Rechtswörterbuch

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Gesetzliche Unfallversicherung

 Normen 

SGB VII

 Information 

1. Allgemein

Die gesetzliche Unfallversicherung ist die Unfallversicherung der Arbeitnehmer und anderer unfallversicherungspflichtiger Personen.

Die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht bzw. die Möglichkeiten einer freiwilligen Versicherung sind in den §§ 2 - 6 SGB VII geregelt. Dies gilt auch für Selbstständige. Rechtsanwälte können sich in der Verwaltungsberufsgenossenschaft freiwillig versichern.

2. Träger

Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 114 SGB VII die für den jeweiligen Gewerbezweig zuständigen Berufsgenossenschaften einschließlich der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (Unfallkassen des Bundes, die Unfallkassen der Länder einschließlich u.a. der Gemeindeunfallversicherungsverbände).

3. Beiträge

Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung sind allein vom Arbeitgeber zu tragen und von ihm einmal jährlich direkt an den zuständigen Unfallversicherungsträger abzuführen. Die Zahlung erfolgt dabei für das vorhergehende Jahr. Berechnungsgrundlage für die Höhe des jeweiligen Beitrags ist das Arbeitsentgelt des Versicherten, die Gefahrenklasse und die Ausgaben des Unfallversicherungsträgers im letzten Jahr (Umlageverfahren).

Der Arbeitgeber hat in den ersten sechs Wochen des Kalenderjahres dem Unfallversicherungsträger die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Höhe der geleisteten Stunden des vergangenen Jahres mitzuteilen. Auf Antrag kann die Frist verlängert werden. Fällig sind die Beiträge spätestens am 15. des Monats, der auf den Monat der Beitragsfestsetzung folgt.

4. Leistungen

Sofern ein Versicherungsfall vorliegt, ist die Unfallversicherung der alleinige Leistungsträger. Es bestehen folgende Leistungen:

  • Medizinische Leistungen

  • Leistungen der Rehabilitation

  • Verletztengeld als Vergütungs- / Einkommensersatzleistung

  • Erwerbsminderungsrenten:

    Ist die Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls um wenigstens 20 % dauerhaft gemindert, besteht ein Anspruch auf eine lebenslange Verletztenrente. Die Höhe der Rente ergibt sich aus dem Jahresarbeitsverdienst, dem Verdienst, der innerhalb eines Jahres vor dem Unfallereignis erzielt worden ist.

  • Hinterbliebenenleistungen:

    Soweit durch den Arbeitsunfall der Tod eingetreten ist, werden auch Hinterbliebenenleistungen gezahlt.

5. Änderung des Zuständigkeitsbereichs

Gemäß § 136 Abs. 2 SGB VII wird ein Unternehmen, das aufgrund einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, zum Beispiel durch Änderung der Arbeitsweisen, Erweiterung auf neue Geschäftsbereiche oder Verschiebung des Schwerpunkts innerhalb eines Gesamtunternehmens, materiell in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Unfallversicherungsträgers fällt, nur dann an diesen anderen Unfallversicherungsträger überwiesen, wenn sich diese Veränderung als grundlegend und dauerhaft erweist.

Durch § 136 Abs. 2 S. 3 SGB VII werden die Voraussetzungen konkretisiert. In den dort genannten Fällen ist von einer wesentlichen Veränderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X auszugehen. Dies ist zum einen der Fall, wenn durch eine abrupte oder allmähliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse seit mehr als einem Jahr die materielle Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers begründet ist und sich in dieser Zeit auch keine gegenläufigen Tendenzen entwickelt haben. Zum anderen liegt eine wesentliche Veränderung dann vor, wenn das Unternehmen in Bezug auf abgrenzbare Unternehmensteile organisatorisch umgestaltet wird.

6. Deutsche Verbindungsstelle Unfallversicherung Ausland

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. ist gemäß § 139a SGB VII die deutsche Verbindungsstelle im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung.

