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Urlaub - Abgeltung

Normen

§ 7 Abs. 4 BUrlG

§ 26 Abs. 2 TVöD

§ 26 Abs. 2 TV-L

Information

1 Allgemein

Anspruch des Arbeitnehmers auf Kapitalisierung der Urlaubstage.

2 Der Abgeltungspflicht unterliegende Sachverhalte

  • Der Arbeitnehmer hat gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf die Abgeltung des Urlaubs, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden kann.

    War der Arbeitnehmer bis mindestens zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt und scheidet anschließend aus dem Arbeitsverhältnis aus, so hat er nach der aktuellen Rechtsprechung mindestens einen Anspruch auf Abgeltung der dem gesetzlichen Mindesturlaub entsprechenden Urlaubstage (20 Arbeitstage bzw. 24 Werktage) (BAG 24.03.2009 – 9 AZR 983/07, EuGH 20.01.2009 – C 350/06).

    Eine Regelung, nach der bei Arbeitsunfähigkeit eine Kürzung der Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs vorzunehmen ist, ist unwirksam (BAG 22.01.2019 – 9 AZR 10/17):

»… indem die Bestimmung eine Kürzung des Umfangs des gesetzlichen Mindesturlaubs auch dann anordnet, wenn das Ruhen des Arbeitsverhältnisses darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllen kann.«

  • Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die Abgeltung von Urlaubstagen, die verfallen sind, d.h. nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubjahres.

  • Die Abgeltungspflicht gilt nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH 06.11.2018 – C 619/16; EuGH 06.11.2018 – C 684/16) bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses neben den Fällen der Erkrankung auch dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht klar und rechtzeitig mitgeteilt hat, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird. In diesen Fällen verfällt der Urlaubsanspruch nicht.

    Frist zur Information des Arbeitnehmers (BAG 31.01.2023 – 9 AZR 107/20):

    Bezüglich der Zeitspanne, die dem Arbeitgeber zur Vorbereitung und Durchführung der Belehrung einzuräumen ist, hat das BAG ausgeführt, das richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Unter normalen Umständen ist laut BAG eine Zeitspanne von einer (Urlaubs-)Woche (d.h. in Anlehnung an § 3 BUrlG sechs Werktage) ausreichend, beginnend mit dem 01.01. bzw. dem auf dieses Datum folgenden Werktag des jeweiligen Urlaubsjahres. Die Erfüllung der Belehrungspflicht mehr als eine Woche später wird bereits als verspätet angesehen.

  • Der EuGH hat erneut den Anspruch des Erben eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des aufgrund des Todes des Arbeitnehmers nicht genommenen Urlaubs anerkannt. Eine solche Abgeltung kann nicht davon abhängen, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat (EuGH 12.06.2014 – C 118/13). Der Anspruch geht im Wege der Erbfolge auf die Erben über. Sofern – wie in Deutschland – das nationale Recht dieser Rechtsprechung entgegensteht, können sich die Erben direkt auf die EuGH-Rechtsprechung berufen (EuGH 06.11.2018 – C 569/16). Dabei haben die Erben im Bereich des TVöD einen Anspruch auf die Abgeltung des Urlaubs in der vollen Höhe (BAG 22.01.2019 – 9 AZR 45/16).

  • Auch der dem schwerbehinderten Arbeitnehmer gemäß § 208 Abs 1 Satz 1 SGB IX zustehende Zusatzurlaub ist abzugelten, wenn er aufgrund der Arbeitsunfähigkeit oder Tod des Arbeitnehmers nicht mehr genommen werden konnte (BAG 22.01.2019 – 9 AZR 45/16; BAG 13.12.2011 – 9 AZR 399/10, BAG 23.3.2010 – 9 AZR 128/09).

  • Die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente führt nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Folge, dass der Urlaub abzugelten ist. Erforderlich für die Beendigung ist vielmehr eine Rechtsgrundlage, z.B. in einem Tarifvertrag (LAG Berlin-Brandenburg 16.05.2019 – 5 Sa 1709/18).

