Gegen wen muss sich der Antrag des fernen Elternteils auf Umgang mit dem Kind richten, gegen das Kind oder den betreuenden Elternteil? Eine neue Verfassungsbeschwerde

Gegen wen muss sich der Antrag des fernen Elternteils auf Umgang mit dem Kind richten, gegen das Kind oder den betreuenden Elternteil?  Eine neue Verfassungsbeschwerde
11.01.20102534 Mal gelesen
Der BGH hat entschieden, dass wegen der Höchstpersönlichkeit des Rechts nicht die Mutter das Umgangsrecht des Kindes gegen den Vater gerichtlich geltend machen kann, sondern das Kind den Antrag vor Gericht bringen muss. Der Autor sieht nicht ein, dass dies eine Einbahnstraße sein soll, und der Vater, der Umgang mit dem Kind haben möchte, gegen die Mutter vorgehen darf und nicht gegen das Kind vorzugehen hat.Höchstpersönliches Recht und höchstpersönliche Pflicht sind die zwei Seiten einer Medaille. Die Mutter ist nicht passivlegitimiert.

Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe

 


Telefax: 0721-910 13 82


Emmerich am Rhein, den 28.12.09

Eckhard Benkelberg
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Familienrecht
Wirtschaftsrecht,
Handelsrecht, Speditions- u. Frachtrecht
Steuerrecht und Erbrecht

Agron Berisha
Rechtsanwalt
im Anstellungsverhältnis
Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht
Handelsrecht und Familienrecht
Ausländerrecht

  

Verfassungsbeschwerde

Wir bestellen uns unter Vorlage auf uns lautender besonderer Vollmacht zu Verfahrensbevollmächtigten der

Frau

und legen in deren Namen gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Düsseldorf II-3 UF 123/09 vom 30.11.2009 und 17.12.2009

Verfassungsbeschwerde

ein mit dem Antrag,

festzustellen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf II-3 UF 123/09 vom 30.11.2009 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 17.12.2009 die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ? Gleichbehandlung - und Art. 103 GG - Anspruch auf rechtliches Gehör ? verletzt.

 


Gründe
I
Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter zweier Mädchen im Alter von 13 und 10 Jahren.

Die Ehe der Beschwerdeführerin mit dem Kindesvater ist geschieden.

Der Kindesvater hat vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Kleve einen "Antrag auf Einräumung des Umgangsrechts" mit den beiden Mädchen gestellt und den Antrag gegen die Beschwerdeführerin gerichtet. Das Verfahren war vor dem Amtsgericht Kleve unter 4 F 4/09 anhängig.

Die Beschwerdeführerin hat dort neben sachbezogenen Einwänden gegen das väterliche Umgangsrecht in erster Linie vortragen lassen, sie sei nicht passivlegitimiert. Sie hat das umfänglich mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ? XII ZB 225/06 - Beschluss vom 14.5.2008 ? begründet.

Das Amtsgericht Kleve hat dem Antrag des Vaters mit Beschluss vom 11.5.2009 weitgehend stattgegeben und zur Frage der Passivlegitimation der Mutter lediglich ausgeführt:

"Die Antragsgegnerin ist passivlegitimiert".

Eine Begründung für diese richterliche Rechtsbehauptung wurde nicht gegeben.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin sich mit einem Prozesskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Beschwerde gegen den amtsrichterlichen Beschluss an das Oberlandesgericht Düsseldorf gewandt und erneut vorgetragen, sie sei nicht passivlegitimiert, dies weiter ausgeführt.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 30.11.2009, zugestellt am 3.12.2009, die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Rechtsmittel verweigert, und hat zur Frage der Passivlegitimation ausgeführt:

"Trotz des von ihr weiterverfolgten Einwandes Ihrer fehlenden Passivlegitimation verbleibt es bei der zutreffenden Annahme des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung, ihre Passivlegitimation zu bejahen. Aus der zur Begründung des Einwands zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten."

Die Beschwerdeführerin hat gegen diesen Beschluss die Gehörsrüge erhoben, ihren bisherigen Vortrag vertiefend erneut darauf hingewiesen, dass, wenn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs minderjährige Kinder ihren eigenen Anspruch auf Umgang mit dem fernen Elternteil nur persönlich gerichtlich verfolgen können, weil es sich um ihr höchstpersönliches Recht handle, es sich reziprok auch nur um eine höchstpersönliche Pflicht der Kinder handeln könne, wenn der Vater seinen Anspruch auf Umgang mit den Kindern verfolge, er dann also sein Antragsbegehren auch nur gegen die Kinder, vertreten durch die Mutter oder einen Verfahrensbeistand, richten könne.

