Dienstvertrag
1 Allgemein
Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Im Unterschied zum Werkvertrag kommt es bei einem Dienstvertrag für die Erfüllung des Vertrages nicht auf das Erreichen eines bestimmten Erfolges an.
Die Abgrenzung zwischen einem Werkvertrag und dem Dienstvertrag ist aber dennoch nicht immer eindeutig: Nach dem Urteil des BGH 16.07.2002 - X ZR 27/01 ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob auf dieser Grundlage eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird. Bei der tatrichterlichen Feststellung des Vertragsgegenstandes bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung, sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die vertragliche Beschreibung des Ziels ist allein noch kein hinreichendes Indiz für die Annahme eines Werkvertrages.
"Ein anwaltlicher Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat, hat in der Regel die Beratung des Mandanten oder dessen Rechtsbeistand zum Gegenstand. Allerdings kann die anwaltliche Leistung einem Werkvertrag zugeordnet werden, wenn ein durch die anwaltliche Arbeit herbeizuführender Erfolg den Gegenstand der Verpflichtung des Rechtsanwalts bildet. Dies ist gewöhnlich dann der Fall, wenn der Anwalt es übernimmt, Rechtsauskunft über eine konkrete Frage zu erteilen oder ein schriftliches Rechtsgutachten zu erstellen" (OLG Düsseldorf 12.10.2021 - 24 U 265/20).
Gewährleistung:
Im Dienstvertragsrecht bestehen keine speziellen Gewährleistungsvorschriften, insofern ist auf das Gewährleistungsrecht des allgemeinen Schuldrechts zurückzugreifen.
Der Arbeitsvertrag sowie der Behandlungsvertrag sind gesonderte Formen des Dienstvertrages.
2 Vorzeitige Kündigung
2.1 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
Das Dienstverhältnis kann gemäß § 626 BGB von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Wird ein Dienstvertrag vorzeitig durch eine außerordentliche Kündigung gekündigt, so besteht folgende Rechtslage:
- a)
Grundsätzlich kann der Dienstleister die seiner bisher erbrachten Tätigkeit entsprechende Vergütung verlangen.
- b)
Dies gilt nicht, wenn
die Kündigung nicht durch das vertragswidrige Verhalten des anderen Vertragspartners veranlasst war
oder
der andere Vertragspartner aufgrund des vertragswidrige Verhaltens des Dienstleisters gekündigt hat
Ein vertragswidriges Verhalten setzt ein schuldhaftes Verhalten voraus. Nicht erforderlich ist, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend oder als wichtiger Grund im Sinne des § 626 ff. BGB anzusehen ist. Aber auch nicht jeder geringfügige Vertragsverstoß des Dienstverpflichteten ist ausreichend (BGH 29.03.2011 - VI ZR 133/10).
und
die bisherigen Leistungen für den anderen Vertragspartner kein Interesse haben.
Fristlose Kündigung eines Privatschulvertrags:
Der Privatschulvertrag ist rechtlich als zivilrechtlicher Dienstvertrag zu qualifizieren.
Das OLG Köln hat die außerordentliche Kündigung des Privatschulvertrages einer Schule in kirchlicher Trägerschaft aufgrund der Geschlechtsangleichung des als Mädchen eingeschulten Schülers für unwirksam erklärt (OLG Köln 20.03.2020 - 20 U 240/19).
2.2 Fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung
Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis, ist die Kündigung auch ohne die in § 626 BGB bezeichnete Voraussetzung zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.
Dienste höherer Art:
Dienste höherer Art können solche sein, die besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen oder die den persönlichen Lebensbereich betreffen.
Beispiel:
BGH 22.09.2011 - III ZR 95/11, [Wirtschaftsprüfer]
BGH 13.11.2014 - III ZR 101/14 [selbständige Betriebsärztin]
BGH 09.06.2011 - III ZR 203/10, BGHZ 190, 80 Rn. 17 f [ambulanter Pflegedienst]
BGH 08.10.2009 - III ZR 93/09, und BGH 05.11.1998 - III ZR 226/97 sowie BGH 01.02.1989 - IVa ZR 354/87, und BGH 24.06.1987 - IVa ZR 99/86 [Ehe- bzw. Partnerschaftsanbahnungsdienstverträge]
kein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen:
Für die Annahme eines dauernden Dienstverhältnisses ist der Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme des Dienstverpflichteten während der vereinbarten Vertragsdauer unerheblich. § 627 BGB fordert nicht, dass das dauernde Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig und hauptsächlich in Anspruch nehmen müsse. Bei den ein besonderes Vertrauen voraussetzenden Diensten wird sogar meist das Gegenteil der Fall sein. Bereits das in den Beratungen zum BGB angeführte Beispiel des Leibarztes zeigt, dass bei § 627 BGB keineswegs nur an ununterbrochen ausgeübte Tätigkeiten gedacht worden ist. (1)
Hinweis:
Dem entspricht auch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung des § 627 BGB auf Baubetreuungsverträge (9. Juni 2005 - III ZR 436/04, [BGH 09.06.2005 - III ZR 436/04] ), Inkassoaufträge (29. April 2004 - III ZR 279/03, Rechtsanwaltsverträge (4. Juli 2002 - IX ZR 153/01, Steuerberaterverträge (19. November 1992 - IX ZR 77/92, Internatsverträge (28. Februar 1985 - IX ZR 92/84, Partnerschaftsvermittlungsverträge (5. November 1998 - III ZR 226/97 und Beraterverträge (9. März 1995 - III ZR 44/94).
