Nießbrauch
Sache: § 1030 BGB
Recht: § 1068 BGB
Vermögen: § 1085 BGB
1 Allgemein
Nießbrauch ist die Belastung einer Sache, eines Rechts oder eines Vermögens dergestalt, dass ein Nichteigentümer berechtigt ist, die Nutzungen (Miete, Zinsen) zu beanspruchen.
Der Nießbrauch ist eine der drei Dienstbarkeiten der beschränkt dinglichen Rechte. Charakteristisch ist, dass er unveräußerlich und unvererblich ist, der Nießbrauchsinhaber kann jedoch die Ausübung des Nießbrauchs gemäß § 1059 S. 2 BGB schuldrechtlich auf eine andere Person übertragen.
Die Übertragung des Nießbrauchs richtet sich nach den für die Übertragung des Vollrechts geltenden Vorschriften.
2 Nießbrauch an Grundstücken
Nießbrauch an Grundstücken wird in der Praxis vor allem aus zwei Gründen vereinbart:
Versorgung des Nießbrauchberechtigten
Sicherung des Gläubigers, z.B. bei der Bestellung eines Grundpfandrechts
Die Übertragung des Nießbrauchs an einem Grundstück ist notariell zu beurkunden.
Inhalt des Nießbrauchs ist ein umfassendes Nutzungsrecht, das sich zudem auf die Einziehung der Sach- und Rechtsfrüchte erstreckt. Der Nießbrauch kann nicht auf einzelne Nutzungen beschränkt werden, er kann aber durch den Ausschluss einzelner Nutzungen beschränkt werden.
Der Nießbrauch berechtigt zum Besitz der Sache, der Schutz entspricht gemäß § 1065 BGB dem des Eigentums.
Zwischen dem Eigentümer und dem Nießbrauchsberechtigten besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers sind:
Er ist gemäß §§ 1036, § 1045 BGB verpflichtet, die wirtschaftliche Bestimmung der Sache zu erhalten und für deren Fortbestand, z.B. durch eine notwendige Versicherung, zu sorgen.
Er ist gemäß § 1037 BGB nicht berechtigt, die Sache wesentlich umzugestalten.
Er hat gemäß § 1047 BGB die öffentlichen und privatrechtlichen Lasten der Sache zu tragen.
Der Nießbrauchsberechtigte kann von dem Eigentümer den Ersatz der Verwendungen auf die Sache verlangen, die über die gewöhnliche Unterhaltung hinausgehen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Verpflichtung im Grundbuch eingetragen ist oder es sich um eine Geschäftsführung ohne Auftrag handelt.
Mit dem Urteil BGH 12.01.2006 - IX ZR 131/04 stellte der BGH zur Pfändung des Nießbrauchs an einem Grundstück folgende Grundsätze auf:
Der Pfändungsgläubiger hat gegen den Nießbraucher keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks.
Wird im Rahmen der Pfändung die Verwaltung angeordnet, so richtet sich das Verfahren nach den Vorschriften der Zwangsverwaltung.
Der Schuldner, der nicht Eigentümer ist, kann sich gegenüber dem Verwalter nicht auf sein Wohnrecht berufen.
3 Nießbrauch an Rechten
Voraussetzung eines Nießbrauchs an Rechten sind gemäß § 1068 BGB, dass das Recht nutzbar und übertragbar ist.
Nicht nutzungsfähig sind z.B. Vorkaufsrechte.
Die Übertragung des Nießbrauchs richtet sich auch nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften.
4 Nießbrauch an beweglichen Sachen
Bei dem Nießbrauch an beweglichen Sachen bestehen folgende Besonderheiten:
Die Übertragung des Nießbrauchs an beweglichen Sachen richtet sich gemäß § 1032 BGB nach den allgemeinen Vorschriften über die Übertragung des Nießbrauchs. Somit ist bei Vorliegen der Voraussetzungen auch der gutgläubige Erwerb des Nießbrauchs vom Nichtberechtigten möglich.
Wird der Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen bestellt, so wird der Nießbraucher gemäß § 1067 BGB zum Eigentümer der Sachen. Folge ist, dass er wie ein Eigentümer über die Sachen verfügen kann, dem tatsächlichen Eigentümer gegenüber aber zum Wertersatz verpflichtet ist.
Eine weitere Besonderheit besteht bei der Bestellung eines Nießbrauchs an einem Grundstück samt Inventar: Diese Form ist in § 1048 BGB geregelt. Der Nießbraucher ist hier berechtigt, über das Inventar im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu verfügen, er hat aber für ausgesonderte Gegenstände etc. Ersatz zu beschaffen.
5 Kündigung / Rücktritt
Der BGH hat Grundsätze zur Kündigung / des Rücktritts erlassen (BGH 21.01.2022 - V ZR 233/20):
"Der Nießbrauch ist als dingliches Recht einer Kündigung durch den Eigentümer nicht zugänglich.
