Urlaub
1 Allgemein
Urlaub im arbeitsrechtlichen Sinne ist die zur Erholung bestimmte Arbeitsbefreiung eines Arbeitnehmers unter Weiterzahlung seines Arbeitsentgelts, das während dieser Zeit Urlaubsentgelt genannt wird und nicht mit dem eventuell zusätzlich gezahltem Urlaubsgeld zu verwechseln ist.
Das Recht der Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt, nach dem jedem Arbeitnehmer nach einer sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit ein Mindesturlaubsanspruch von jährlich 24 Werktagen bzw. 20 Arbeitstagen zu gewähren ist.
2 Erfüllung des Urlaubsanspruchs
2.1 Wartezeit
Nach dem sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer gemäß § 4 BUrlG einen Anspruch auf den vollen (gesetzlichen) Jahresurlaub.
Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis am 30. Juni eines Kalenderjahres endet, scheidet stets in der ersten Hälfte des Kalenderjahres mit der Rechtsfolge aus dem Arbeitsverhältnis aus, dass er nach erfüllter Wartezeit lediglich Anspruch auf anteiligen Urlaub hat. Wird ein Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 1. Juli eines Jahres begründet, kann der Arbeitnehmer in diesem Jahr ebenfalls keinen Vollurlaubsanspruch erwerben (BAG 17.11.2015 – 9 AZR 179/15).
Hinweis:
Wurde der Arbeitnehmer am 01.01. des Jahres eingestellt, so hat er ab dem 01.07. den Anspruch auf den vollen gesetzlichen Jahresurlaub erworben, der bereits ab diesem Zeitpunkt zu gewähren ist bzw. bei einem kurzfristigen Ausscheiden des Arbeitnehmersabzugelten ist.
Jedenfalls dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien vor Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses vereinbaren und nur eine kurzfristige Unterbrechung eintritt, sind beide Arbeitsverhältnisse urlaubsrechtlich als Einheit zu betrachten. Es entsteht deshalb ein Anspruch auf Vollurlaub, wenn das zweite Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres endet und der Arbeitnehmer mit seiner Gesamtbeschäftigungsdauer die sechsmonatige Wartezeit erfüllt hat (BAG 20.10.2015 – 9 AZR 224/14).
2.2 Teilanspruch
Der Arbeitnehmer hat in den in § 5 BUrlG aufgeführten Fällen nur einen Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses:
Er erwirbt wegen Nichterfüllung der Wartezeit in dem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch:
Beispiel:
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.07. oder später.
Er scheidet vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Beispiel:
Das Arbeitsverhältnis endet vor der Sechs-Monats-Frist.
Er scheidet nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Beispiel:
Beginn des Arbeitsverhältnisses im vorherigen Kalenderjahr und Ausscheiden bis zum 30.06. des Jahres.
Teilanspruch bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte:
Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der die Zwölftelung des Urlaubsanspruchs auch in den Fällen gelten soll, in denen der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ist unwirksam. Ein Arbeitnehmer, der in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet, hat Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Denn: Endet das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte, folgt im Umkehrschluss aus § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG, dass die Regelung über den Teilurlaub keine Anwendung findet. Möglich ist es aber, das teilweise oder vollständige Erlöschen des arbeitsvertraglichen Mehrurlaubs für den Fall vorzusehen, dass der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet. Voraussetzung ist, dass der Arbeitsvertrag zwischen dem gesetzlichen Urlaub und dem Mehrurlaub unterscheidet (BAG 05.07.2022 – 9 AZR 341/21).
2.3 Bruchteile von Urlaubstagen
Die für die arbeitsrechtliche Praxis wichtige Frage, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Gewährung von halben Urlaubstagen hat, wurde höchstrichterlich bis jetzt wie folgt entschieden:
Nach Auffassung des LAG Hamburg können Urlaubsansprüche grundsätzlich auch in Form halber Urlaubstage verlangt und erfüllt werden (LAG Hamburg – 21.09.2015 – 8 Sa 46/14). Die hiergegen eingelegte Revision wurde mangels Zulässigkeit von dem BAG abgewiesen, so dass es nicht zu einer Entscheidung in der Rechtsfrage selbst gekommen ist (BAG 27.06.2017 – 9 AZR 120/16).
Das LAG Baden-Württemberg sieht dies jedoch anders: (LAG Baden-Württemberg 06.03.2019 – 4 Sa 73/18):
»Der Urlaub ist gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG zusammenhängend zu gewähren. Jedenfalls ein Urlaubswunsch, der auf eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in Kleinstraten gerichtet ist, muss nicht erfüllt werden. Eine solche Urlaubsgewährung wäre nicht geeignet, die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen.«
»Das BUrlG kennt keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen.«
»Von obigen Grundsätzen kann für die Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigen, durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden.«
Ein anderes aktuelles Urteil klärt, wie die Abgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG) von Urlaubs-Bruchteiltagen zu berechnen ist:
»Hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub, der weniger als einen halben Urlaubstag beträgt, ist der Anspruch weder auf volle Urlaubstage auf- noch auf volle Urlaubstage abzurunden, sofern nicht gesetzliche, tarif- oder arbeitsvertragliche Bestimmungen Abweichendes regeln. Es verbleibt bei dem Anspruch auf den bruchteiligen Urlaubstag« (BAG 23.01.2018 – 9 AZR 200/17).
