errichtung einer weiteren Kanzlei / Zweigstellen
Mit § 27 BRAO wurde klargestellt, dass auch die Errichtung einer weiteren Kanzlei oder einer (oder mehrerer) Zweigstellen möglich ist:
Um eine weitere Kanzlei handelt es sich dabei, wenn die von einem Rechtsanwalt neben der in der Zulassungskanzlei ausgeübten Tätigkeit entfaltete Berufsausübung nicht von der Zulassungskanzlei abhängig und an diese angegliedert ist, sondern der eigenständigen, von der Zulassungskanzlei rechtlich unabhängigen anwaltlichen Berufsausübung dient. Dies ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9521) immer dann der Fall, wenn der Rechtsanwalt, der in seiner Zulassungskanzlei als Einzelanwalt tätig ist, daneben noch in einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig ist (ist er in mehreren verschiedenen Berufsausübungsgemeinschaften tätig, liegen sogar mehrere weitere Kanzleien vor).
Bei einem Rechtsanwalt, der in seiner Zulassungskanzlei im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig ist, liegt eine weitere Kanzlei vor, wenn er daneben noch in einer anderen Berufsausübungsgemeinschaft oder als Einzelanwalt tätig ist.
Eine weitere Kanzlei kann dabei auch bei einem Tätigwerden an nur einem Standort vorliegen, sofern der Rechtsanwalt dort im Rahmen unterschiedlicher Rechtsverhältnisse (z.B. einerseits als Einzelanwalt und andererseits im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft) tätig wird.
Ein neben der Zulassungskanzlei zur anwaltlichen Berufsausübung unterhaltener weiterer Standort ist dagegen als Zweigstelle anzusehen, wenn eine Beziehung zu einer Hauptkanzlei besteht, an die der weitere Standort rechtlich angegliedert ist. Hauptkanzlei in diesem Sinne kann sowohl die Zulassungskanzlei als auch eine bestehende weitere Kanzlei sein. Unterhält z.B. eine Berufsausübungsgemeinschaft mehrere Standorte, so hat jeder ihr angehörende Rechtsanwalt an einem dieser Standorte seine Hauptkanzlei, wobei dieser nicht bei allen zugehörigen Rechtsanwälten derselbe sein muss. An anderen Standorten der Berufsausübungsgemeinschaft, an denen er ebenfalls tätig ist, unterhält der Rechtsanwalt dann eine Zweigstelle.
Hinweis:
Zu weiteren Ausführungen siehe die Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9521, S. 103 ff.
7 Rechtsanwalt als Nebenberuf / Zweitberuf
Über die erforderliche Unabhängigkeit und die damit verbundene rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, den Anwaltsberuf auch auszuüben, verfügt der Anwalt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann, wenn er über seine Dienstzeit im Zweitberuf hinreichend frei verfügen kann und während der Dienstzeiten bei seinem Arbeitgeber nicht nur in Ausnahmefällen erreichbar ist. Im Interesse einer geordneten Rechtspflege und im Interesse des rechtsuchenden Publikums an einer wirksamen Vertretung und Beratung durch einen unabhängigen Rechtsanwalt muss auch der in einem anderen Beruf tätige Anwalt grundsätzlich - auch während der Dienststunden bei seinem Arbeitgeber - in der Lage sein, Gerichtstermine, eilige Schriftsätze, Telefongespräche und alle sonstigen nicht aufschiebbaren Tätigkeiten zu erledigen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Rechtsanwalt in seinem (vollschichtig ausgeübten) Hauptberuf in untergeordneter Stellung tätig ist, die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen hat und keine rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit hat, erforderlichenfalls für Vertretung in seinem Hauptberuf zu sorgen, um sich einer dringenden Anwaltstätigkeit zu widmen (BGH 09.11.2009 - AnwZ (B) 83/08).
Eine bereits erteilte Zulassung ist in diesen Fällen zu widerrufen.
Für den Bereich der Steuerberater ist durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Zweitberufsfreiheit erwirkt. Siehe insofern den Beitrag "Steuerberater".
