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Prozessvergleich

Normen

§ 779 BGB

Nrn. 1000, 1003 Vergütungsverzeichnis zum RVG

§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO

§§ 160 ff. ZPO

§ 278 Abs. 6 ZPO

Information

1 Allgemein

Beendigung eines Rechtsstreits über ein Rechtsverhältnis durch gegenseitiges Nachgeben in der Form eines Schuldvertrages während eines Prozesses.

Der Prozessvergleich wird auch gerichtlicher Vergleich genannt. Er ist gekennzeichnet durch seine Doppelnatur: Er ist sowohl materieller Vergleich gemäß § 779 BGB als auch prozessuale Handlung.

Voraussetzungen eines wirksamen Prozessvergleiches sind:

  • Vorliegen der allgemeinen Vergleichsvoraussetzungen.

  • Der Vergleich wird vor einem deutschen Gericht geschlossen.

  • Ein gerichtliches Verfahren ist anhängig, das beendet werden soll.

  • Der Vergleich wird zwischen den Parteien des Rechtsstreits geschlossen.

  • Der Vergleich muss nach § 160 ZPO protokolliert werden.

Prozessvergleiche außerhalb der mündlichen Verhandlung können wie folgt geschlossen werden:

  • Die Parteien unterbreiten dem Gericht einen Vergleichsvorschlag, der von diesem angenommen wird.

  • Die Parteien nehmen einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz an.

2 Wirkung

Der Prozessvergleich beendet die Rechtshängigkeit ex nunc und ist Vollstreckungstitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Eine eventuell erforderliche notarielle Form wird durch den Prozessvergleich ersetzt.

Prozessuale Mängel des Vergleichs beenden den Prozess nicht, er ist fortzusetzen.

3 Prozessvergleich durch Beschluss

Gemäß § 278 Abs. 6 ZPO kann ein Prozessvergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen.

Dabei kann der Vergleich nur durch Annahme des schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts mit Schriftsatz der Parteien wirksam geschlossen werden (BGH 14.07.2015 - VI ZR 326/14). Der Vergleichsschluss erfolgt dann durch Beschluss des Gerichts.

Durch die zum 01.01.2020 in Kraft getretenen Änderungen in § 278 Abs. 6 ZPO wurden die Modalitäten eines gerichtlichen Vergleichsabschlusses vereinfacht. Nach der vormaligen Regelung des § 278 Abs. 6 S. 1 Fall 2 ZPO konnte ein gerichtlicher Vergleich dadurch geschlossen werden, dass die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen.

Dieses Erfordernis wurde nach der vormaligen Rechtslage nicht erfüllt, wenn eine Partei in der mündlichen Verhandlung zu einem vom Gericht unterbreiteten und protokollierten Vergleichsvorschlag ihre Zustimmung zu Protokoll erklärt und die Gegenpartei außerhalb der mündlichen Verhandlung innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist mit Schriftsatz ihre Zustimmung erklärt.

Durch die Neuregelung wird auch in Fällen, in denen eine Partei einen schriftlichen oder zu Protokoll erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung annimmt, während die andere Partei ihre Annahme später schriftsätzlich erklärt, der Abschluss eines wirksamen gerichtlichen Vergleichs ermöglicht. Dies erspart einigungswilligen Rechtsuchenden und ihren Anwälten Zeit- und Kostenaufwand und entlastet die Gerichte.

Durch den BGH noch nicht geklärt ist die Frage, ob der Prozessvergleich durch Beschluss auch möglich ist, wenn der Streitgegenstand eine notarielle Beurkundung erfordert. Die Frage hat jedoch nur dann Bedeutung, wenn es nicht um die Übertragung von Grundstücken geht, da in diesen Fällen gemäß § 925 BGB die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien erforderlich ist.

In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sowie in der Literatur ist diese Frage umstritten. Das OLG Celle hat sich jetzt dazu entschieden, die Frage eingeschränkt abzulehnen (OLG Celle 14.06.2013 - 4 W 65/13): "Ein Vergleich, dessen Zustandekommen im schriftlichen Verfahren festgestellt wird, wahrt (...) die erforderliche Form einer notariellen Beurkundung jedenfalls dann nicht, wenn die Parteien weder durch ihre Bevollmächtigen noch durch das Gericht im erforderlichen Umfang belehrt worden sind."

