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Urlaub - Verfall

Normen

§ 7 BUrlG

Information

1 Einführung

Der Urlaub kann insbesondere aus den folgenden Gründen im Urlaubsjahr nicht angetreten worden sein:

  • Nichtantritt durch den Arbeitnehmer aufgrund eigener Entscheidung

  • Nichtgewährung durch den Arbeitgeber

  • Arbeitsunfähigkeit während des gesamtes Urlaubsjahres

  • Ausscheiden des Arbeitnehmers aufgrund von Aufhebungsvertrag oder außerordentlicher Kündigung und die noch ausstehenden Urlaubstage können aufgrund der verbleibenden Arbeitstage nicht oder nicht vollständig genommen werden.

Gemäß § 7 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

2 Verfall nach einer Arbeitsunfähigkeit

Grundsatz des Bundesarbeitsgerichts:

Urlaubsansprüche des langfristig erkrankten Arbeitsnehmers verfallen 15 Monate nach Ende des für den Urlaubsanspruch entscheidenden Kalenderjahres. Dies gilt sowohl für die gesetzlichen als auch grundsätzlich für die tariflichen Ansprüche (BAG 07.08.2012 – 9 AZR 353/10). Die Urlaubsansprüche verfallen danach mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres.

Das BAG hatte jedoch Zweifel über die Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit der EU-Arbeitszeit-Richtlinie und hat den EuGH in zwei Urteilen im Jahr 2020 um Klärung gebeten. Der EuGH hat wie unten dargestellt geantwortet. Mit dem Urteil BAG 20.12.2022 – 9 AZR 245/19 hat das BAG diese Rechtsprechung übernommen: EuGH 22.09.2022 – C 518/20:

  • Der Urlaubsanspruch, den der Arbeitnehmer in dem Kalenderjahr erworben hat, in dem er tatsächlich gearbeitet hat und bis zum Ende des Jahres arbeitsunfähig wurde, verfällt nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Urlaubsjahr darüber informiert hat, dass er den Urlaub nehmen muss und ansonsten der Verfall droht.

    Dabei hat das BAG aber in seiner neuesten Rechtsprechung für den Arbeitgeber kurze Fristen festgelegt (BAG 31.01.2023 – 9 AZR 107/20:

    Bezüglich der Zeitspanne, die dem Arbeitgeber zur Vorbereitung und Durchführung der Belehrung einzuräumen ist, hat das BAG zwar ausgeführt, das richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Aber mit dem nächsten Satz diesen Einzelfall gibt das BAG vor, dass unter normalen Umständen eine Zeitspanne von einer (Urlaubs-)Woche (d.h. in Anlehnung an § 3 BUrlG sechs Werktage) ausreichend sind, d.h. beginnend mit dem 01.01. bzw. dem auf dieses Datum folgenden Werktag des jeweiligen Urlaubsjahres. Die Erfüllung der Belehrungspflicht erst später als eine Woche nach dem 01.01. bzw. dem ersten Werktag des Jahres wird bereits als verspätet angesehen. Der Urlaubsanspruch verfällt jedoch auch hier ohne vorherigen Hinweis des AG bei Vorliegen von besonderen Umständen:

    • z.B.: wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Kalenderjahres arbeitsunfähig war.

    • In diesem Fall ist die Begrenzung des Übertragungszeitraums auf 15 Monate, beginnend mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahres, rechtens.

  • Auch hier gilt: Wenn nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem Mehrurlaub gemäß den Vorgaben des BAG unterschieden wird, dann gelten die obigen Grundsätze für den gesamten Urlaubsanspruch.

    Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Auslegung der §§ 1, 7 BUrlG beschränkt.

    Aber unter Anwendung dieser Grundsätze hat das BAG festgestellt, dass die Tarifvertragsparteien des TVöD den tariflichen Mehrurlaub nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt haben. Abweichungen bestehen lediglich hinsichtlich der Dauer des Übertragungszeitraums (31.05. des Folgejahres statt 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres), nicht jedoch hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen das Fristenregime aktiviert wird.

    Das bedeutet für die Abgeltung von Urlaubsansprüchen nach einer Arbeitsunfähigkeit:

  • Der gesetzliche Mindesturlaub und der Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung verfallen erst 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres.

  • (Nur) Für den tariflichen Mehrurlaub gelten die Verfallfristen des § 26 TVÖD bzw. der ähnlichen Regelungen in den anderen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes.

3 Verjährung des Urlaubsanspruchs

Das Bundesarbeitsgericht hat in Fortführung der Rechtsprechung des EuGH (EuGH 22.09.2022 – C 518/20) für die Frage der Verjährung eines Urlaubsanspruchs folgende Grundsätze erlassen (BAG 20.12.2022 – 9 AZR 266/20):

  • Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung.

  • Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

  • D.h.: Wenn der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachgekommen ist, verjährt der Urlaub

4 Erforderlichkeit der Aufforderung durch den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber hat Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten:

Danach »… ist der Arbeitgeber in Anbetracht des zwingenden Charakters des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub (…), u a. verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird« (EuGH 06.11.2018 – C 619/16; EuGH 06.11.2018 – C 684/16).

Dies gilt jedoch grundsätzlich nur für den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem BUrlG.