Ferner hat die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf 1 BvR 735/09 vom 12.10.2009 gerügt, dass das Amtsgericht keine Begründung für die Feststellung, die Beschwerdeführerin sei passivlegitimiert, gegeben habe, weshalb der Verweis des Oberlandesgerichts auf die "zutreffende Annahme des Amtsgerichts" ebenso wenig eine Begründung sein könne. Das verletze den Anspruch auf rechtliches Gehör.

Mit Beschluss vom 17.12.2009, zugestellt am 23.12.2009, hat das Oberlandesgericht die Gehörsrüge zurückgewiesen und erklärt, schon sein Hinweis darauf, es lasse sich in der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Anhaltspunkt für die Rechtsmeinung der Beschwerdeführerin finden, sei rechtliche Auseinandersetzung und Begründung genug.

II
Rechtsausführungen

Das Recht auf Umgang mit seinen Eltern steht dem Kind als höchstpersönliches Recht zu und kann deswegen auch nur von ihm, vertreten durch den sorgeberechtigten Elternteil oder, im Falle eines Interessenkonflikts, durch einen Verfahrenspfleger, nicht aber von dem sorgeberechtigten Elternteil im eigenen Namen gerichtlich geltend gemacht werden (BGH, Beschluss vom 14.05.2008 ? XII ZB 225/06).

Der XII. Senat des Bundesgerichtshofs, der regelmäßig auch für Familiensachen zuständig ist, hat die zunächst einmal banale Feststellung getroffen, dass § 1684 Abs. 1 BGB

"lediglich dem Kind ein höchstpersönliches Recht zum Umgang mit jedem Elternteil einräume, denn Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiere den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihres Kindes, mache ihnen diese Aufgabe aber auch zugleich zu einer zuvörderst ihnen obliegenden Pflicht. Die in § 1684 Abs. 1 BGB gesetzlich statuierte Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind sei eine zulässige Konkretisierung dieser den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind. Damit habe der Gesetzgeber die Umgangspflicht eines Elternteils als höchstpersönliches Recht des Kindes, nicht aber als Recht der Mutter ausgestaltet?.Weil der Antragstellerin das von ihr geltend gemachte Recht auf Umgang des Antragsgegners mit seinem Kind aber nicht persönlich zusteht und sie das höchstpersönliche Recht des Kindes auch nicht in Prozessstandschaft für das Kind geltend machen kann, hat das Beschwerdegericht ihren Antrag im Ergebnis zu recht zurückgewiesen."

Nichts anderes kann gelten, so folgert die Beschwerdeführerin, wenn vom Recht des Vaters auf Umgang mit dem Kind gesprochen wird, denn es handelt sich dann ? den Denkgesetzen folgend ? nicht um den Anspruch des Vaters gegen die Mutter auf "Auslieferung des Kindes", sondern um die Frage, ob das Kind verpflichtet sei, sich zur Erfüllung des Rechts des Vaters auf Umgang sozusagen höchstpersönlich zur Verfügung zu stellen: Von der Umgangspflicht des Kindes mit dem Vater (das ist das Spiegelbild zum Umgangsrecht des Vaters mit dem Kind) ist das Kind betroffen. Umgang zwischen Vater und Kind ist eine unvertretbare Handlung des einen wie des anderen Teils: Weder kann der Vater zum Umgang einen Vertreter schicken, noch kann dies das Kind.

So wie sein Umgangsanspruch ein höchstpersönliches Recht ist, wäre die Pflicht, sich dem Vater sozusagen zu überantworten, eine höchst persönliche Pflicht und nicht eine solche, die von irgendeinem anderen ? zum Beispiel der Mutter ? erfüllt werden könnte. Das Kind ist keine verhandelbare Ware, sondern eine Rechtspersönlichkeit.
Der Bundesgerichtshof hat ? was die Aktivlegitimation des Kindes für die Geltendmachung seines Umgangsanspruchs mit dem fernen Elternteil angeht, überzeugend entschieden.

Ob in jener Entscheidung ein obiter dictum passend gewesen wäre zur Frage, wie es mit der Passivlegitimation des Kindes aussähe, wenn der ferne Elternteil seinen Anspruch auf Umgang mit dem Kind geltend machte, müssen wir hier nicht erörtern. Es gibt kein solches obiter dictum, und aus dem Schweigen des 12. Senats zu einem Problem, das nicht Gegenstand des ihm vorgelegten Falles war, festzustellen, es fänden sich für die Richtigkeit der Rechtsmeinung der Beschwerdeführerin in der zitierten Entscheidung des BGH keine Anhaltspunkte, um mit dieser "Begründung" eine eigene Beschäftigung mit dem nun einmal nicht zu leugnenden Problem zu verweigern, ohne selbst substantiell auch nur ein einziges Wort an Begründung zu liefern, ist Verweigerung rechtlichen Gehörs.

