Strafverteidiger
1 Allgemein
Organ der Rechtspflege.
Strafverteidigung ist die Vertretung des Mandanten (Beschuldigter, Angeschuldigter oder Angeklagter) in einer Strafsache. Zu unterscheiden ist zwischen der
und
der Wahlverteidigung, bei der die Voraussetzungen der Pflichtverteidigung nicht vorliegen und der Mandant selbst einen Verteidiger beauftragt.
2 Voraussetzungen der Tätigkeit
Gemäß § 137 StPO ist die Zahl der Wahlverteidiger des Beschuldigten / Angeschuldigten / Angeklagten auf drei begrenzt. Dies beinhaltet nicht den Pflichtverteidiger.
Die Funktion als Strafverteidiger (Wahlverteidiger) können gemäß § 138 StPO ausüben:
Hochschullehrer mit der Befähigung zum Richteramt
andere Personen mit Genehmigung des Gerichts nach einem entsprechenden Antrag (§ 138 Abs. 2 StPO). Dies können z.B. Rechtsbeistände, ausländische Rechtsanwälte sein.
Nach der Entscheidung BVerfG 27.02.2006 - 2 BvR 413/06 hat der Beschuldigte keinen Anspruch auf Beiordnung eines von ihm bezeichneten Wahlverteidigers. Die Erteilung der Genehmigung ist in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt waren dem Beschuldigten bereits zwei Pflichtverteidiger bestellt, bei dem gewünschten Wahlverteidiger handelte es sich weder um einen Rechtsanwalt noch um einen Hochschullehrer mit Befähigung zum Richteramt.
3 Tätigkeit
Im Rahmen der Strafverteidigung ist der Strafverteidiger berechtigt, zur Verteidigung des Mandanten alle gesetzlich möglichen Verteidigungsmittel einzusetzen. Dabei muss er die Wahrheitspflicht einhalten und darf bei Kenntnis der Wahrheitswidrigkeit eine Tatsache nicht vortragen. Zulässig ist es jedoch, wenn er trotz Kenntnis der Schuld des Mandanten einen Freispruch beantragt. Von dem Mandanten mitgeteilte Tatsachen zur Verwertung in dem Prozess dürfen grundsätzlich als wahr unterstellt werden.
Etwas anderes ergibt sich, wenn sich die Wahrheitswidrigkeit der Tatsache aufdrängt bzw. eine ungeprüfte Übernahme als grob fahrlässig anzusehen wäre. Nicht selten ist die Strafverteidigung daher auch eine Gratwanderung zur Beihilfe zum Prozessbetrug.
Der Verteidiger kann auch außerhalb des Strafverfahrens Zeugen befragen, diesen steht es jedoch frei, der Befragung nachzukommen, siehe insofern die Ausführungen unten.
Das Akteneinsichtsrecht ist in § 147 StPO geregelt. Danach hat der Strafverteidiger in jedem Verfahrensabschnitt Anspruch auf Einsicht in die Akten einschließlich des Anfertigens von Kopien. Eine Ausnahme besteht nach § 147 Abs. 2 StPO, wenn durch die Akteneinsicht der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte. Bei der Wahl des Rechtsmittels gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist wie folgt zu differenzieren:
Die Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung nach § 161a Abs. 3 StPO ist gemäß § 147 Abs. 5 StPO das zulässige Rechtsmittel in folgenden Fällen:
Die Staatsanwaltschaft versagt die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat.
Es wird eine Einsicht in die in § 147 Abs. 3 StPO aufgeführten Unterlagen verwehrt.
Der Beschuldigte befindet sich nicht auf freiem Fuß.
In den anderen Fällen kann eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht werden.
4 Mandant in Untersuchungshaft
Während der Untersuchungshaft hat der Strafverteidiger Anspruch auf einen ungehinderten Verkehr mit dem Mandanten. Eine Beschränkung der Besprechungszeit ist unzulässig, es müssen jedoch die Besuchszeiten der Anstalt eingehalten werden. Dass Abhören des Fernmeldeverkehrs zwischen dem Strafverteidiger und dem Mandanten ist ebenso unzulässig.
5 Verteidigung Mehrerer
Unzulässig ist gemäß § 146 StPO die (gleichzeitige) Verteidigung mehrerer Beschuldigter / Angeschuldigter oder Angeklagter durch einen Rechtsanwalt. Der Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich auf eine Tat im Sinne des § 264 StPO.
6 Ausschluss
Der als Strafverteidiger / Pflichtverteidiger tätige Rechtsanwalt kann aus den in §§ 138a ff. StPO abschließend aufgeführten Gründen von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen werden, z.B. wenn er der Beteiligung an der Straftat verdächtig ist.
Gefordert ist dabei das Vorliegen eines dringenden bzw. hinreichenden (Tat-)Verdachts gegen den Verteidiger, es sei denn es besteht der Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a StGB. In diesen Fällen genügt es, dass Tatsachen für den Verdacht vorliegen.
Die Entscheidung über den Ausschluss erfolgt gemäß § 138c StPO durch das für das Verfahren zuständige Oberlandesgericht nach einem Antrag durch die Staatsanwaltschaft oder des Gerichts.
Die Entscheidung über den Verteidigerausschluss kann gemäß § 138d StPO mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden. Die Wirkungen des Ausschlusses beginnen mit der Rechtskraft der Entscheidung.
7 Ermittlungsmaßnahmen
Strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen unterliegen bei der Tätigkeit des Verteidigers Einschränkungen, wenn sie zu Erkenntnissen führen, die in einer Vernehmungssituation dem Zeugnisverweigerungsrecht eines Berufsgeheimnisträgers unterfallen würden. Siehe dazu den Beitrag "Zeugnisverweigerungsrecht".
Es besteht keine Pflicht, dem Beschuldigte stets bereits frühzeitig im Ermittlungsverfahren, etwa beginnend mit dem dringenden Verdacht eines (auch schweren) Verbrechens, einen Verteidiger zu bestellen (BGH 20.10.2014 - 5 StR 176/14).
8 Eigene Zeugenvernehmung
Der Strafverteidiger darf Zeugen selbst außergerichtlich befragen und sie auffordern, die ihm gegenüber gemachten Äußerungen auch vor dem Gericht zu bekunden. Dies gilt auch dann wenn der Rechtsanwalt es für möglich hält, dass die vorgesehene Aussage unwahr ist (BGH 09.05.2000 - 1 StR 106/00).
Dabei ist der Rechtsanwalt verpflichtet, den Zeugen darüber zu belehren, dass er ihm gegenüber zur Aussage nicht verpflichtet ist und er das Recht hat, einen eigenen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.