Diese Rechtsprechung wurde vom Bundesarbeitsgericht übernommen (BAG 19.02.2019 – 9 AZR 541/15) und mit dem Urteil BAG 31.01.2023 – 9 AZR 107/20 konkretisiert:

Bezüglich der Zeitspanne, die dem Arbeitgeber zur Vorbereitung und Durchführung der Belehrung einzuräumen ist, hat das BAG ausgeführt, das richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Unter normalen Umständen ist laut BAG eine Zeitspanne von einer (Urlaubs-)Woche (d.h. in Anlehnung an § 3 BUrlG sechs Werktage) ausreichend, beginnend mit dem 01.01. bzw. dem auf dieses Datum folgenden Werktag des jeweiligen Urlaubsjahres. Die Erfüllung der Belehrungspflicht mehr als eine Woche später wird bereits als verspätet angesehen.

5 Abweichende tarifliche Regelung über den Verfall

Nach der Rechtsprechung verfällt auch der Mehrurlaub, wenn der Tarifvertrag nicht zwischen beiden Rechtsgrundlagen unterscheidet:

»Die richtlinienkonforme Fortbildung oder unionsrechtskonforme Auslegung von Vorschriften des BUrlG ist nicht auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden, wenn ein Tarifvertrag eigenständige Regelungen trifft. Dazu muss die Auslegung ergeben, dass der Tarifvertrag vom grundsätzlichen Gleichlauf zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub abweicht. Das ist der Fall, wenn er entweder zwischen gesetzlichem Urlaub und tariflichem Mehrurlaub unterscheidet oder sowohl für Mindest- als auch Mehrurlaub wesentlich von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Übertragungs- und Verfallsregeln bestimmt« (BAG 12.04.2011 – 9 AZR 80/10).

»Tarifvertragsparteien können jedoch Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die (…) Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (…). Diese Befugnis schließt die Befristung des tariflichen Mehrurlaubs ein. (…) Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den tariflichen Mehrurlaub einem eigenen, von dem des gesetzlichen Mindesturlaubs abweichenden Fristenregime zu unterstellen, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen. Ein Gleichlauf ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom BUrlG abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben.« (BAG 14.02.2017 – 9 AZR 386/16).

»Die Tarifvertragsparteien sind befugt, die Befristung und Übertragung bzw. den Verfall des Mehrurlaubsanspruchs abweichend vom Bundesurlaubsgesetz festzulegen. Machen sie von dieser Befugnis Gebrauch, bedarf die Annahme, der tarifliche Mehrurlaub solle dennoch, für den Fall, dass der Arbeitnehmer ihn wegen Krankheit nicht nehmen konnte, nicht schon nach der tariflichen Regelung (hier: zum 30. April des Folgejahres), sondern erst nach § 7 Abs. 3 BUrlG frühestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen, deutlicher Anhaltspunkte. Fehlen solche, erlischt der Mehrurlaubsanspruch, sofern die Voraussetzungen seiner Befristung erfüllt sind, regelmäßig nach Maßgabe der tariflichen Bestimmungen.« (…)

Zur Klarstellung:

»Der eigenständige, dem Gleichlauf der Urlaubsansprüche entgegenstehende Regelungswille muss sich auf den jeweils in Rede stehenden Regelungsgegenstand beziehen. Es genügt nicht, wenn in einem Tarifvertrag von Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes abgewichen wird, die mit den im Streit stehenden Regelungen nicht in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 22. Januar 2019 – 9 AZR 149/17 – Rn. 28). Ein Gleichlauf mit der Befristung des gesetzlichen Mindesturlaubs nach § 7 Abs. 3 BUrlG ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom BUrlG abweichende Vereinbarungen getroffen haben« (BAG 29.09.2020 – 9 AZR 364/19).

Diese Rechtsprechung wurde mit BAG 22.01.2019 – 9 AZR 10/17 fortgesetzt.

Hinweis 1:

Diese Rechtsprechung gilt daneben analog für Ansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, z.B. dem Arbeitsvertrag (BAG 22.01.2019 – 9 AZR 328/16).

Hinweis 2:

Bei den kirchlichen Kollektivvereinbarungen (AVR-Caritas; BAT-KF, KAVO) handelt es sich nicht um Tarifverträge! Für sie gilt insofern diese Rechtsprechung nicht!

6 Verfall bei Eintritt einer vollen Erwerbsminderung

Es gelten die für die Arbeitsunfähigkeit aufgeführten Grundsätze (BAG 20.12.2022 – 9 AZR 245/19):

D.h. auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit/Bezug einer befristeten Erwerbsminderungsrente gehen die Urlaubsansprüche mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter (LAG Berlin-Brandenburg 12.05.2023 – 12 Sa 1250/22).

Zudem erlischt der nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht zuvor auf das Erlöschen hingewiesen hat.

Für das Zusammentreffen der Versäumung von Hinweispflichten und einer befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente gilt (LAG Berlin-Brandenburg 12.05.2023 – 12 Sa 1250/22):

  • Im Jahr des Beginns der Rente, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich auch gearbeitet hat, verfällt der Anspruch nur, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nachgekommen ist.

  • Sofern der Arbeitnehmer während des gesamten Kalenderjahres aufgrund der befristeten Erwerbsunfähigkeit nicht gearbeitet hat, verfällt der Urlaubsanspruch nach der 15-Monats-Regel.

7 Ausschlussklausel

Der Urlaub ist nicht durch eine arbeitsvertraglicheAusschlussfrist verfallen, wenn der Arbeitsvertrag ab dem 01.01.2015 abgeschlossen wurde und die Ausschlussfrist nicht explizit den Anspruch auf den Mindestlohn ausnimmt (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18).

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