Möglich ist es aber, den Fortbestand des Nießbrauchs im Sinne einer auflösenden Bedingung mit einem Recht des Eigentümers zu verbinden, den Vertrag über die Bestellung des Nießbrauchs durch Kündigungserklärung zu beenden oder die Erfüllung des mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbarten Entgelts zur auflösenden Bedingung für den Bestand des Nießbrauchs zu machen (BGH 19.03.2021 - V ZR 44/19).
Auf das der Nießbrauchsbestellung zugrunde liegende Kausalverhältnis (z.B. Rechtskauf oder Schenkung) sind die allgemeinen Regelungen des Leistungsstörungsrechts der §§ 320 ff. BGB anwendbar.
Das der Bestellung des Nießbrauchs zugrundeliegende Kausalverhältnis ist aber von den (ggf. auch schuldrechtlichen) Vereinbarungen zu trennen ist, die das Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher während des Bestehens des Nießbrauchs regeln.
Das Kausalverhältnis bildet den Rechtsgrund für das dingliche Recht; es setzt sich bei einem Nießbrauch insbesondere aus der Verpflichtung, den Nießbrauch zu bestellen, und der Vereinbarung der hierfür zu erbringenden Gegenleistung zusammen. Die Gegenleistung für die Bestellung des Rechts kann dabei auch ein laufendes, nach bestimmten Zeitabschnitten zu entrichtendes Entgelt sein Ist das Kausalverhältnis unwirksam, kann das dingliche Recht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kondiziert werden; erbringt der Nießbrauchsberechtigte die von ihm geschuldete Gegenleistung nicht, kann der Eigentümer nach § 323 Abs. 1 BGB von dem Vertrag zurücktreten.
Hiervon zu unterscheiden sind Vereinbarungen, die das durch die Bestellung des Nießbrauchs entstehende gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Nießbraucher und Eigentümer betreffen (...). Das Gesetz gibt deren Rechte und Pflichten in den §§ 1030 ff. BGB zwar vor; diese Bestimmungen sind ungeachtet der zwingenden Natur des Sachenrechts aber teilweise abdingbar (...).
Zulässige abweichende Vereinbarungen können mit dinglicher Wirkung getroffen werden. Sie werden mit der Eintragung in das Grundbuch zum Inhalt des Rechts und binden dann auch einen Rechtsnachfolger; eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 874 BGB genügt (...).
Die Beteiligten können sich aber auch auf eine schuldrechtliche, und damit nur zwischen ihnen wirkende, abweichende Vereinbarung beschränken. Zu den abdingbaren Regelungen zählen insbesondere die Beschränkung der Erhaltungspflicht des Nießbrauchers auf die zur gewöhnlichen Unterhaltung gehörenden Maßnahmen.
Solche Vereinbarungen sind nicht Teil des der Bestellung des Nießbrauchs zugrundeliegenden Kausalverhältnisses, insbesondere sind die Erhaltungs- und Lastentragungspflichten des Nießbrauchers keine Gegenleistung für die Gewährung des Nießbrauchs (...). Eine Verletzung dieser Pflichten berechtigt den Eigentümer nicht zu einer Beendigung des Nießbrauchs nach den Vorschriften des Leistungsstörungsrechts (...). Dem Eigentümer stehen, wenn nicht anderes vereinbart ist (vgl. Rn. 7), neben der Möglichkeit der zwangsweisen Verwaltung nur Erfüllungsansprüche sowie Ansprüche auf Schadensersatz wegen der Verletzung des gesetzlichen Schuldverhältnisses (...) zu. Das gilt auch, wenn diese Pflichten mit (nur) schuldrechtlicher Wirkung erweitert worden sind."
6 Folgen der Beendigung des Nießbrauchs
Der BGH hat folgende Grundsätze aufgestellt (BGH 18.12.2015 - V ZR 269/14):
Der Eigentümer eines Nießbrauchsgrundstücks wird mit dem Erlöschen des Nießbrauchs nicht Rechtsnachfolger des Nießbrauchers.
Die Beendigung des Nießbrauchs führt grundsätzlich zu einem Erlöschen der gegen einen Dritten bestehenden Ansprüche des Nießbrauchers auf Herausgabe der Nießbrauchssache oder Störungsbeseitigung. Ausnahmsweise können solche Ansprüche bestehen bleiben, wenn der ehemalige Nießbraucher durch die Einwirkung des Dritten an der Erfüllung seiner aus dem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis gegenüber dem Eigentümer bestehenden Pflichten gehindert wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ansprüche gegen den Dritten vor der Beendigung des Nießbrauchs bereits rechtshängig geworden oder tituliert worden sind.