Maßgeblich ist der mit dem Merkmal "dauerndes Dienstverhältnis" verfolgte Zweck. Bei ganz auf persönliches Vertrauen gestellten und zudem lockeren, nicht auf eine ständige Tätigkeit gerichteten Dienstverhältnissen soll die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Teils im weitesten Ausmaß gewahrt werden. Anders ist es dagegen, wenn der Dienstverpflichtete auf längere Sicht eine ständige Tätigkeit zu entfalten hat und dafür eine auf Dauer vereinbarte bestimmte Entlohnung erhält. In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, dem Vertrauen des Dienstverpflichteten auf seine Existenzsicherung Vorrang vor dem Schutz der Entschließungsfreiheit des Dienstberechtigten einzuräumen.
Für die Annahme eines dauernden Dienstverhältnisses ist nicht entscheidend, dass es auf unbestimmte Zeit eingegangen ist. Ein dauerndes Dienstverhältnis ist auch ein befristetes, sofern es nur auf längere Zeit abgeschlossen ist. Der BGH hat dies bei einem auf zwei Jahre angelegten Vertrag angenommen. Ein dauerndes Dienstverhältnis kann nach der Rechtsprechung des BGH aber auch durch einen auf ein Jahr abgeschlossenen Vertrag begründet werden, wenn es sich um die Verpflichtung für ständige und langfristige Aufgaben handelt und beide Vertragsteile von der Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Verlängerung ausgehen. Dabei kommt es jedoch nicht entscheidend auf den inneren Willen der Vertragsparteien an. Maßgeblich ist vielmehr, ob eine Verlängerung des Vertrags nach den Umständen ausgeschlossen ist. So geht auch der BGH davon aus, dass die zeitliche Begrenzung eines Dienstvertrags für eine nur vorübergehende Verbindung spricht, wenn sie sich aus der Art der Aufgabe ergibt. Schließt die Art der vereinbarten Tätigkeit eine Verlängerung nicht aus, ist ein auf ein Jahr befristetes Dienstverhältnis ein "dauerndes" (BAG 12.07.2006 - 5 AZR 277/06).
besonderes Vertrauen:
Bei der Beurteilung kommt es entscheidend darauf an, ob die versprochenen qualifizierten Dienste im Allgemeinen, ihrer Art nach, nur kraft besonderen Vertrauens in die Person des Dienstverpflichteten übertragen werden: Hierbei ist auf die typische Lage, nicht auf das im konkreten Einzelfall entgegengebrachte Vertrauen abzustellen (BGH 22.09.2011 - III ZR 95/11).
Das von § 627 Abs. 1 BGB vorausgesetzte generelle persönliche Vertrauen kann auch dann vorliegen, wenn es sich bei dem Dienstverpflichteten um eine juristische Person handelt. Letzteres kommt insbesondere in den Fällen in Betracht, in denen die Dienstleistung den persönlichen Lebens- oder Geschäftsbereich des Dienstberechtigten betrifft und daher in besonderem Maße Diskretion erfordert, so etwa dann, wenn der Dienstverpflichtete im Rahmen einer steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Tätigkeit Einblick in die Geschäfts-, Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Dienstberechtigten erlangt. Bei der Beauftragung mit derartigen Dienstleistungen legt der Dienstberechtigte typischerweise einen gesteigerten Wert auf die persönliche Zuverlässigkeit, Loyalität und Seriosität des Dienstverpflichteten; beauftragt er eine juristische Person, so bezieht sich sein damit verbundenes persönliches Vertrauen auf eine entsprechende Auswahl, Zusammensetzung und Überwachung ihrer Organe und Mitarbeiter.
Der Verpflichtete darf nur in der Art kündigen, dass sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweitig beschaffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen (BGH 22.09.2011 - III ZR 95/11).
(1) Red. Anm.: