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Rechtskraft

Normen

§§ 322, 705 ZPO

Information

1 Allgemein

Mit dem Eintritt der Rechtskraft wird die im Urteil niedergelegte Entscheidung endgültig. Gleichzeitig wird die Entscheidung vollstreckbar, sofern sie nicht bereits vorläufig vollstreckbar war.

Es wird unterschieden zwischen:

  • der formellen Rechtskraft

    und

  • der materiellen Rechtskraft

2 Formelle Rechtskraft

Die formelle Rechtskraft beginnt, wenn das Urteil unanfechtbar geworden ist.

Unanfechtbarkeit tritt ein mit:

  • Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. bei Versäumnisurteilen Ablauf der Einspruchsfrist. Dies gilt auch in Prozessen, in denen das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist, z.B. da die Beschwerdesumme nicht erreicht wurde.

  • Verzicht beider Parteien auf das Einlegen von Rechtsmitteln. Die Beseitigung des Verzichts durch Widerruf ist nicht möglich, da durch den Verzicht das Recht zur Rechtsmitteleinlegung endgültig aufgegeben wird.

  • Bei letztinstanzlichen Entscheidungen mit der Verkündung der Entscheidung.

Die formelle Rechtskraft kann nur durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, eine Wiederaufnahmeklage, eine Klage aus § 826 BGB (Durchbrechung der Rechtskraft) oder eine Abänderungsklage durchbrochen werden.

3 Materielle Rechtskraft

Voraussetzung der materiellen Rechtskraft ist der Eintritt der formellen Rechtskraft. Mit der materiellen Rechtskraft wird grundsätzlich nur der Urteilstenor für die Prozessparteien für die Zukunft bindend. Die Gründe des Urteils erwachsen nicht in Rechtskraft:

"Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Damit sind der Rechtskraft bewusst enge Schranken gezogen. Die Urteilselemente, die bedingenden Rechte und Gegenrechte sollen nicht von der Rechtskraft erfasst werden. Sie wird vielmehr auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt auf diejenige Rechtsfolge, die aufgrund einer Klage oder Widerklage beim Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet, beschränkt. Die tatsächlichen Feststellungen als solche erwachsen nicht in Rechtskraft. (...) Im Ausgangspunkt trifft es allerdings zu, dass eine rechtskräftige Entscheidung in einem Vorprozess zwischen den Parteien zu einer Tatsachenpräklusion in einem Folgeprozess führen kann. Zwar erwachsen die tatsächlichen Feststellungen in einem Urteil nicht in Rechtskraft. Andererseits darf die Rechtskraft der Entscheidung über den im Vorprozess erhobenen Anspruch nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen (...). Hat ein Gericht den Streitgegenstand eines rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses erneut zu prüfen, hat es deshalb seinem Urteil den Inhalt dieser Entscheidung zugrunde zu legen (...). Mit Vortrag zu Tatsachen, die im maßgebenden Zeitpunkt des Vorprozesses schon vorhanden waren und darauf gerichtet sind, das kontradiktorische Gegenteil der im Vorprozess festgestellten Rechtsfolge auszusprechen, sind die Parteien dann insoweit ausgeschlossen, als sie bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebensvorgang gehören (...). (...) Diese Präklusion (geht) jedoch nicht weiter als die Rechtskraftwirkungen des Urteils (...). Sie ist kein Institut neben der materiellen Rechtskraft, sondern nur die notwendige Kehrseite der Maßgeblichkeit der Entscheidung. Außerhalb der Grenzen des Streitgegenstands besteht keine Präklusion, auch wenn mit der neuen Klage ein wirtschaftlich identisches Ziel verfolgt wird und sich die Tatsachen überschneiden" (BGH 22.09.2016 - V ZR 4/16).

Ein zweiter Prozess über denselben Streitgegenstand ist unzulässig. Zur Entscheidung, ob in einem zweiten Prozess Identität der Streitgegenstände vorliegt, darf auch die Urteilsbegründung einbezogen werden.

Bei einer Teilklage wird nur der abgeurteilte Teil von der Rechtskraft erfasst, wenn der Anspruch teilbar ist (z.B. Zahlungsklage).

Die Rechtskraft erstreckt sich nur auf die Prozessparteien (Ausnahme: Rechtskrafterstreckung auf Dritte - s.u.) und auf das, was zeitlich bis zur letzten mündlichen Verhandlung hätte vorgetragen werden können. Nach diesem Zeitpunkt auftretende neue Tatsachen können durch eine Abänderungsklage, eine Vollstreckungsgegenklage oder die Leistungsklage aus § 812 BGB berücksichtigt werden.

Auch bestimmte Beschlüsse können in Rechtskraft erwachsen. Voraussetzung ist, dass der Beschluss in formeller Rechtskraft erwachsen kann und streitentscheidenden Charakter hat. Beispiel: Der Kostenfestsetzungsbeschluss.

4 Rechtskrafterstreckung auf Dritte

Das Urteil wirkt gemäß §§ 325, 265 ZPO für und gegen den Rechtsnachfolger einer Partei, wenn die Rechtsnachfolge nach Rechtshängigkeit eingetreten ist:

  • Das Urteil gegen den Testamentsvollstrecker wirkt für und gegen den Erben (§ 327 ZPO).

  • Das Urteil wirkt bei gewillkürter Prozessstandschaft für und gegen den eigentlichen Rechtsträger.

  • Das klageabweisende Urteil gegen den Hauptschuldner wirkt auch für den Bürgen.

  • Der Rechtsnachfolger muss bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen auch einen Prozessvergleich gegen sich geltend lassen:

    "Wird nach Eintritt der Rechtshängigkeit die in Streit befangene Sache veräußert, so muss der Rechtsnachfolger des Veräußerers einen zwischen dem Veräußerer und dem Prozessgegner geschlossenen gerichtlichen Vergleich gegen sich gelten lassen, wenn und soweit der Inhalt des Vergleichs auch das Ergebnis eines Urteils in dem anhängigen Prozess sein könnte und sich die Rechtskraft eines solchen Urteils auf den Rechtsnachfolger erstreckt hätte" (BGH 14.09.2018 - V ZR 267/17).

Von der allgemeinen Rechtskrafterstreckung bestehen folgende Ausnahmen:

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