Rechtsanwaltsgerichtliches Verfahren
1 Allgemein
Spezialgerichtlicher Gerichtsweg für Verstöße eines Rechtsanwalts gegen die für Rechtsanwälte geltenden Gesetze und Verhaltensvorschriften.
Das rechtsanwaltsgerichtliche Verfahren ist gemäß § 112a BRAO zuständig bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nach der BRAO, einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder einer Satzung einer der nach diesem Gesetz errichteten Rechtsanwaltskammern, einschließlich der Bundesrechtsanwaltskammer, soweit nicht die Streitigkeiten anwaltsgerichtlicher Art oder einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Die Zuständigkeit des Anwaltsgerichts erfasst auch hoheitliches Verwaltungshandeln, das nicht in die Form eines Verwaltungsakts gekleidet, gleichwohl aber geeignet ist, in die berufsrechtlich begründeten Rechte und Pflichten der Beteiligten einzugreifen oder sie einzuschränken (VGH Baden-Württemberg 26.07.2012 - 9 S 882/11).
2 Aufbau der Gerichtsbarkeit
Das Anwaltsgericht ist ein staatliches Gericht, die (ehrenamtlichen) Richter sind Rechtsanwälte, die für die Dauer ihrer Tätigkeit die Stellung eines hauptberuflichen Richters innehaben. Als Vergütung erhalten sie eine Aufwandsentschädigung und Reisekostenvergütung.
Die Anwaltsgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut:
Das Anwaltsgericht im Bezirk einer Rechtsanwaltskammer
Für jede Rechtsanwaltskammer ist ein Anwaltsgericht eingerichtet, das sich im Bezirk der Anwaltskammer befinden muss.
Der Anwaltsgerichtshof als Beschwerde- und Berufungsinstanz befindet sich bei dem jeweiligen Oberlandesgericht.
Beschwerde- und Revisionsinstanz ist der Anwaltssenat des BGH.
3 Das anwaltsgerichtliche Verfahren
In eigenen, berufsständischen Angelegenheiten des Rechtsanwalts ist gemäß § 112c BRAO zunächst ein Widerspruchsverfahren durchzuführen.
Das anwaltgerichtliche Verfahren beginnt gemäß § 120 BRAO durch Einreichen einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft des Oberlandesgerichts.
In den Verfahren werden gemäß § 195 BRAO Gerichtsgebühren nach dem Gebührenverzeichnis zur Anlage der BRAO erhoben. Auslagen werden nach den Vorschriften des GKG erhoben.
4 Sanktionen der Anwaltsgerichtsbarkeit
Sanktionen der Anwaltsgerichtsbarkeit bei Verfahren gegen Rechtsanwälte sind gemäß § 114 Abs. 1 BRAO:
Warnung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO)
Verweis (§ 114 Abs. 1 Nr. 2 BRAO)
Geldbuße bis 50.000,00 EUR (§ 114 Abs. 1 Nr. 3 BRAO)
Zeitlich begrenztes Vertretungsverbot (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO)
Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO)
Die Sanktionen gegen Berufsausübungsgesellschaften sind in § 114 Abs. 2 BRAO geregelt. Es sind:
Warnung (§ 114 Abs. 2 Nr. 1 BRAO)
Verweis (§ 114 Abs. 2 Nr. 2 BRAO)
Geldbuße bis 500.000,00 EUR (§ 114 Abs. 2 Nr. 3 BRAO)
Zeitlich begrenztes Vertretungsverbot (§ 114 Abs. 2 Nr. 4 BRAO)
Aberkennung der Rechtsdienstleistungsbefugnis (§ 114 Abs. 2 Nr. 5 BRAO)
Dabei können die Sanktionen des Verweises und der Geldbuße nebeneinander verhängt werden.
5 Rechtsmittel
Gegen die Entscheidungen im anwaltsgerichtlichen Verfahren bestehen folgende Rechtsmittel:
Beschlüsse des Anwaltsgerichts können mit der Beschwerde angefochten werden.
Gegen Urteile des Anwaltsgerichts kann die Berufung zum Anwaltsgerichtshof eingelegt werden.
Urteile des Anwaltsgerichtshofs können mit der Revision zum BGH angefochten werden.