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Bildungsurlaub

 Normen 

Baden-Württemberg: BzG BW,BW
Bayern: Keine gesetzliche Grundlage
Berlin: BiUrlG,BE
Brandenburg: BbgWBG,BB
Bremen: BremBZG,HB
Hamburg: BildUG,HH
Hessen: BildUrlG,HE
Mecklenburg-Vorpommern: BfG M-V,MV
Niedersachsen: NBildUG,NI
Nordrhein-Westfalen: AWbG,NW
Rheinland-Pfalz: BFG,RP
Saarland: SWFG,SL, SBFG,SL
Sachsen: Keine gesetzliche Grundlage
Sachsen-Anhalt: BildfrstG,ST
Schleswig-Holstein: WBG,SH
Thüringen: ThürBfG,TH

BT-Drs. 19/23550, Seite 90 f. (zu § 40 SGB IV)

 Information 

1. Gesetzliche Grundlage

Freistellung eines Arbeitnehmers zum Zwecke der eigenen Weiterbildung.

Das Recht auf die Inanspruchnahme eines Bildungsurlaubs ist nicht bundesgesetzlich, sondern nur in den Gesetzen der einzelnen Bundesländer geregelt. Auch besteht nicht in allen Bundesländer ein Anspruch der Arbeitnehmer. Die landesrechtlichen Regelungen sind im Einzelnen teilweise unterschiedlich ausgestaltet. In einigen Bundesländern wird der Bildungsurlaub als Bildungsfreistellung bzw. Bildungszeit bezeichnet.

2. Dauer

Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub jährlich. Aufgrund spezieller Regelungen können Arbeitnehmer einiger Bundesländer innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren 10 Tage nehmen.

3. Rechtliche Voraussetzungen

3.1 Allgemein

Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Bildungsurlaub sind:

  1. a)

    Die Weiterbildung dient einem beruflichen oder politischen Zweck.

  2. b)

    Der Arbeitnehmer hat den Bildungsurlaub form- und fristgerecht beantragt.

  3. c)

    Der Genehmigung des Bildungsurlaubes stehen keine dringenden betrieblichen Belange oder die Urlaubsansprüche anderer Mitarbeiter entgegenstehen.

3.2 Berufliche Weiterbildung

Veranstaltungen dienen der beruflichen Weiterbildung, wenn sie Kenntnisse für den ausgeübten Beruf vermitteln oder jedenfalls Kenntnisse vermitteln, die im erlernten oder ausgeübten Beruf verwendet werden können (BAG 15.03.2005 - 9 AZR 104/04). Der Anspruch auf Freistellung besteht nicht für Weiterbildungen, die nur der persönlichen Qualifikation des Arbeitnehmers dienen.

Thematisch besteht der Anspruch aber nicht nur für rein fachliche Veranstaltungen, sondern auch für Veranstaltungen, die nur einen mittelbaren Bezug zur Arbeit haben, wie z.B. Stressbewältigung, Rhetorik.

3.3 Politische Weiterbildung

Politische Weiterbildungen erfüllen die gesetzlichen Voraussetzungen, wenn sie das Verständnis des Arbeitnehmers für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessern sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (BAG 21.07.2015 - 9 AZR 418/14; BAG 19.05.1998 - 9 AZR 395/97).

3.4 Bildungsurlaubsgesetz Niedersachen

Gemäß § 1 Niedersächsisches Bildungsurlaubsgesetz dient - davon abweichend - der Bildungsurlaub der Erwachsenenbildung. Die Erwachsenenbildung umfasst gemäß § 1 NEBG als ein eigenständiger, gleichberechtigter Teil des Bildungswesens die allgemeine, politische, kulturelle und berufliche Bildung.

Alle danach in Betracht kommenden Bildungsmaßnahmen können Maßnahmen der Arbeitnehmerweiterbildung sein. Erst der Negativkatalog des § 11 Abs. 2 NBildUG schränkt die Bandbreite der anerkennungsfähigen und damit zulässigen Veranstaltungen ein. Wird die Bildungsveranstaltung vom Negativkatalog nicht erfasst, hat es damit sein Bewenden (BAG 15.03.2005 - 9 AZR 104/04).

Nach der Entscheidung gehört auch das Erlernen einer Sprache (hier Schwedisch) ohne Bezug zur Arbeitstätigkeit zur allgemeinen Bildung. Das Erlernen einer Fremdsprache gehört zum anerkannten Bildungsgut.

3.5 Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg

Rechtsgrundlage in Baden-Württemberg ist das Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg.

Zulässige Inhalte der Weiterbildung:

  • Berufliche und politische Weiterbildung

  • Zur Qualifizierung für ehrenamtliche Tätigkeiten in bestimmten Bereichen des Ehrenamts

  • Für längerfristige Aufstiegs- und Anpassungsfortbildungen

  • Politische Weiterbildung nur zur Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben auf europäischer, Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene, keine allgemeinen gesellschaftspolitischen Themen

Wieviel?

  • Bis 5 Tage pro Jahr (bei Teilzeitbeschäftigung entsprechend weniger), keine Übertragbarkeit auf Folgejahre

  • Anspruch nach 12 Monaten Beschäftigung im Betrieb

  • Für Studierende der DHBW und Auszubildende 5 Tage für die gesamte Studien- bzw. Ausbildungszeit

Für wen?

  • Arbeitnehmer/innen mit Tätigkeitsschwerpunkt in Baden-Württemberg

  • Beamte im Sinne des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg

  • Bei Studierenden der DHBW und Auszubildenden ist der Anspruch auf politische Weiterbildung und die Qualifizierung auf bestimmte Ehrenämter beschränkt.

Art der Veranstaltung:

  • Politische oder berufliche Weiterbildung

  • Qualifizierung für Ehrenämter

  • Im Durchschnitt täglich mindestens 6 Zeitstunden Unterricht

  • Mindestdauer 1 Tag

  • Durchführung durch eine anerkannte Bildungseinrichtung

Fristen:

  • Der Antrag muss 8 Wochen vor Seminarbeginn schriftlich beim Arbeitgeber gestellt werden.

  • Der Arbeitgeber muss spätestens 4 Wochen vor Seminarbeginn über den Bildungszeitantrag entscheiden.

Einschränkungen:

  • Der Arbeitgeber darf betriebseigene Schulungen unter bestimmten Voraussetzungen anrechnen, dies reduziert dann den frei verfügbaren Anspruch.

  • Der Arbeitgeber kann Bildungszeit ablehnen, in Kleinstbetrieben mit weniger als 10 Beschäftigten oder wenn schon mind. 10 % des im Betriebs bestehenden Anspruchs auf Bildungszeit genehmigt wurde.

Veranstalter:

  • Das Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg sieht keine Anerkennung einzelner Bildungsmaßnahmen, sondern alleine eine Trägeranerkennung von Bildungseinrichtungen zur Qualitätssicherung vor.

  • Die anerkannten Bildungseinrichtungen tragen selbst die Verantwortung dafür, dass ihre "Bildungszeit-Angebote" die gesetzlichen Anforderungen in Form und Inhalt erfüllen.

Nach der Entscheidung LAG Baden-Württemberg 09.08.2017 - 2 Sa 4/17 zu dem Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg ergibt die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "politische Weiterbildung", dass der Landesgesetzgeber bei diesem unbestimmten Rechtsbegriff das durch die Rechtsprechung zu den Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzen anderer Bundesländer geprägte und vom ILO Übereinkommen Nr. 140 normierte weite Begriffsverständnis zugrundegelegt hat.