4 Umfang des Vergleichs

Es ist nicht nötig, dass der Prozessvergleich das anhängige Verfahren ganz oder teilweise beendet. Ausreichend ist, dass ein innerer Zusammenhang mit dem Rechtsstreit besteht (OLG Koblenz 20.02.2015 - 13 WF 144/15).

5 Kein Verzicht auf tarifvertragliche Rechte

Gemäß § 4 Abs. 4 TVG ist ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte (z.B. Überstunden) nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig! Als Verzicht wird jedes Rechtsgeschäft angesehen, durch den der Arbeitnehmer auf das Recht verzichtet, ohne dass er einen entsprechenden Ausgleich erhält (BAG 12.02.2014 - 4 AZR 317/12).

Möglich (und nicht genehmigungspflichtig) ist jedoch ein Tatsachenvergleich. Um einen Tatsachenvergleich handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BAG nur, wenn eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll (BAG 05.11.1997 - 4 AZR 682/95).

6 Ausgleichsklausel

Siehe insofern den Beitrag "Ausgleichsklausel - Arbeitsrecht".

7 Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Ein Prozessvergleich ist grundsätzlich (auch) wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB anfechtbar (Anfechtung Willenserklärungen). Folge ist, dass im Falle einer wirksamen Anfechtung der Vergleich gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig ist und der Prozess fortzusetzen ist. Beweispflichtig ist der Anfechtende (OLG Brandenburg 14.08.2019 - 4 U 94/18).

8 Zuständigkeit zur Klauselerteilung

Gemäß § 795 ZPO sind auf die Zwangsvollstreckungen aus den in § 794 ZPO erwähnten Schuldtiteln die Vorschriften der §§ 724 - 793 ZPO entsprechend anzuwenden. Danach bestimmt sich die Zuständigkeit für die Klauselerteilung wie folgt:

In der Vergangenheit war die Zuständigkeit für die Klauselerteilung bei gerichtlichen Vergleichen, die unter dem Vorbehalt eines Widerrufs oder den Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils geschlossen wurden, auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung umstritten. Der Gesetzgeber hat mit der Einfügung des § 795b ZPO diese Rechtsfrage geklärt: Danach wird die Vollstreckungsklausel von Vergleichen, deren Wirksamkeit ausschließlich vom Eintritt einer sich aus der Verfahrensakte ergebenden Tatsache abhängt, vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt.

9 Rechtsanwalt

9.1 Vergütung

Der Abschluss eines Prozessvergleichs wird mit der Einigungsgebühr vergütet.

9.2 Rechtsanwaltshaftung

Im Rahmen von Verhandlungen zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Um dem Mandanten eine eigenständige Entscheidung über den Abschluss des Vergleichs zu ermöglichen, muss er ihm dessen Vor- und Nachteile darlegen. Auch ein ausdrücklicher gerichtlicher Vergleichsvorschlag vermag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung der Partei zu entbinden. Der Anwalt hat von einem Vergleich abzuraten, wenn er für die von ihm vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung darstellt und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen. In diesem Fall greift die Vermutung ein, dass der Mandant dem Vorschlag des Anwalts, von einem Vergleichsschluss abzusehen, gefolgt wäre. Nimmt der Mandant auf Anraten seines Rechtsanwalts eine günstige Vergleichsmöglichkeit nicht wahr, kommt es für einen Pflichtverstoß darauf an, ob im Zeitpunkt der Vergleichsverhandlung objektive Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, die den Vergleich günstiger erscheinen ließen als dessen Ablehnung (BGH 14.07.2016 - IX ZR 291/14).

10 Monte-Carlo-Vergleich

Als Monte-Carlo-Vergleich bzw. Monaco-Vergleich wird ein (unechter) Vergleich bezeichnet, nach dem die Parteien zunächst vereinbaren, dass der Schuldner die gesamte in Streit stehende Summe zu zahlen hat, er aber bei Zahlung bis zu einem bestimmten Termin nur einen Teil der Schuld zahlen muss.

metis