3 Inhalt des Abgeltungsanspruchs

Dabei bestehen folgende Vorgaben:

  • Abzugelten ist grundsätzlich nur der gesetzliche Mindesturlaub. Aber:

    • Wenn ein Tarifvertrag zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterscheidet, ist es regelmäßig gerechtfertigt, dass nur der gesetzliche Mindesturlaub abgegolten wird (BAG 12.04.2011 – 9 AZR 80/10).

    • Dies gilt auch für arbeitsvertragliche Regelungen (BAG 22.01.2019 – 9 AZR 328/16).

    • Für einen Regelungswillen, der zwischen Ansprüchen auf Abgeltung von Mindest- und Mehrurlaub unterscheidet, müssen auch bei Tarifverträgen, die vor der Entscheidung des EuGH (…) geschlossen wurden, deutliche Anhaltspunkte bestehen. Diese deutlichen Anhaltspunkte müssen sich aus Tarifwortlaut, -zusammenhang und -zweck sowie ggf. aus der Tarifgeschichte ergeben (BAG 23.03.2010 – 9 AZR 128/09).

    • Nach der Entscheidung LAG Rheinland-Pfalz 19.08.2010 – 10 Sa 244/10 sind deutliche Anhaltspunkte für einen Regelungswillen, »schon dann anzunehmen, wenn sich die (Tarif-)Vertragsparteien in weiten Teilen vom gesetzlichen Urlaubsregime lösen und stattdessen eigene Regeln aufstellen. Im Fall einer solchen eigenständigen, zusammenhängenden und in sich konsistenten Regelung ist ohne entgegenstehende Anhaltspunkte i.d.R. davon auszugehen, dass die (Tarif-)Vertragsparteien Ansprüche nur begründen und fortbestehen lassen wollen, soweit eine gesetzliche Verpflichtung besteht (…). Eine ausdrückliche Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen ist dann nicht notwendig.«

Hinweis:

Für den Bereich der Urlaubsabgeltung nach den Tarifverträgen/Arbeitsvertragsrichtlinien des öffentlichen und kirchlichen Dienstes hat das BAG eine eigene Entscheidung getroffen.

Die Höhe des Abgeltungsanspruchs entspricht dem nach § 11 BUrlG zu berechnendem Urlaubsentgelt: Auszugehen ist von dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Überstundenvergütungen werden nicht mitgerechnet, ebenso nicht Verdienstkürzungen aufgrund von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis. Sachbezüge sind in bar auszuzahlen.

Der Abgeltungsanspruch ist abtretbar und pfändbar.

4 Reihenfolge der Erfüllung

Das BAG hat die Frage entschieden, in welcher Reihenfolge der Urlaub erfüllt wird, wenn der Arbeitnehmer neben dem gesetzlichen Urlaubsanspruch noch weitere Urlaubsansprüche hat (z.B. aufgrund Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag):

»Stehen dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr Ansprüche auf Erholungsurlaub zu, die auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen beruhen und für die unterschiedliche Regelungen gelten, findet § 366 BGB Anwendung, wenn die Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht zur Erfüllung sämtlicher Urlaubsansprüche ausreicht. Nimmt der Arbeitgeber dabei keine Tilgungsbestimmung i.S.v. § 366 Abs. 1 BGB vor, findet die in § 366 Abs. 2 BGB vorgegebene Tilgungsreihenfolge mit der Maßgabe Anwendung, dass zuerst gesetzliche Urlaubsansprüche und erst dann den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Urlaubsansprüche erfüllt werden« (BAG 01.03.2022 – 9 AZR 353/21).

5 Übertragungszeitraum

Nach der Entscheidung BAG 19.06.2012 – 9 AZR 652/10 unterliegt der Abgeltungsanspruch nicht der Frist des § 7 Abs. 3 BUrlG und kann unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers auch über den Übertragungszeitraum hinaus geltend gemacht werden.

