Rechtswörterbuch

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach Themen im Rechtswörtebuch zu suchen!

Präklusion

 Normen 

§ 296 ZPO

§ 323 Abs. 2 ZPO

§ 767 Abs. 2 ZPO

§ 79b FGO

§ 73 Abs. 4 VwVfG

 Information 

1. Allgemein

Als Präklusion wird im Falle des Unterlassens bestimmter Rechtshandlungen der gesetzlich geregelte Ausschluss von Rechten bezeichnet.

Beispiele:

  • Der Verlust der Gewährleistungsrechte bei nicht rechtzeitiger Ausübung der kaufmännischen Rügepflicht.

  • Bei der Vollstreckungsgegenklage sind die Einwendungen ausgeschlossen, die im Prozess hätten geltend gemacht werden können.

  • Im Verwaltungsrecht sind bei Planungsvorhaben Einwendungen innerhalb einer bestimmten Frist geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Einwendungsfristen sind alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen (vgl. Planfeststellungsverfahren - Präklusionswirkung).

  • Gemäß § 282 ZPO sowie § 296 ZPO kann das Gericht verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel zurückweisen.

    § 282 ZPO betrifft allein Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden. Die Vorschrift ist nur dann einschlägig, wenn innerhalb einer Instanz mehrere Verhandlungstermine stattfinden; ein Vorbringen im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung kann niemals nach § 282 ZPO verspätet sein (BGH 17.07.2012 - VIII ZR 273/11).

  • Im Rahmen einer Abänderungsklage können nur Tatsachen vorgetragen werden, die nach der mündlichen Verhandlung entstanden sind.

  • Eine rechtskräftige Entscheidung in einem Vorprozess zwischen den Parteien kann zu einer Tatsachenpräklusion in einem Folgeprozess führen. "Zwar erwachsen die tatsächlichen Feststellungen in einem Urteil nicht in Rechtskraft. Andererseits darf die Rechtskraft der Entscheidung über den im Vorprozess erhobenen Anspruch nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen (...). Hat ein Gericht den Streitgegenstand eines rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses erneut zu prüfen, hat es deshalb seinem Urteil den Inhalt dieser Entscheidung zugrunde zu legen (...). Mit Vortrag zu Tatsachen, die im maßgebenden Zeitpunkt des Vorprozesses schon vorhanden waren und darauf gerichtet sind, das kontradiktorische Gegenteil der im Vorprozess festgestellten Rechtsfolge auszusprechen, sind die Parteien dann insoweit ausgeschlossen, als sie bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebensvorgang gehören (...) diese Präklusion (geht) jedoch nicht (...) weiter als die Rechtskraftwirkungen des Urteils (...). Sie ist kein Institut neben der materiellen Rechtskraft, sondern nur die notwendige Kehrseite der Maßgeblichkeit der Entscheidung. Außerhalb der Grenzen des Streitgegenstands besteht keine Präklusion, auch wenn mit der neuen Klage ein wirtschaftlich identisches Ziel verfolgt wird und sich die Tatsachen überschneiden" (BGH 22.09.2016 - V ZR 4/16).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Präklusionsvorschriften, die auf eine Verfahrensbeschleunigung hinwirken sollen, auch unter dem Gesichtspunkt von Art.103 Abs. 1 des Grundgesetzes als verfassungsgemäß beurteilt worden (BVerfG 30.01.1985 - 1 BvR 99/84). Erforderlich ist, dass die betroffene Partei hinreichend Gelegenheit hatte, sich in allen für sie wichtigen Fragen zur Sache zu äußern, diese Gelegenheit aber schuldhaft ungenutzt verstreichen ließ.

Präklusionsvorschriften müssen wegen der einschneidenden Folgen, die sie für die säumige Partei nach sich ziehen, strengen Ausnahmecharakter haben. Die Fachgerichte sind daher bei der Auslegung und Anwendung der Präklusionsvorschriften einer strengeren verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterworfen, als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts geschieht. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden hat, ist eine Präklusion insbesondere dann nicht mit dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu vereinbaren, wenn eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht die Verzögerung mitverursacht hatte (BVerfG 21.02.1990 - 1 BvR 1117/89).

2. Im Prozessrecht

Gemäß § 296 Abs. 1 ZPO sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist vorgebracht werden, nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

Zudem können Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, zurückgewiesen werden, wenn

  • ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde

    und

  • die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

    "Grobe Nachlässigkeit (...) liegt nur dann vor, wenn eine Prozesspartei ihre Pflicht zur Prozessförderung in besonders gravierender Weise vernachlässigt, wenn sie also dasjenige unterlässt, was nach dem Stand des Verfahrens jeder Partei als notwendig hätte einleuchten müssen" (BGH 24.09.2019 - VIII ZR 289/18).

Zudem ist es gefestigte Rechtsprechung des BGH, dass es sich bei § 296 Abs. 2 ZPO um eine Ermessensvorschrift handelt. Die Ausübung des richtlichen Ermessens muss sich aus den Urteilsgründen ergeben (BGH 10.05.2016 - VIII ZR 97/15).

 Siehe auch 

Frist

Zivilprozess

BGH 07.12.2011 - XII ZR 159/09 (Präklusion nach der Abweisung einer Abänderungsklage)

BGH 11.06.2010 - V ZR 85/09 (Selbstständiges Beweisverfahren)

BGH 09.06.2005 - VII ZR 43/04 (Zurückweisung von Vorbringen im frühen ersten Termin)

BGH 18.11.2004 - IX ZR 229/03 (Neuer Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz)

BGH 04.11.2004 - III ZR 372/03 (Anwendbarkeit des § 531 Abs. 2 ZPO im baulandgerichtlichen Berufungsverfahren)

BVerwG 27.02.2003 - 4 A 59/01 (Präklusionsfrist für anerkannte Naturschutzvereine im Planfeststellungsverfahren)

Baudewin/Wegner: Die Präklusion im Zivilprozess - Bedeutung, Chancen, Risiken; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2014, 1479

Basdorf: Formelle und informelle Präklusion im Strafverfahren; Strafverteidiger - StV 1997, 488

Brandt: Präklusion im Verwaltungsverfahren; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ 1997, 233

Nassal: Wenn das Wörtchen "kann" nicht wär. ZPO-Präklusionsvorschriften und richterliche Ermessensausübung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2020, 1939

Prütting/Wegen/Weinreich: ZPO-Kommentar; 13. Auflage 2021

Seibel: Zur Präklusion von Einwendungen zwischen selbständigem Beweisverfahren und nachfolgendem Hauptsacheprozess: Baurecht - BauR 2011, 1410