Fahrerlaubnis - Verlust
1 Einführung
Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann sowohl von der Verwaltungsbehörde (Fahrerlaubnisbehörde) als auch von einem Gericht angeordnet werden. Zur Vermeidung von sich widersprechenden Entscheidungen hat gemäß § 3 Abs. 3 StVG die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt bei einem anhängigen Strafverfahren ruhen zu lassen.
Hinweis:
Siehe auch den Beitrag »Trunkenheit im Verkehr«.
Die Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung enthält eine Aufstellung häufiger vorkommender Erkrankungen und Mängel, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. Nicht aufgenommen sind Erkrankungen, die seltener vorkommen oder nur kurzzeitig andauern (z.B. grippale Infekte, akute infektiöse Magen-/Darmstörungen, Migräne, Heuschnupfen, Asthma).
2 Vorläufiger Entzug der Fahrerlaubnis
Rechtsgrundlage der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 111a StPO. Voraussetzung ist, dass dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Fahrerlaubnis (endgültig) entzogen werden wird. Die dringenden Gründe sind bei einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad gegeben, d.h. sie entsprechen dem dringenden (Tat-)Verdacht.
Die Anordnung der vorläufigen Entziehung erfolgt durch das Amtsgericht, bei Gefahr im Verzug kann sie auch durch die Polizeibeamten erlassen werden.
Die richterliche Entscheidung der Fahrerlaubnisentziehung kann mit dem Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 304 StPO überprüft werden. Ist die Entziehung zunächst von der Polizei durchgeführt worden, so kann die richterliche Entscheidung beantragt werden.
3 Entzug der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde
3.1 Allgemein
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde ist § 3 StVG i.V.m. § 46 FeV. Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich eine Person zum Führen von Kraftfahrzeugen
als ungeeignet
oder
nicht befähigt
erweist, d.h. körperlich, geistige oder charakterliche Mängel bestehen. Indizien für die Annahme der Ungeeignetheit/Unfähigkeit können eine Alkoholkonzentration oder auch das Erreichen einer bestimmten Punktezahl im Fahreignungsregister sein.
Die der Fahrerlaubnisbehörde in diesem Zusammenhang obliegende Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ist eine Prognose. Die Entziehung der Fahrerlaubnis dient nicht – repressiv – der Ahndung vorangegangener Verkehrsverstöße, sondern der Abwehr von Gefahren, die künftig durch die Teilnahme von nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeigneten Fahrern am Straßenverkehr entstehen können.
3.2 Punktesystem/Fahreignungs-Bewertungssystem
Siehe insofern den Beitrag »Fahreignungs-Bewertungssystem«.
3.3 Gutachten
Zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis kann die Fahrerlaubnisbehörde die Erstellung von Gutachten folgender Sachverständiger in Auftrag geben:
Gutachten einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle (MPU-Gutachten)
Gutachten amtlich anerkannter Sachverständiger für den Kraftfahrzeugverkehr
Gutachten eines Amtsarztes/Facharztes
In den in §§ 13, 13a, 14 FeV genannten Fällen ist zwingend ein ärztliches/MPU-Gutachten einzuholen.
»Die Fahrerlaubnisbehörde darf den Betroffenen auch dann gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auffordern, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung ordnungswidrigkeitsrechtlich nicht geahndet worden ist. Es muss aber hinreichend sicher feststehen, dass der Betroffene die Zuwiderhandlung begangen hat, und sie muss in zeitlicher Hinsicht noch verwertbar sein. Falls eine Bußgeldentscheidung ergangen ist, darf die Berücksichtigung der Zuwiderhandlung nicht entgegen § 3 Abs. 4 Satz 2 StVG von den dort getroffenen Feststellungen abweichen« (BVerwG 07.04.2022 – 3 C 9/21).
Mit dem am 01.04.2024 eingefügten § 13a FeV werden die Voraussetzungen zur Einholung eines ärztlichen Gutachtens bzw. eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer Cannabisproblematik geregelt.
Hat ein Fahrerlaubnisinhaber als Radfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 1,6 Promille oder mehr am Straßenverkehr teilgenommen, darf ihm insofern die Fahrerlaubnis entzogen werden als dass zu erwarten ist, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug in fahruntüchtigem Zustand führen wird (BVerwG 21.05.2008 3 C 32/07).
3.4 Anfechtung der Entscheidung
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist ein Verwaltungsakt und kann mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden.
3.5 Cannabis-Konsum
Der von der Arbeitsgruppe des Verkehrsministeriums gemäß § 44 CanG in dem neuen Absatz § 24a Abs. 1 a StVG festgelegte Grenzwert der THC-Konzentration beträgt 3,5 Nanogramm je Milliliter Blutserum.
Bei Erreichen dieses THC-Grenzwerts ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab welcher ein allgemeines Unfallrisiko beginnt. Der Begriff »nicht fernliegend« soll einen Wahrscheinlichkeitsgrad für die Verwirklichung des Straßenverkehrssicherheitsrisikos definieren und ist so zu verstehen, dass der Risikoeintritt »möglich« ist, jedoch nicht wahrscheinlich, aber auch nicht »ganz unwahrscheinlich«. Die Expertenarbeitsgruppe hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es nach derzeitigem Kenntnisstand der Wissenschaft nicht möglich ist – wie in § 44 des Konsumcannabisgesetzes normiert –, einen THC-Grenzwert festzulegen, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist (siehe dazu auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 20/11370).
Dieser THC-Grenzwert, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr nicht fernliegend ist, setzt sich wie folgt zusammen:
Basiswert von 3,5 ng/ml als mittlere Konzentration, bei der Gelegenheitskonsumenten eine mit 0,2-Promille Blutalkoholkonzentration vergleichbare Beeinträchtigung aufweisen können,
Ausgleich der durch die Verzögerung zwischen Ereignis (Unfall, Verkehrskontrolle) und Blutentnahme möglichen THC-Konzentrationsabnahme mittels Abzugs von 1ng/ml,
Pauschaler, durch mögliche Messfehler bedingter Sicherheitszuschlag von 1ng/ml (40 % von 2,5 ng/ml).
Ziel der Grenzwertfestlegung in dieser Höhe ist, dass der Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr getrennt werden. Dies bedeutet, dass niemand unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug führt, solange eine straßenverkehrssicherheitsrelevante Beeinträchtigung besteht. Die Festlegung eines moderat höheren THC-Grenzwerts als der von der Rechtsprechung zugrunde gelegte aktuelle analytische Nachweisgrenzwert von 1,0 ng/ml THC Blutserum soll nicht mit einer Erhöhung des Straßenverkehrssicherheitsrisikos einhergehen, die über das hinausgeht, was für andere Risikofaktoren (z. B. Alkoholkonsum) gesellschaftlich toleriert wird. Nach den Feststellungen der wissenschaftlichen Experten der Arbeitsgruppe ist der Grenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum vom Risiko vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.
Begriffsbestimmung »gelegentlicher Konsum«:
Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist (st. Rspr., so u.a. BVerwG 11.4.2019 – 3 C 14/17; BVerwG 23.10.2014 – 3 C 3713).
Begriffsbestimmung »einmaliger Konsum«:
»Allerdings liegt ein einmaliger Konsum nur dann vor, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurückliegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat. Dies plausibel darzulegen, obliegt dem Betroffenen. Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss« (VGH Bayern 03.11.2021 – 11 CS 21.1000).
Zum Anspruch auf Neuentscheidung aufgrund geänderter Rechtslage:
Sofern eine Behörde in der Vergangenheit aufgrund der damaligen Rechtslage bei gelegentlichem Cannabis-Konsum die Fahrerlaubnis entzogen hat, hat der Betroffene einen Anspruch auf Neubescheidung, da sich die Fahrerlaubnisentziehung als rechtswidrig erweist. Aber nach der Rechtsprechung liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, da der Entziehungsbescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses nicht offensichtlich rechtswidrig war (VGH Bayern 17.10.2019 – 11 CE 19/1480).