Mit der Entscheidung BAG 07.08.2012 – 9 AZR 353/10 wurde, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war, ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten festgelegt, beginnend mit dem Ende des Urlaubsjahres. Die Urlaubsansprüche gehen danach mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter. Dies gilt auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit.

6 Verschiedene Streitgegenstände

»Bei Ansprüchen auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (…), des Tarifurlaubs und Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände. Ihnen liegen eigenständige, auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten beruhende Anspruchsvoraussetzungen zugrunde. Während der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub regelmäßig allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt, bestehen die Ansprüche auf Tarifurlaub und Zusatzurlaub nur, wenn weitere Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (insbesondere die Anwendbarkeit des Tarifvertrags bzw. das Bestehen einer Schwerbehinderung). Soweit sich gesetzlicher Mindesturlaub und Tarifurlaub überschneiden, ist eine Anspruchskonkurrenz gegeben« (BAG 01.03.2022 – 9 AZR 353/21).

7 Ausschlussfrist

Bei dem Anspruch auf Abgeltung des bestehenden Urlaubs handelt es sich um eine reine Geldforderung, die mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird und ab diesem Zeitpunkt einer ggf. für das Arbeitsverhältnis geltenden Ausschlussfrist unterliegt (BAG 13.12.2011 – 9 AZR 399/10, BAG 09.08.2011 – 9 AZR 352/10).

8 Ausgleichsklausel

Im Rahmen der Vereinbarung eines Aufhebungsvertrags, der Abfindung eines Arbeitnehmers oder eines Prozessvergleichs wird oftmals eine Ausgleichsklausel aufgenommen, nach der neben den vereinbarten Leistungen weitere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr bestehen.

Nach der Entscheidung BAG 14.05.2013 – 9 AZR 844/11 ist bei der Vereinbarung einer Ausgleichsklausel, die ausdrücklich auch unbekannte Ansprüche erfassen soll, auch der Urlaubsabgeltungsanspruch mit erfasst, d.h. untergegangen.

Beispiel:

»Mit diesem Vertrag … sind sämtliche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche …, seien sie bekannt oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, geregelt und abgegolten«.

Zu einer unter der Bedingung der Unwirksamkeit einer Kündigung erteilten Urlaubsanrechnung auf die Freistellung siehe den Beitrag »Urlaub«.

9 Abgeltung von bereits verfallenem Urlaub

Nach der Entscheidung BAG 18.10.2011 – 9 AZR 303/10 steht es dem Arbeitgeber frei, mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zu treffen, die ihn verpflichtet, Urlaub, der bereits verfallen ist, nachzugewähren. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die nicht die (Nach-)Gewährung verfallenen Urlaubs, sondern dessen Abgeltung vorsieht.

10 Vor der Altersteilzeit nicht genommener Urlaub

Der Anspruch auf finanzielle Abgeltung des bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Anspruch genommenen Mindestjahresurlaubs ist bei Beamten auf den Zeitpunkt des Ruhestandseintritts zu beziehen. Dies gilt auch für Beamte, die in Altersteilzeit nach dem Blockmodell beschäftigt sind (BVerwG 19.11.2015 – 2 C 3/15).

11 Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld

Nach § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs, wenn der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat. Ein Übergang des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung auf die Agentur für Arbeit findet dann statt, wenn der Arbeitslose während des Ruhenszeitraums Arbeitslosengeld erhält (Gleichwohlgewährung). Der Forderungsübergang wird zeitlich durch den Ruhenszeitraum und der Höhe nach durch das in diesem Zeitraum gezahlte Arbeitslosengeld begrenzt.

Der Ruhenszeitraum beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses, mithin mit dem ersten Tag, der auf das Ende des Arbeitsverhältnisses folgt. Der Ruhenszeitraum läuft kalendermäßig ab.

Hat der Arbeitnehmer wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen, ruht sein Anspruch auf Arbeitslosengeld auch dann bereits ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn er Krankengeld bezieht. Der Ruhenszeitraum verschiebt sich nicht auf die Zeit nach Beendigung der Erkrankung (BAG 17.11.2010 – 10 AZR 649/09).

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