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Altersdiskriminierung

 Normen 

§§ 6 - 18 AGG

§ 10 AGG

 Information 

Im Rahmen der Allgemeinen Gleichbehandlung im Arbeitsrecht ist eine unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters unter Einhaltung der Vorgaben des § 10 AGG zulässig.

Dazu ist u.a. folgende Rechtsprechung ergangen:

  • Im Stellenbewerbungsverfahren:

    • Eine Stellenausschreibung mit dem Anforderungsprofil "Hochschulabsolventen/Young Professionals" kann eine Indiz für eine unzulässige Altersdiskriminierung sein (BAG 24.01.2013 - 8 AZR 429/11).

    • Die Bezeichnungen "Junior Consultant" in der Überschrift und "Berufsanfänger" im Profil einer Stellenanzeige sind je für sich und zusammen keine Indizien für eine Benachteiligung wegen des Alters. "Junior Consultant" ist ein altersunabhängiger betriebshierarchischer Begriff (LAG Baden-Württemberg 19.11.2015 - 6 Sa 68/14).

    • Die Bezeichnung des Arbeitgebers als "junges und dynamisches Unternehmen" enthält keinen Altersdiskriminierung. Anders jedoch: "Wird in einer Stellenausschreibung darauf hingewiesen, dass eine Tätigkeit mit einem "jungen dynamischen Team" geboten wird, enthält dieser Hinweis deshalb regelmäßig nicht nur die Botschaft an potentielle Stellenbewerber/innen, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb dynamisch sind. Eine solche Angabe in einer Stellenanzeige kann aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zudem regelmäßig nur so verstanden werden, dass damit nicht nur ein "Istzustand" beschrieben werden soll, sondern dass der Arbeitgeber zum Ausdruck bringt, dass er einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams" (BAG 23.11.2017 - 8 AZR 604/16).

    • "Durch das von der Beklagten in der Stellenausschreibung in Bezug genommene Anforderungskriterium eines Hochschulabschlusses, der nicht länger als 1 Jahr zurückliegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt, hat die Beklagte klar gemacht, lediglich Interesse an der Gewinnung jüngerer Mitarbeiter/-innen zu haben. Diese Anforderung ist aber geeignet, ältere gegenüber jüngeren Personen wegen des Alters in besonderer Weise zu benachteiligen." (LAG Hessen 18.06.2018 - 7 Sa 851/17).

    • Die Ablehnung eines Bewerbers im öffentlichen Dienst, der das gesetzliche Renteneintrittsalter überschritten hat, ist aufgrund des durch das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes verfolgten Ziels, eine ausgewogene Altersstruktur von jüngeren und älteren Beschäftigten zu schaffen, um über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung zu fördern, ein legitimes Ziel (BAG 31.03.2022 - 8 AZR 238/21).

  • Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist die Festlegung einer Altershöchstgrenze zulässig, wenn mit ihr sozialpolitische Zwecke verfolgt werden, wie z.B. bei der beruflichen Bildung, dem Arbeitsmarkt oder der Beschäftigungspolitik.

    Beispiel:

    Die zeitliche Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem älteren Arbeitnehmer ist bei Vorliegen der in § 14 Abs. 3 TzBfG genannten Voraussetzungen bis zu einer Dauer von fünf Jahren möglich.

  • Bezüglich der Staffelung der Urlaubsdauer nach dem Alter der Arbeitnehmer gilt:

    • Das AGG definiert nicht, wann ein Arbeitnehmer älter ist. Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der BGH angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter (BAG 20.03.2012 - 9 AZR 529/10).

    • Aber grundsätzlich gilt: Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmer jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter (altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis) zulässig sein (BAG 21.10.2014 - 9 AZR 956/12). Im zu entscheidenden Fall begann der höhere Urlaubsanspruch ab dem 58. Lebensjahr.

    • Beruft sich der Arbeitgeber darauf, eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei zulässig, obliegt es ihm darzulegen, dass mit dieser Ungleichbehandlung ein legitimes Ziel i.S.v. § 10 Satz 1 AGG angestrebt wird und dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Er genügt seiner Darlegungslast nicht bereits dann, wenn er allgemein geltend macht, die Regelung diene dem Schutz älterer Arbeitnehmer. Vielmehr hat er substanziierten Sachvortrag zu leisten (BAG 15.11.2016 - 9 AZR 534/15).

  • Die Aussage in dem Kündigungsschreiben, die Arbeitnehmerin sei "inzwischen pensionsberechtigt" lässt eine unmittelbare Benachteiligung wegen dem Lebensalter vermuten (BAG 23.07.2015 - 6 AZR 457/14).

  • Altersversorgung:

    • Das Erfordernis einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters (BAG 12.02.2013 - 3 AZR 100/11).

    • Eine Bestimmung in einer Versorgungsordnung, nach der ein Anspruch auf eine betriebliche Altersrente nicht besteht, wenn der Arbeitnehmer bei Erfüllung der nach der Versorgungsordnung vorgesehenen zehnjährigen Wartezeit das 55. Lebensjahr vollendet hat, verstößt jedoch gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (BAG 18.03.2014 - 3 AZR 69/12).

    • "Eine Regelung in einer Versorgungsordnung, nach der Ehegatten, die mehr als 15 Jahre jünger als der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer sind, von der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen sind," ist zulässig (BAG 20.02.2018 - 3 AZR 43/17).

    • Dementsprechend hat das BAG ebenfalls keine Altersdiskriminierung gesehen, wenn zwar eine Hinterbliebenenversorgung geleistet wird, diese aber gekürzt wird: "Sieht eine Versorgungsregelung vor, dass die Hinterbliebenenversorgung eines jüngeren hinterbliebenen Ehepartners für jedes volle über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschieds der Ehegatten um 5 % gekürzt wird, liegt darin keine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßende Diskriminierung wegen des Alters" (BAG 11.12.2018 - 3 AZR 400/17).

  • Die Verweigerung des Zutritts zu einer öffentlichen Party für einen 44 Jahre alten Mann nach einer optischen Alterseinschätzung ist keine Altersdiskriminierung, wenn die in der Werbung bekannt gegebene Zielgruppe der Party Personen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren gewesen waren (BGH 05.05.2021 - VII ZR 78/20):

    "Bei Schuldverhältnissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen kann die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen und daher ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit Unternehmer im Hinblick hierauf ihr Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richten und in Umsetzung dessen nur Personen als Vertragspartner akzeptieren, die die persönlichen Merkmale dieser Zielgruppe erfüllen, kommt den persönlichen Eigenschaften der Vertragspartner nicht nur nachrangige Bedeutung im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AGG zu. Diese persönliche Willensentscheidung ist hinzunehmen."

 Siehe auch 

Ältere Arbeitnehmer

Allgemeine Gleichbehandlung

Allgemeine Gleichbehandlung - Rechtsschutz

Allgemeine Gleichbehandlung - Zivilrecht

Antidiskriminierungsstelle

Behindertengleichstellung

Entgelttransparenz

Gleichbehandlungsgrundsatz

Gleichstellungsdurchsetzung

Mobbing

Sexuelle Belästigung

Vorstellungsgespräch

Over: Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz; Dissertation 2009

Schleusener/Suckow/Plum: AGG. Kommentar; 6. Auflage 2022

Waltermann: Weiterbeschäftigung nach der Altersgrenze. Sozialrechtliche Hintergrund und arbeitsrechtliche Fragen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2018, 193

Wiedemann: Altersschutz und Generationengerechtigkeit. Eine Rechtsprechungsanalyse zur Altersdiskriminierung; Recht der Arbeit - RdA 2017, 333