Rechtswörterbuch

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Betriebsvereinbarung

 Normen 

§ 77 BetrVG

§ 88 BetrVG

 Information 

1. Allgemein

Eine Betriebsvereinbarung ist eine Vereinbarung zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber über die nach dem BetrVG als möglich zu vereinbarenden Rechts- und Sachbereiche.

Betriebsvereinbarungen sind gemäß § 77 BetrVG schriftlich niederzulegen. Die zum 18.06.2021 neu eingefügte Ergänzung stellt klar, dass die Schriftform des § 77 Absatz 2 Satz 2 auch durch die elektronische Form gewahrt wird. Da die Betriebsvereinbarung die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer unmittelbar regelt, haben diese ein besonderes Interesse daran, nachvollziehen zu können, dass Arbeitgeber und Betriebsrat einen gleichlautenden Text unterzeichnet haben. Auf der nach § 77 Absatz 2 letzter Satz auszulegenden Betriebsvereinbarung sollen daher die Signaturen beider Betriebspartner ersichtlich sein. Aus diesem Grund wird mit der Regelung die Möglichkeit zur Unterzeichnung auf der für den anderen Vertragsteil vorgesehen Ausfertigung nach § 126 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit § 126a Absatz 2 BGB ausgeschlossen.

Der Geltungsbereich von Betriebsvereinbarungen erstreckt sich grundsätzlich auf alle Arbeitnehmer des Betriebs, es sei denn es werden für einzelne Arbeitnehmergruppen ausdrücklich Sonderregelungen geschaffen.

2. Inhalt

Inhaltlich können Betriebsvereinbarung die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer (grundsätzlich jedoch nicht zu deren Ungunsten) oder allgemeine Betriebsverhältnisse betreffen, wie z.B. die Einführung eines Betriebskindergartens.

Nicht Gegenstand der Vereinbarung können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen sein, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden können.

Ausgeschlossen sind darüber hinaus Regelungen, die die private Lebensgestaltung der Arbeitnehmer betreffen. So hat das BAG in dem Urteil BAG 11.07.2000 - 1 AZR 551/99 eine Betriebsvereinbarung für unzulässig erklärt, nach der Arbeitnehmer verpflichtet wurden, sich an den Kosten einer Kantinenverpflegung zu beteiligen, auch wenn sie diese nicht in Anspruch nahmen. Das BAG sah hierin eine unzulässige Lohnverwendungsregelung.

Durch eine Betriebsvereinbarung kann mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Kurzarbeit eingeführt werden. Dabei muss diese jedoch sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln, dass diese für die Arbeitnehmer zuverlässig zu erkennen sind. Erforderlich sind mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer (BAG 18.11.2015 - 5 AZR 491/14).

Die Betriebsparteien haben bei Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Sind in einer Betriebsvereinbarung für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Dieser ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird. Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 26.04.2016 - 1 AZR 435/14).

3. Anspruch auf Durchführung

Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend, d.h. der Arbeitnehmer hat einen unmittelbaren Anspruch aus der Betriebsvereinbarung gegen den Arbeitgeber.

Bezüglich des Anspruchs des Betriebsrat ist wie folgt zu unterscheiden (BAG 18.05.2010 - 1 ABR 6/09):

  • Der Anspruch auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung aus eigenem Recht steht grundsätzlich dem Betriebsrat zu, der selbst Partei der Betriebsvereinbarung ist.

  • Schließt der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat in originärer Zuständigkeit mit dem Arbeitgeber Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen, hat der nicht beteiligte örtliche Betriebsrat aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung der Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung.

  • Etwas anderes gilt, wenn die Betriebsvereinbarung einem nicht an deren Abschluss beteiligten Betriebsrat ausdrücklich eigene Rechte einräumt.

4. Abänderbarkeit

Die Parteien einer Betriebsvereinbarung können die von ihnen getroffenen Regelungen jederzeit für die Zukunft abändern. Die neue Betriebsvereinbarung kann auch Bestimmungen enthalten, die für die Arbeitnehmer ungünstiger sind. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Normen gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel. Danach geht die jüngere Norm der älteren vor. Allerdings kann eine neue Betriebsvereinbarung bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht schmälern oder entfallen lassen. Die Möglichkeit einer Rückwirkung normativer Regelungen ist durch das Vertrauensschutz- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip beschränkt (BAG 23.01.2008 - 1 AZR 988/06).

5. Kündigung

Betriebsvereinbarungen können gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Dabei kann es sich auch um eine Teilkündigung handeln, wenn der gekündigte Teil einen selbstständigen Regelungsinhalt hat, der auch in einer eigenen Betriebsvereinbarung geregelt werden könnte (BAG 06.11.2007 - 1 AZR 826/06).

Die Kündigung einer Betriebsvereinbarung bedarf keiner besonderen Form. Sie muss aber unmissverständlich und eindeutig sein. Hierzu ist die Kündigungserklärung erforderlichenfalls gemäß § 133 BGB auszulegen (BAG 19.02.2008 - 1 AZR 114/07).

Das BAG hat im August 2001 seine Rechtsprechung bestätigt, wonach zwischen der Wirksamkeit und den Rechtsfolgen einer Kündigung von Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung zu unterscheiden ist. Die Kündigung einer Betriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber braucht nicht begründet zu werden und unterliegt keiner gerichtlichen Inhaltskontrolle. Davon zu unterscheiden sind die Kündigungswirkungen, die begrenzt sind (BAG 01.08.2001 - 4 AZR 82/00).

 Siehe auch 

Betriebsverfassung

Gesamtzusage

Günstigkeitsprinzip

Öffnungsklausel - Tarifvertrag

Tarifvertrag

Bachner: Fortgeltung von Gesamt- und Einzelbetriebsvereinbarungen nach Betriebsübergang; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2003, 2861

Eich: Betriebsvereinbarung - Das verkannte Medium; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2010, 1389

Kleinebrink: Betriebsvereinbarungen und Gesamtbetriebsvereinbarungen beim Betriebsübergang - Schicksal und Gestaltungsmöglichkeiten; Arbeits-Rechtsberater - ArbRB 2004, 184

Korinth: Der Anspruch auf Durchführung von Betriebsvereinbarungen und seine Durchsetzung; Arbeits-Rechtsberater - ArbRB 2004, 226

Kort: Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen über Betriebsrenten; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2004, 889

Kuhn/Wiehmann: Betriebsänderung: Schaffung von Planungssicherheit durch Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung neben einem Sozialplan; Der Betrieb - DB 2016, 477

Matthes: Betriebsvereinbarungen über Kündigungen durch den Arbeitgeber; Fachanwalt Arbeitsrecht - FAr 2004, 354

Zimmer/Hempel: Der Interessenausgleich als Betriebsvereinbarung; Fachanwalt Arbeitsrecht - FAr 2007, 171