Ich zitiere die Entscheidung 1 BvR 735/09 vom 12.10.2009:

"Während der Beschluss des Amtsgerichts über die Streitwertfestsetzung ohne jede Begründung ergangen ist, erschöpft sich der nach Beschwerdeeinlegung ergangene Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts in dem Hinweis auf angebliche ? aber tatsächlich nicht vorhandene ? Gründe der angefochtenen Entscheidung. Das Oberlandesgericht stellt wiederum ohne tragfähige Begründung fest, dass das Amtsgericht den Streitwert unter fehlerfreier Ausübung seines Ermessenes auf 3.000,00 € festgesetzt habe?so dass eine Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des konkreten Falls unterblieben ist?Hiernach sind die angegriffenen Entscheidungen unter keinem Gesichtspunkt vertretbar und damit objektiv willkürlich."

Genau so liegt der Fall hier.

Der Umstand, dass sich in der Entscheidung des BGH XII ZB 225/06 keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Rechtsmeinung der Beschwerdeführerin finden ließen - wir halten schon diese Auffassung für falsch - wäre, wenn dies den richtig wäre, für sich genommen belanglos und nichtssagend: Die Äußerung des Oberlandesgerichts läuft auf eine Behauptung des Inhalts hinaus, in diesem Land müsse erst der Bundesgerichtshof sich geäußert haben, bevor man neues - und möglicherweise Richtiges - denken und in einem Hauptsacheverfahren vor einem Fachgericht vertreten dürfe; mit neuen Gedanken - Schlussfolgerungen eines Anwalts - befasse man sich jedenfalls nicht in Verfahren, in denen eine Partei auf Prozesskostenhilfe angewiesen sei. Neues ganz nach Oben zu bringen, das dürfe nicht auf Staatskosten geschehen das müsse man "Selbstzahlern" überlassen.

Deshalb sei es dem Oberlandesgericht gestattet, der Beschwerdeführerin den Weg zum Recht zu verschließen und im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren abschließend über eine nicht einfach zu entscheidende Rechtsfrage von einiger Bedeutung zu befinden, ohne der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben, in einem Hauptsacheverfahren durch vertiefte Darlegung des eigenen Rechtsstandpunktes auf die Meinungsbildung des Oberlandesgerichts Einfluss zu nehmen und ihr die Möglichkeit einer Revision zum BGH oder im Falle der Nichtzulassung den Weg zur Verfassungsbeschwerde (Hauptsachebeschwer) zu eröffnen.

Das ist Verweigerung rechtlichen Gehörs, und zugleich beinhaltet dies die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, nämlich des im Wesentlichen gleichen Zugangs zum Recht auch der als auf Staatshilfe angewiesenen bedürftigen Partei. (1 BvR 1172/02 gegen OLG Düsseldorf, 3. Senat, 1 BvR 596/03 gegen OLG Düsseldorf, 3. Senat, 1 BvR 1715/02 gegen OLG Hamm, BvR 363/04 gegen OLG Düsseldorf, 3. Senat)

Art. 3 Abs. 1 iVm dem in Art.20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsprinzip gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Fachgerichtlich ist es unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (BVerfGE 81,357).

Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen mit bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, wenn sie unter Verkennung der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 2 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird.

Das ist hier der Fall. Gerne hätte die Beschwerdeführerin dem Oberlandesgericht auch noch weitere Überlegungen dargelegt, beispielsweise die, dass es auch keinen vernünftigen Grund gebe, sie - die Kindesmutter - vor Gericht zu zerren, sie - die Kindesmutter - mit Kostenrisiko zu belasten, wenn der Vater, der mit ihr zusammen das Recht der elterlichen Sorge über die beiden gemeinsamen Kinder ausübe, erreichen wolle, dass die gemeinsamen minderjährigen Kinder Umgang mit ihm haben. (Ein Problem, das sich im Übrigen auch bei der gesetzlichen Unterhaltsprozessstandschaft des § 1629 III BGB stellt: Warum soll die Mutter Kostenrisiko tragen, wenn ihre Kinder Unterhalt vom Vater über das Gericht einfordern müssen und ihr kraft Gesetzes die Prozessstandschaft übertragen wurde, und sei es nur, weil sie sich der Kinder erbarmte, der Vater sich aus dem Staube gemacht hat?)


Die Beschwerdeführerin ist auf Prozesskostenhilfe angewiesen.

Wir beantragen deshalb, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterzeichners zu bewilligen.


Eckhard Benkelberg * Agron Berisha
Rechtsanwälte
durch:

Eckhard Benkelberg :
Rechtsanwalt und zugleich
Fachanwalt für Familienrecht

Anlagen: Besondere Vollmacht
Beschluss OLG Düsseldorf vom 30.11.2009
Beschluss OLG Düsseldorf vom 17.12.2009
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe vom 26.12.2009