7. Versicherungsschutz für ehrenamtlich Tätige

Ehrenamtlich tätige Personen sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 SGB VII kraft Gesetzes und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 SGB VII nach einem schriftlichen Antrag in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.

Daneben kann der Antrag durch die Organisation gestellt werden, für die der Ehrenamtliche tätig ist. Eine namentliche Bezeichnung des Versicherten ist nicht erforderlich.

8. Betriebssport

Mit der Entscheidung BSG 13.12.2005 - B 2 U 29/04 hat das Bundessozialgericht Kriterien für die Abgrenzung des unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Betriebssports von anderen sportlichen Aktivitäten aufgestellt:

  • Die sportliche Aktivität muss Ausgleichs- und keinen Wettkampfcharakter haben.

  • Betriebssport muss regelmäßig stattfinden.

  • Der Teilnehmerkreis muss sich im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens bzw. der sich zu einer Sportgemeinschaft zusammengeschlossenen Unternehmen beschränken.

  • Die Übungszeit und -dauer müssen in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen.

  • Die Übungen haben im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattzufinden.

In dem Urteil hatte das Gericht eine während eines mehrtägigen Skiausflugs erlittene Verletzung nicht als Betriebssport und somit nicht als Arbeitsunfall eingestuft, da ihr ein zeitlicher und örtlicher Bezug zu der regulären versicherten Tätigkeit fehle.

9. Betriebsfeier

Siehe den Beitrag "Arbeitsunfall - Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung".

10. Reha-Aufenthalt

"Eine während einer stationären medizinischen Rehabilitation unternommene Aktivität steht nur dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn sie als Bestandteil der medizinischen Rehabilitation ärztlich oder durch sonstige in die Durchführung der Rehabilitation eingebundene Personen konkret bezogen auf den Rehabilitationsbedarf des einzelnen Versicherten angeordnet oder empfohlen worden ist" (BSG 23.06.2020 - B 2 U 12/18 R).

11. "Wie-Beschäftigte"

Gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII unterliegen dem Versicherungsschutz auch Personen, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden.

Die Rechtsprechung stellt an die "Wie-Beschäftigten" folgende Voraussetzungen (BSG 20.08.2019 - B 2 U 1/18 R):

"Damit gewährt die gesetzliche UV auch unterhalb der Schwelle einer Beschäftigung (...). Voraussetzung einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII ist, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird (...), die in einer (abhängigen) Beschäftigung zu den Haupt- oder Nebenpflichten des Beschäftigten gehören könnte und deshalb beschäftigtenähnlich ist. Dabei muss die Handlungstendenz auf die Belange des fremden Unternehmens gerichtet sein (BSG 19.6.2018 - B 2 U 32/17 R - "mithelfende Ehefrau")."

 Siehe auch 

Arbeitsunfall

Arbeitsunfall - Berufskrankheit

Arbeitsunfall - Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung

Arbeitsunfall - Haftungsbeschränkung

Arbeitsunfall - Wegeunfall

BGH 19.05.2009 - VI ZR 56/08 (Bindung des Zivilrichters an die Annahme der Versicherung)

BGH 11.11.2003 - VI ZR 13/03 (Haftung des Unternehmers bei Personenschäden im gestörten Gesamtschuldnerausgleich)

BSG 12.04.2005 - B 2 U 5/04 (Zeitlicher Umfang des Schutzes bei der Jagdausübung)

BSG 25.10.1989 - 2 RU 26/88

http://www.dguv.de (Deutsche gesetzliche Unfallversicherung)

v. Koppenfels-Spies/Wenner: SGB VII. Kommentar; 3. Auflage 2022

Plagemann/Radtke-Schwenzer: Aktuelle Entwicklung im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2022, 1353

Spellbrink/Bieresborn: Die Wie-Beschäftigung in der Gesetzlichen Unfallversicherung; Neue Juristische Rechtsprechung - NJW 2019, 3745

Waltermann: Haftungsfreistellung bei Personenschäden - Grenzfälle und neue Rechtsprechung; Neue Juristische Rechtsprechung - NJW 2004, 9091