8 Steuerrelevante Tätigkeit
Der Bundesfinanzhof hat mit dem Urteil vom 14.12.2004 - XI R 6/02 erstmalig die rechtsanwaltliche Tätigkeit als Liebhaberei im einkommensteuerrechtlichen Sinne beurteilt. Dem Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, nach dem ein Rechtsanwalt über einen längeren Zeitraum aus der rechtsanwaltlichen Tätigkeit nur sehr geringe Einkünfte erzielte und er seinen Lebensunterhalt aus anderen Einkünften bestritt.
9 Die Tätigkeit von Rechtsanwälten im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie
Die Tätigkeit von Rechtsanwälten unterliegt grundsätzlich der Dienstleistungs-Richtlinie: Dies ergibt sich aus Art. 17 Nr. 4 RL 2006/123. Danach gilt der Inhalt des Art. 16 RL 2006/123 (Dienstleistungsfreiheit) nicht für die Angelegenheiten, die von der RL 77/249 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte erfasst werden, d.h. die in Form der Dienstleistung ausgeübten Tätigkeiten der Rechtsanwälte. Im Umkehrschluss ist der restliche Teil der Dienstleistungsrichtlinie auf die Tätigkeit von Rechtsanwälten anwendbar.
Aber: Die anwaltlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsrichtlinien 77/249 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte und 98/5 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde gehen als spezielleres Recht der allgemeinen Dienstleistungsrichtlinie grundsätzlich vor. Der Inhalt ist mit dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) in das deutsche Recht umgesetzt worden (Europäischer Rechtsanwalt). Die Nachrangigkeit (Subsidiarität) der Dienstleistungsrichtlinie ist in Art. 3 RL 2006/123 ausdrücklich normiert.
Die Dienstleistungs-Richtlinie hat für Rechtsanwälte nur in den Bereichen Bedeutung, die noch nicht durch diese speziell für die Anwälte geschaffenen Richtlinien geregelt sind, so z.B. im Bereich der Werbung. Rechtsanwälte unterliegen jedoch auch den Informationspflichten nach der Dienstleistungsrichtlinie.
10 Geldwäschebeauftragte
Die Bundesrechtsanwaltskammer hat von ihrem in § 9 Abs. 4 GwG festgelegtem Recht Gebrauch gemacht und verpflichtet Rechtsanwälte, die regelmäßig für ihre Mandanten an den Geschäften des § 2 Abs. 1 Nr. 7 GwG mitwirken, Geldwäschebeauftragte (Geldwäsche) zu bestellen. Voraussetzung ist zudem, dass in der Kanzlei mehr als 30 Berufsträger beschäftigt sind.
Aufgabe des Geldwäschebeauftragten ist es Ansprechpartner zu sein für die Strafverfolgungsbehörden sowie die zuständige Rechtsanwaltskammer.
11 Geltendmachung von Forderungen eines Mandanten
Jede Geltendmachung einer Forderung eines Mandanten durch einen Rechtsanwalt wird von § 43d BRAO erfasst und gilt als Inkassodienstleistung. Siehe insofern den Beitrag "Inkasso".
12 Untreue
"Der Rechtsanwalt kann Untreue durch Tun oder Unterlassen begehen. Verwirklicht er den Tatbestand ausschließlich dadurch, dass er pflichtwidrig dem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto belässt, erschöpft sich die Untreue in einem Unterlassen. Wird der Rechtsanwalt neben dem bloßen Gelderhalt etwa durch Anfordern des Geldes, Verwenden des Geldes zu eigenen Zwecken oder durch Ableugnen des Zahlungseingangs tätig, kann auf diese Einzelhandlungen abzustellen sein. Dabei bleibt die Bewertung der Konkurrenzen von der Begehungsform unberührt; das (bloße) Nichtweiterleiten nach jedem Zahlungseingang führt zur Tatmehrheit, da der Rechtsanwalt verpflichtet ist, für seine Leistungsfähigkeit zu den verschiedenen Zahlungszeitpunkten Sorge zu tragen" (BGH 03.05.2022 - 1 StR 10/22).
Auch mit der Entscheidung BGH 22.09.2022 - 1 StR 171/22 wurde ein Rechtsanwalt wegen Untreue verurteilt.
"Den Angeklagten traf (...) eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Insolvenzverwalter beziehungsweise der von ihm verwalteten Insolvenzmasse hinsichtlich der auf seinem Geschäftskonto gutgeschriebenen Vergleichsbeträge."