Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach Themen im Rechtswörtebuch zu suchen!

Aufhebungsvertrag

Normen

§ 611 BGB

§ 620 BGB

Information

1 Allgemein

Mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages können die Vertragsparteien die durch einen zwischen ihnen geschlossenen Vertrag bestehenden Verpflichtungen beseitigen.

Ein wirksam geschlossener Vertrag kann andernfalls ohne die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder dem Vorliegen von gesetzlich geregelten Auflösungsmöglichkeiten (gesetzlicher Rücktritt, Widerruf – Verbrauchervertrag, Anfechtung Willenserklärungen) nicht einseitig rückgängig gemacht werden.

2 Der Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht

2.1 Einführung

Mit dem Aufhebungsvertrag wird das Arbeitsverhältnis unmittelbar bzw. zu dem von den Parteien vereinbarten Termin ohne den Ausspruch einer Kündigung beendet. Es bestehen für den Arbeitgeber im Vergleich zu einer Kündigung folgende Vorteile:

2.2 Inhalt

Möglicher Inhalt des Vertrages kann eine Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Beendigungszeitraum sein, die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots, die Zahlung einer Abfindung oder die Höhe des noch zu gewährenden Urlaubs.

Die Beendigungsvereinbarung selbst unterliegt keiner Angemessenheitskontrolle i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil hierdurch nicht von Rechtsvorschriften abgewichen wird (§ 307 Abs. 3 BGB). Die Beendigungsvereinbarung ist ein selbstständiges Rechtsgeschäft, bei dem die Hauptleistung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist (BAG 08.05.2008 – 6 AZR 517/07).

Bei der Vereinbarung einer Freistellung ist Folgendes zu beachten: Nach dem Urteil BAG 17.05.2011 – 9 AZR 189/10 »muss der Arbeitnehmer als Adressat der Erklärung hinreichend deutlich erkennen können, in welchem Umfang der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllen will. Erklärt sich der Arbeitgeber nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit, geht dies zu seinen Lasten. Denn als Erklärender hat er es in der Hand, die Freistellungserklärung sprachlich so zu fassen, dass der Arbeitnehmer über ihren Inhalt nicht im Zweifel ist.«

Im Rahmen einer Freistellung wird oftmals eine sogenannte Sprinterklausel bzw. Turboklausel vereinbart, nach der der Arbeitnehmer berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis innerhalb einer kurzen Frist – oftmals eine Woche – durch Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber zu beenden. Für diesen Fall erhält der Arbeitnehmer – je nach Verhandlungsergebnis – zumeist die restliche Brutto-Vergütung als Abfindungszahlung.

Vereinbart wird oftmals eine Ausgleichsklausel (»mit diesem Vertrag … sind sämtliche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche …, seien sie bekannt oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, geregelt und abgegolten«). Zu näheren Inhalten siehe insofern den Beitrag »Ausgleichsklausel - Arbeitsrecht«.

2.3 Form

Der Aufhebungsvertrag ist gemäß § 623 BGB zwingend schriftlich abzuschließen.

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass dem Arbeitnehmer die Folgen eines Aufhebungsvertrages bekannt sind. Nach einer Entscheidung des BAG hat er aber aus seiner Stellung als Arbeitgeber dann eine Aufklärungspflicht, wenn der Arbeitnehmer bezüglich der Folgen des Vertrages (z.B. Verlust des Kündigungsschutzes) erkennbar unwissend ist oder ihn ausdrücklich um Rat fragt.

Er ist jedoch verpflichtet, den Arbeitnehmer auf die mögliche Verhängung einer Sperrzeit hinzuweisen.

2.4 Hinzuziehen eines Betriebsrats-/Personalratsmitglieds

Der Arbeitnehmer hat keinen allgemeinen Anspruch darauf, bei den Personalgesprächen im Rahmen der Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ein Mitglied des Betriebsrats/Personalrats hinzuzuziehen.

Nach dem Urteil BAG 16.11.2004 -1 ABR 53/03 kann sich jedoch im Einzelfall aus § 82 Abs. 2 S. 2 BetrVG ein solcher Anspruch ergeben. Erforderlich ist, dass die erwarteten Gesprächsgegenstände zumindest teilweise identisch mit den in § 82 Abs. 2 S. 2 BetrVG genannten Themen sind. Personalgespräche über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages berühren nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oftmals auch Themen des § 82 Abs. 2 S. 2 BetrVG, da Gegenstand der Verhandlung nicht nur ein möglicher Inhalt des Vertrages, sondern oft auch die weiteren Möglichkeiten des Arbeitnehmers in dem Betrieb sind.