2.4 Zeitraum
Der Urlaub ist grundsätzlich bis zum Ende des Kalenderjahres vollständig zu nehmen, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Er erlischt mit dem Ende des Urlaubsjahres, sofern nicht abweichende arbeitsvertragliche, tarifvertragliche oder gesetzliche Regelungen eingreifen:
2.5 Übertragung in das folgende Kalenderjahr
Eine Übertragung des Urlaubsanspruchs in das neue Kalenderjahr ist gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG wie folgt möglich:
bis zum 31. März wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies erfordern.
Die Übertragung erfolgt automatisch bei Vorliegen einer der Gründe.
unbegrenzt, sofern die Arbeitsvertragsparteien dies vereinbart haben.
Nach dem Urteil des EuGH (EuGH 03.05.2012 – C 337/10) muss jeder Übertragungszeitraum den spezifischen Umständen Rechnung tragen, in denen sich ein Arbeitnehmer befindet, der während mehrerer Kalenderjahre in Folge arbeitsunfähig war.
Daneben kann der Urlaub übertragen werden, wenn er nicht verfallen ist.
2.6 Tarifliche Erlöschensklausel
Eine in einem Tarifvertrag enthaltene Regelung, nach der Urlaubsansprüche spätestens 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfallen, ist wirksam und gilt auch wenn der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums arbeitsunfähig erkrankt war (EuGH 22.11.2011 – C 214/10).
2.7 Reihenfolge der Erfüllung
Das BAG hat die Frage entschieden, in welcher Reihenfolge der Urlaub erfüllt wird, wenn der Arbeitnehmer neben dem gesetzlichen Urlaubsanspruch noch weitere Urlaubsansprüche hat (z.B. aufgrund Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag):
»Stehen dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr Ansprüche auf Erholungsurlaub zu, die auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen beruhen und für die unterschiedliche Regelungen gelten, findet § 366 BGB Anwendung, wenn die Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht zur Erfüllung sämtlicher Urlaubsansprüche ausreicht. Nimmt der Arbeitgeber dabei keine Tilgungsbestimmung iSv. § 366 Abs. 1 BGB vor, findet die in § 366 Abs. 2 BGB vorgegebene Tilgungsreihenfolge mit der Maßgabe Anwendung, dass zuerst gesetzliche Urlaubsansprüche und erst dann den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Urlaubsansprüche erfüllt werden« (BAG 01.03.2022 – 9 AZR 353/21)
3 Feiertage/Heiligabend/Silvester
Fällt ein gesetzlicher Feiertag in einen Urlaubszeitraum, besteht für den Feiertag Anspruch auf Entgeltzahlung nach § 2 Abs. 1 EFZG (BAG 26.10.2016 -5 AZR 456/15).
Heiligabend und Silvester sind keine offiziellen Feiertage. Sofern die Arbeitsbefreiung nicht in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag geregelt ist und auch keine entsprechende betriebliche Übung besteht, muss der Arbeitnehmer an diesen Tagen Urlaub nehmen oder arbeiten.
4 Doppelarbeitsverhältnisse
Sofern ein gekündigter Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegt, er jedoch während des Rechtsstreits ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, hat der alte Arbeitgeber die während des Kündigungsrechtsstreits entstandenen Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers grundsätzlich zu erfüllen. Der Arbeitnehmer muss sich nur dann den ihm während des Kündigungsrechtsstreits vom anderen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf seinen Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber anrechnen lassen, wenn er die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig hätte erfüllen können (BAG 21.02.2012 – 9 AZR 487/10).
5 Selbstbeurlaubung
Die Selbstbeurlaubung eines Arbeitnehmers gibt dem Arbeitgeber immer das Recht, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. Eine Ausnahme besteht nur in den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Urlaubsgewährung unberechtigterweise verweigert und durch Zeitablauf der Verfall des Urlaubs droht.
6 Erholungszweck
Der Urlaub muss dem gesetzlichen Motiv folgend zur Erholung genutzt werden. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit während der Urlaubstage ist nicht zulässig und kann zwar nicht mit einer Kündigung, aber mit einer Abmahnung geahndet werden. Ein Arbeitnehmer darf im Urlaub aber der Nebentätigkeit nachgehen, die auch neben dem Arbeitsverhältnis ausgeübt wird. Ebenso darf er sich ehrenamtlich/karitativ betätigen (z.B. Medizinische Fachangestellte oder Krankenschwester darf den Jahresurlaub nutzen, um in einem Krisengebiet zu helfen) oder umfangreiche Arbeiten für den privaten Zweck erledigen (Hausbau).
7 Ruhen des Arbeitsverhältnisses
Der Anspruch auf Urlaub entsteht auch während des tariflich angeordneten Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit, z.B. in § 33 Abs. 2 TVöD (BAG 07.08.2012 – IX AZR 353/10).
Sofern keine gesonderte Rechtsgrundlage für das Ruhen des Arbeitsverhältnisses besteht, ist die Gewährung einer befristeten Erwerbsminderungsrente nicht dessen Beendigung gleichzustellen. Auch besteht hier kein gesonderter Anspruch auf Urlaubsabgeltung (LAG Berlin-Brandenburg 16.05.2019 – 5 Sa 1709/18).
8 Beamtenrecht
Rechtsgrundlage des Erholungsurlaubs von Bundes-Beamten ist die Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter des Bundes (EUrlV).
Gemäß § 7 EUrlV soll der Urlaub grundsätzlich im Urlaubsjahr abgewickelt werden. Aber: Der Urlaubsanspruch kann in das ganze nächste Kalenderjahr übertragen werden.
Für die bei den Postnachfolgeunternehmen beschäftigten Beamten kann eine hiervon abweichende Regelung getroffen werden.