4 Entzug der Fahrerlaubnis durch ein Gericht
Rechtsgrundlage sind die §§ 69 ff. StGB.
Der Entzug der Fahrerlaubnis ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung und setzt daher kein schuldhaftes Handeln voraus.
Voraussetzungen der Entziehung sind:
Der Täter hat eine rechtswidrige Straftat (keine Ordnungswidrigkeit) begangen.
Die Tat weist eine Beziehung zum Führen von Kraftfahrzeugen auf.
Aus der Tat ergibt sich, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.
Die mangelnde Eignung kann auch hier auf körperlichen oder geistigen Mängeln bzw. einer charakterlichen Ungeeignetheit beruhen.
Beispiel:
Der Täter benutzt das Fahrzeug als Mittel zur Tatbegehung.
Ausreichend für die Entziehung ist die Begehung einer rechtswidrigen Straftat mit der Folge, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis auch möglich ist, wenn eine Verurteilung des Angeklagten aufgrund dessen Schuldunfähigkeit nicht möglich ist.
Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis ordnet das Gericht eine Sperrzeit an, innerhalb der die Fahrerlaubnisbehörde keine erneute/erstmalige Fahrerlaubnis erteilen darf. Die Höchstdauer der Sperrfrist beträgt mindestens sechs Monate und höchstens grundsätzlich fünf Jahre, sie kann nur in Ausnahmefällen auf die Lebenszeit verlängert werden.
War die Fahrerlaubnis im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vorläufig entzogen, so wird der Zeitraum der vorläufigen Entziehung auf die Sperrzeit angerechnet, jedoch muss immer eine Mindestsperrfrist von drei Monaten verbleiben, d.h. ggf. kann nicht der gesamte Zeitraum der vorläufigen Entziehung angerechnet werden. Die Sperrzeit beginnt mit der Rechtskraft des Urteils.
Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis ist das Erlöschen der Fahrerlaubnis. Auch eine ausländische Fahrerlaubnis (Fahrerlaubnis – International) berechtigt im Inland in diesem Fall nicht zum Führen eines Fahrzeugs.
Aber: Nach dem Beschluss OVG Rheinland-Pfalz 15.08.2005 – 7 B 11021/05 ist eine europäische Fahrerlaubnis von den deutschen Behörden anzuerkennen, wenn die deutsche Fahrerlaubnis freiwillig zurückgegeben wurde (und nicht entzogen wurde). Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Einem Mann war 2001 die Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt entzogen worden. Nach der Erfüllung der Auflagen wurde sie ihm wieder erteilt. Im August 2004 kam es zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung von fast 30 km/h. Daraufhin gab der Antragsteller seine Fahrerlaubnis freiwillig zurück. Im Januar 2004 wurde ihm eine tschechische Fahrerlaubnis ausgestellt, die von der Straßenverkehrsbehörde jedoch nicht anerkannt wurde. Nach § 28 FeV sind ausländische Fahrerlaubnisse grundsätzlich anzuerkennen. Davon besteht gemäß § 28 Abs. 4 FeV eine Ausnahme, wenn die Fahrerlaubnis vorläufig oder rechtskräftig entzogen wurde. Nach der Ansicht der Richter lag dieser Fall jedoch nicht vor, da der Inhaber seine Fahrerlaubnis freiwillig zurückgegeben hatte.
Das Gericht kann gemäß § 69a StGB von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Hierbei handelt es sich um Fahrzeuge, von deren Führung durch den Angeklagten trotz dessen genereller Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen keine Gefahren für die Allgemeinheit, insbesondere für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu befürchten ist.
Das Amtsgericht Frankfurt hat bei einem Kraftfahrer eines städtischen Entsorgungsbetriebes Müllwagen sowie Abroll- und Absetzkipper von der Sperre ausgenommen. Ähnliches gilt für Feuerlöschfahrzeuge, Straßenwachtfahrzeuge und Rettungswagen (AG Frankfurt am Main 25.10.2006 – 920 Cs – 213 Js 23993/06).
5 Fahrverbot
Der Verlust der Fahrerlaubnis ist von dem Fahrverbot zu unterscheiden.