Rechtswörterbuch

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Erfüllung

 Normen 

§ 362 BGB

 Information 

1. Allgemein

Erfüllung liegt vor, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Mit der Erfüllung erlischt das Schuldverhältnis.

Fraglich ist die Erfüllung insbesondere in den Fällen, in denen mehrere Forderungen bestehen. Die Rechtsprechung hat dazu folgende Grundsätze erlassen (BAG 12.02.2019 - 1 AZR 279/17):

"Gemäß § 362 Abs. 1 BGB tritt nach der Theorie der realen Leistungsbewirkung die Erfüllungswirkung als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein. Die Erfüllungswirkung ist kraft Gesetzes objektive Tatbestandsfolge der Leistung. Ein zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal ist grundsätzlich nicht erforderlich."

Kann die Leistung des Schuldners einem bestimmten Schuldverhältnis im engeren Sinn, dh. einer bestimmten Leistungspflicht, zugeordnet werden oder reicht sie zur Tilgung aller Verbindlichkeiten aus mehreren Schuldverhältnissen (im engeren Sinn) aus, bedarf es zum Erlöschen der Forderungen keiner Tilgungsbestimmung (vgl. BAG 17.01.2018 - 5 AZR 69/17 - Rn. 14 mwN). Erfüllungswirkung - auch ohne ausdrückliche Tilgungsbestimmung - ist daher grundsätzlich anzunehmen bei jeglicher erfüllungsgeeigneter, inhaltlich dem Schuldverhältnis entsprechender Leistung (vgl. zur Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs durch mindestlohnwirksame Leistungen grdl. BAG 25.05.2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 20 ff.).

Wird im Fall einer Anspruchskonkurrenz - etwa bei einem Zusammentreffen von deliktischen und vertraglichen Schadensersatzansprüchen - der Berechtigte aus einem der beiden Ansprüche befriedigt, erlischt auch der andere Anspruch, soweit und weil er auf dasselbe Interesse gerichtet ist (vgl. bereits BGH 16.12.1968 - III ZR 179/67 - zu 1 der Gründe, BGHZ 51, 226). Allerdings kann der Schuldner mittels einer negativen Tilgungsbestimmung die durch die Leistungsbewirkung an sich eintretende Erfüllungswirkung ausschließen (vgl. BGH 03.12.1990 - II ZR 215/89 - zu III der Gründe)."

2. Annahmeverweigerung des Gläubigers

Der Gläubiger kommt dann in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Aber: Eine Erfüllung der Schuld tritt nicht ein, wenn der Gläubiger sie nicht annehmen musste. Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.

Lehnt der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Bauträgers die Erfüllung eines beiderseits nicht erfüllten Subunternehmervertrages ab, kann er nicht statt der Erfüllung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (BGH 19.11.2015 - IX ZR 198/14).

3. Erfüllung bei Nutzung des Zahlungsdienstes PayPal

Wird für die Zahlung eines Internet-Kaufs der Zahlungsdienst PayPal verwendet, so tritt Erfüllung wie folgt ein:

"Wird der Kaufpreis vereinbarungsgemäß unter Verwendung des Online-Zahlungsdienstes PayPal entrichtet, ist die geschuldete Leistung bewirkt, wenn der vom Käufer geschuldete Betrag dem PayPal-Konto des Verkäufers vorhaltlos gutgeschrieben wird, so dass dieser den Zahlbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält." (...)

"Wird der Kaufpreis vereinbarungsgemäß unter Verwendung des Zahlungsdienstes PayPal entrichtet, vereinbaren die Kaufvertragsparteien - bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte - zugleich stillschweigend, dass die getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie rückbelastet und der Kaufpreis dem PayPal-Konto des Käufers wieder gutgeschrieben wird " (BGH 22.11.2017 - VIII ZR 83/16).

4. Zahlungen an eine unter Betreuung stehende Person

Die Zahlung an eine Person, für die ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge angeordnet ist, hat keine Erfüllungswirkung. Dem Betreuten fehlt insoweit ebenfalls die zur Erfüllung notwendige Empfangszuständigkeit, sodass die Zahlung an ihn nicht zum Erlöschen seiner Forderung führt. Auf die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis des Schuldners von der Betreuung und dem Einwilligungsvorbehalt kommt es nicht an (BGH 21.04.2015 - XI ZR 234/14).

5. Zahlungen aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils

Keine Erfüllung tritt ein bei Zahlungen aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils. Diese sind in der Regel dahin zu verstehen, dass sie nur eine vorläufige Leistung darstellen sollen und unter der aufschiebenden Bedingung der rechtskräftigen Bestätigung der zugrunde liegenden Verbindlichkeit erfolgen (BGH 15.03.2012 - IX ZR 35/11).

 Siehe auch 

Erfüllungsgehilfe

Ersetzungsbefugnis

Leistung an Erfüllungs Statt

Leistung erfüllungshalber

Schuldrechtsreform

Horn: Die Auswirkungen zahlungsdienstlicher Käuferschutzverfahren im Valutaverhältnis. Zugleich Anmerkung zu BGH 22.11.2017 - VIII ZR 83/16 - und - VIII ZR 213/16 - (PayPal-Urteile); Wertpapier-Mitteilungen - WM 29/2018, 1341

Petzold: Die Erfüllung im Mahnverfahren; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 822

Prütting/Wegen/Weinreich: BGB Kommentar; 14. Auflage 2019