Rechtsweg
1 Allgemein
Allgemein bezeichnet Rechtsweg den Zugang zu dem zuständigen Gericht.
Nach Art. 19 Abs. 4 GG steht jedem der Rechtsweg offen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Dies wird als Rechtsweggarantie bezeichnet.
2 Rechtswege zu den deutschen Gerichten
Im deutschen Recht ist zu unterscheiden zwischen
dem Rechtsweg zu der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der zu den Zivil- und Strafgerichten führt,
dem Verwaltungsrechtsweg,
dem Rechtsweg zu den besonderen Verwaltungsgerichten (Finanzgerichte, Sozialgerichte, Disziplinargerichte für Beamte, Richter und Soldaten),
dem Rechtsweg zu der Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 2 ArbGG),
dem Rechtsweg zu den Berufsgerichten (z.B. für Rechtsanwälte, siehe Rechtsanwaltsgerichtliches Verfahren) und
dem Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht (vgl. Art. 94 GG, § 90 BVerfGG) und den Verfassungsgerichten der Länder.
Zu beachten:
Ob der ordentliche Rechtsweg oder ein anderer (Verwaltungsrechtsweg) zu beschreiten ist, lässt sich nicht ohne Weiteres nach der Rechtsnatur der Streitigkeit (öffentliches Recht – Privatrecht) bestimmen. Es gibt öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die vor die ordentlichen Gerichte kommen, z.B. alle Strafsachen nach § 13 GVG sowie die Streitigkeiten wegen Enteignungsentschädigung und aufgrund einer Amtshaftung.
3 Rechtswege zu internationalen Gerichten
International ist zu unterscheiden zwischen
dem Rechtsweg zu den Gerichten der Europäischen Union:
dem Rechtsweg zu dem Internationalen Strafgerichtshof
dem Rechtsweg zu dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
4 Unzulässigkeit des Rechtswegs
Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist eine Prozessvoraussetzung (Sachurteilsvoraussetzung).
Die Gerichte können vorab die Zulässigkeit des zu ihnen beschrittenen Rechtsweges feststellen. Sie müssen dies tun, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt (vgl. § 17a Abs. 3 GVG). Erachtet das Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig, spricht es dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Hat ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden (§ 17a Abs. 1 GVG).
Der Rechtsbehelf, mit dem der Verweisungsbeschluss bzw. der den Rechtsweg bejahende Beschluss angefochten werden kann, ist gemäß § 17a Abs. 4 S. 3 GVG die sofortige Beschwerde.
Eröffnet die Rechtsordnung mehrere Rechtswege zur Verfolgung eines Rechtsschutzziels (z.B. Schutz vor Lärmimmissionen), kann nicht ausgeschlossen werden, dass die jeweils angerufenen Gerichte unterschiedlich urteilen, z.B. die Zumutbarkeitsschwelle bei Lärmimmissionen unterschiedlich bestimmen (BVerwG 17.07.2003 – 4 B 55.03).
5 Einzelfälle
5.1 Erstattung von Aufwendungen durch die öffentliche Verwaltung
»Nimmt ein Bürger Aufgaben wahr, die an sich zum Tätigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung gehören, kann ein Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen aufgrund entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht kommen. Ansprüche aus einer derartigen öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag sind im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob der behauptete öffentlich-rechtliche Anspruch tatsächlich besteht« (OLG Frankfurt am Main 25.07.2018 – 13 W 35/18).
5.2 Auskunftsanspruch zu personenbezogenen Daten
Verlangt der Arbeitnehmer vom Arbeitgebernach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten, ist regelmäßig der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen (Arbeitsgericht/Arbeitsgerichtlicher Rechtsstreit) gegeben. Der Rechtsweg der ordentlichen Gerichtsbarkeit kommt in Betracht, wenn der geltend gemachte Anspruch nach dem anspruchsbegründenden Sachverhalt auf einem anderen, nicht mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden Rechtsverhältnis beruht (BAG 03.02.2014 – 10 AZB 77/13).
5.3 Hausverbot des Jobcenters gegenüber einem Bezieher von ALG-II-Leistungen
Für den Rechtsstreit über ein Hausverbot, das einem Bezieher von Leistungen nach dem SGB II von einem Leistungsträger erteilt worden ist, ist der Rechtsweg zu der Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet (OVG Hamburg 17.10.2013 3 So 119/13).
5.4 Geistliche und Kirchenbeamte
Der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ist nach einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr aber auch in dienstrechtlichen Streitigkeiten zwischen Geistlichen und Kirchenbeamten und ihrer Religionsgesellschaft aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten staatlichen Justizgewährungsanspruchs eröffnet, wenn und insoweit die Verletzung staatlichen Rechts geltend gemacht wird. Danach können auch Geistliche oder Beamte einer Religionsgesellschaft, staatliche Gerichte anrufen, wenn und soweit sie geltend machen, ein Akt ihrer Religionsgesellschaft habe sie in ihren Rechten verletzt (BVerwG 27.02.2014 – 2 C 19/12).
5.5 Organmitglieder einer juristischen Person
In Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit gelten nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.
Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Sie soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person keinen Rechtsstreit im »Arbeitgeberlager« vor dem Arbeitsgericht führen. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen, solange die Fiktion Wirkung entfaltet (BAG 08.09.2015 – 9 AZB 21/15).
Hinweis:
Zu der zu einem GmbH-Geschäftsführer ergangenen Rechtsprechung siehe den Beitrag »GmbH-Geschäftsführer«.
5.6 Regress der Unfallversicherung
Für die gerichtliche Geltendmachung des einem Unfallversicherungsträger gegen einen Unternehmer im Falle der Schwarzarbeit zustehenden Regressanspruchs ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten und nicht der Zivilrechtsweg eröffnet (BGH 14.04.2015 – VI ZB 50/14).
5.7 Bewertung einer Prüfung an einer nichtstaatlichen Hochschule
Der Studien- und Prüfungsbetrieb nichtstaatlicher Hochschulen in Hessen erfolgt auf privatrechtlicher Grundlage. Für Streitigkeiten, die sich aus der Bewertung von Prüfungsleistungen ergeben, die an einer solchen Hochschule erbracht werden, ist deshalb grundsätzlich der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet. Dies gilt auch im Fall der universitären Schwerpunktbereichsprüfung als von der staatlichen Pflichtfachprüfung unabhängigem Teil der ersten juristischen Prüfung (VGH Hessen 13.01.2016 – 9 E 2338/15).