Etwas anderes gilt z.B. für Fälle der Betriebsstilllegung.

Es bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine anderen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen zur Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages.

2.5 Rücktritt/Widerruf/Anfechtung

Ein Rücktritt oder ein Widerruf des Vertrages ist nur bei einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien möglich, im Übrigen kann der Vertrag nur durch Anfechtung aufgrund Irrtums, einer Drohung oder einer arglistigen Täuschung rückgängig gemacht werden:

Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung des BGH der Aufhebungsvertrag nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- bzw. Widerrufsrecht eingeräumt und ihm auch das Thema des beabsichtigten Gesprächs vorher nicht mitgeteilt hat (BAG 30.09.1993 – 2 AZR 268/93).

Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat im Laufe der Jahre seine Rechtsprechung zum Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung zum Nachteil der Arbeitnehmer verschärft:

  • Die Anfechtung ist z.B. begründet bei unterlassener Aufklärung über die Folgen des Vertrages (in besonderen Fällen), ebenso wenn der Aufhebungsvertrag unter dem Druck einer ansonsten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung abgeschlossen wurde (BAG 15.12.2005 – 6 AZR 197/05).

  • Wird der Arbeitnehmer unter der Drohung der ansonsten ausgesprochenen Kündigung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gezwungen, so wird die Widerrechtlichkeit der Drohung nicht durch eine eingeräumte Bedenkzeit beseitigt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitnehmer während der Bedenkzeit die Bedingungen des Aufhebungsvertrages zu seinen Gunsten verändern konnte (BAG 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06).

  • »Die Drohung mit einer (außerordentlichen) Kündigung ist dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte (…). Nicht erforderlich ist allerdings, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie erklärt worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte. Von einem verständigen Arbeitgeber kann nicht generell verlangt werden, dass er bei seiner Abwägung die Beurteilung des Tatsachengerichts »trifft« (…). Danach ist die Drohung mit einer Kündigung widerrechtlich, wenn der Drohende selbst nicht an seine Berechtigung glaubt oder sein Rechtsstandpunkt nicht mehr vertretbar ist (…) Die Drohung mit einer Strafanzeige ist rechtmäßig, wenn sie nur dazu dient, den Täter zur Wiedergutmachung des Schadens zu veranlassen« (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21).

Die Anfechtung aufgrund einer Drohung kann innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB erklärt werden. Prozessrechtlich wird die Anfechtung des Aufhebungsvertrages mit einer Feststellungsklage geltend gemacht:

»Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen XX und XX nicht durch die Aufhebungsvereinbarung vom XX aufgehoben wurde.

Die beklagte Partei ist verpflichtet, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den XX hinaus weiter zu beschäftigen.«

Das Bundesarbeitsgericht hat auch Arbeitnehmer als Verbraucher anerkannt. Gleichzeitig hat das Gericht jedoch geurteilt, dass ein geschlossener Aufhebungsvertrag nicht widerrufen werden kann, da im Gesetzgebungsverfahren der Wille des Gesetzgebers deutlich geworden ist, arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen (BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18).

2.6 Gebot des fairen Verhandelns

Das Bundesarbeitsgericht hat mit der Entscheidung BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 eine weitere Möglichkeit zur Überprüfung von Aufhebungsverträgen geschaffen: Nach der Pressemitteilung ist danach zu prüfen, »ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags beachtet wurde. Dieses Gebot ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. Dies könnte hier insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Die Beklagte hätte dann Schadensersatz zu leisten. Sie müsste den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde (sog. Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB). Die Klägerin wäre dann so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies führte zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.«

Aber:

»Der Arbeitgeber verhandelt nicht entgegen § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB deswegen unfair, weil er den von ihm angebotenen Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet und der Arbeitnehmer diesen nur sofort annehmen kann« (BAG 24.02.2022 – 6 AZR 333/21).

2.7 Freistellung

Auch bei einer unwiderruflich vereinbarten Freistellung bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses liegt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor (BSG 24.09.2008 – B 12 KR 27/07).

3 Auflösungsvertrag

In der Vergangenheit war der Auflösungsvertrag nur eine andere Bezeichnung für den Aufhebungsvertrag. In dem Urteil BAG 19.04.2007 – 2 AZR 208/06 hat das Bundesarbeitsgericht jedoch erstmalig auch Abwicklungsverträge als Auflösungsverträge bezeichnet.

metis