3.6 Bildungsurlaubsgesetz Berlin

Ein Yogakurs kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Bildungsurlaub rechtfertigen:

"Da trotz allgemein hoher Arbeitszufriedenheit bei den Beschäftigten gleichzeitig viele Beschäftigte über zunehmenden Stress und Arbeitsdruck, Schlafstörungen und Erschöpfung klagen (...) und zwar nicht nur bei mobiler digitaler Arbeit, sondern auch in den traditionellen Arbeitsformen (...), dient die Bewältigung dieser Belastungsfaktoren der Verbesserung und Erweiterung der beruflichen Qualifikation und damit dem Gesetzeszweck des § 1 Abs. 4 BiUrlG. (...) Dazu beinhaltet bereits die Seminarausschreibung den "Stressabbau durch bewusste Annahme und Verarbeitung des stressauslösenden Faktoren". Das Erkennen, das Annehmen und die Verarbeitung der stressauslösenden Faktoren erfolgt unmittelbar aus den gesellschaftlichen und den betrieblichen Zusammenhängen" (LAG Berlin-Brandenburg 11.04.2019 - 10 Sa 2076/18).

4. Förmliche Voraussetzungen

In einigen Bundesländern ist sowohl die Stellung des Antrags als auch die eventuelle Ablehnung durch den Arbeitgeber zeitlich befristet, vielfach sind der Antrag und alle Unterlagen spätestens sechs Wochen vor dem Veranstaltungsbeginn zu stellen.

Eine bestimmte Form ist nicht vorgesehen. Dem Antrag sind alle Unterlagen beizufügen, die der Arbeitgeber zur Prüfung der berechtigten Inanspruchnahme der Weiterbildung benötigt.

Der Arbeitgeber kann den Antrag ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe oder die Urlaubsansprüche anderer Mitarbeiter entgegenstehen.
Einige Landesgesetze begrenzen die Inanspruchnahme einer Weiterbildung durch Arbeitnehmer kleinerer Betriebe auf eine bestimmte Anzahl von Tagen im Jahr.

5. Finanzierung

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer während der Inanspruchnahme der Weiterbildung von der Arbeitsleistung freizustellen und die Vergütung weiterzuzahlen.

Die Kosten der Weiterbildung selbst müssen vom Arbeitgeber nicht übernommen werden.

6. Beweislast

Erkennt der Arbeitgeber den Bildungsurlaub nicht an, so hat der Arbeitnehmer zu beweisen, dass die Voraussetzungen vorliegen.

7. Bildungsurlaub für die Ehrenamtlichen der Sozialversicherungen

Gemäß § 40 Abs. 3 SGB IV haben die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane sowie Versichertenälteste und Vertrauenspersonen Anspruch auf Urlaub für bis zu fünf Arbeitstagen pro Kalenderjahr zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen, die Kenntnisse vermitteln, die für eine ordnungsgemäße Ausübung des Ehrenamts förderlich sind.

Der Urlaub darf mit der Freistellung, die aufgrund von Bildungsurlaubsgesetzen der Länder in einem Kalenderjahr gewährt wird, insgesamt acht Arbeitstage pro Kalenderjahr nicht überschreiten. Für die Zeit des Urlaubs besteht nach diesem Gesetz kein Anspruchauf Vergütung. Der Verdienstausfall ist nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 SGB IV zu ersetzen.

 Siehe auch 

Arbeitgeberdarlehen

Fürsorgepflicht - Arbeitsrecht

Rückzahlungsklausel - Weiterbildungskosten

Urlaub

LAG Baden-Württemberg 09.08.2017 - 2 Sa 4/17 (Bildungsurlaub: Politische Weiterbildung

LAG Köln 30.08.2013 - 4 Sa 427/13 (Keine Erfüllbarkeit des Bildungsurlaubsanspruchs eines Piloten während bestehender Fluguntauglichkeit)

BAG 28.05.2002 - 1 ABR 37/01 (Mitbestimmung des Betriebsrats bei Weiterbildung)

BAG 21.09.1999 - 9 AZR 765/98 (kein Ausgleich, wenn Weiterbildung an Tag, an dem aus anderen Gründen keine Arbeitspflicht besteht)

http://www.bildungsurlaub.de

Roßmann/Ebert: Zum Bildungsurlaub in der Transportbranche; TranspR 2004, 26

Schulze: Sonder- und Bildungsurlaub für Beamte und Angestellte im Rahmen der Qualifikation und Weiterbildung von ehrenamtlichen Trainern und Übungsleitern unter besonderer Berücksichtigung des Kinder- und Jugendsports; Der öffentliche Dienst - DÖD 2017, 1