Erbe
1 Allgemein
Mit dem Tod einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine (Erbe) oder mehrere Personen (Erbengemeinschaft) über. Dies wird auch als Gesamtrechtsnachfolge bezeichnet.
Der Erbe hat nach Kenntnisnahme der Erbschaft zwei Möglichkeiten:
Er kann die Erbschaft annehmen.
Er kann die Erbschaft Erbschaft ausschlagen.
Die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft beträgt gemäß § 1944 BGB sechs Wochen, beginnend mit der Kenntnis der Erbenstellung. Mit der Annahme der Erbschaft erlischt das Recht zur Ausschlagung, jedoch kann die Annahme bei Vorliegen der Voraussetzungen noch angefochten werden.
Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass Erben auf Konten in der Schweiz, Luxemburg etc. verborgenes Vermögen vermuten, über die Bankkonten jedoch keine Kenntnis besitzen. Es existieren auf diese Fälle spezialisierte Unternehmensberater, die evtl. verborgenes Vermögen aufzuspüren.
2 Nachweis der Erbenstellung
Der Erbe ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern hat auch die Möglichkeit, diesen Nachweis in anderer Form zu erbringen. Dazu gehören neben dem öffentlichen Testament auch das eigenhändige Testament oder im Falle gesetzlicher Erbfolge Urkunden, aus denen sich diese ergibt (BGH 05.04.2016 - XI ZR 440/15). Eine Pflicht zum Nachweis der Erbenstellung durch einen Erbschein kann sich nur ergeben aus einer entsprechenden Vereinbarung (auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, z.B. einer Bank) oder bei Vorliegen einer der gesetzlich gesondert geregelten Fälle, in denen der Erbe die Rechtsnachfolge grundsätzlich durch einen Erbschein nachzuweisen hat (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO, § 41 Abs. 1 Satz 1 Schiffsregisterordnung, § 86 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen).
Auch durch die Eröffnung eines öffentlichen Testaments ist nach der Ansicht der Richter in der Regel ein ausreichender Nachweis gegeben (BGH 07.06.2005 - XI ZR 311/04).
3 Folgen der Erbenstellung
Mit der Erbenstellung sind nachstehende Folgen verbunden:
Haftung für Nachlassverbindlichkeiten.
Grundsätzlicher Eintritt in bestehende Dauerschuldverhältnisse des Erblassers.
Verpflichtung zur Zahlung von Erbschaftsteuer.
4 Unwirksamkeit einer gesellschaftsrechtlichen Abfindungsvereinbarung für die Erben
Ein im Laufe der Zeit eingetretenes, außergewöhnlich weitgehendes Auseinanderfallen von vereinbartem Abfindungs- und tatsächlichem Anteilswert kann ganz allgemein nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dazu führen, dass dem von dieser tatsächlichen Entwicklung betroffenen Gesellschafter das Festhalten an der vertraglichen Regelung auch unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses der Mitgesellschafter nicht mehr zugemutet werden kann. Dies gilt auch für den minderjährigen Erben als Gesamtrechtsnachfolger seiner Mutter (OLG Bremen 13.03.2013 - 4 UF 7/12).
5 Haftung für Sozialhilfeaufwendungen
Gemäß § 102 SGB XII ist der Erbe der leistungsberechtigten Person zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs 1 SGB XII übersteigen. Die Ersatzpflicht des Erben gehört zu den Nachlassverbindlichkeiten. Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses.
Entscheidend ist dabei allein die Rechtmäßigkeit der Leitungserbringung:
"Die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für die Kostenersatzpflicht des Erben. (...) Dabei kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit nur darauf an, ob die dem Erblasser gewährten Leistungen diesem materiell-rechtlich zustanden, während reine Formverstöße ohne Bedeutung sind" (BSG 27.02.2019 - B 8 SO 15/17).