Rechtswörterbuch

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Besitz

 Normen 

§§ 854 ff BGB

 Information 

1. Allgemein

Tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache.

Die Ausübung des Besitzes ist unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Besitzes.

2. Besitzarten

Es werden folgende Besitzunterarten unterschieden, die bei einem Besitz auch in gemischter Form vorliegen können:

  • Nach der Nähe der Sachbeziehung: Mittelbarer und unmittelbarer Besitz:

    • Der mittelbare Besitz ist in § 868 BGB geregelt. Kennzeichnend ist, dass der mittelbare Besitzer seinen Besitz durch einen anderen unmittelbaren Besitzer für sich ausüben lässt und zwischen den beiden ein Verhältnis besteht, nach dem der unmittelbare Besitzer berechtigt ist, den Besitz für eine bestimmte Zeit auszuüben (Besitzmittlungsverhältnis).

      Die nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet kein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis. Möglich ist jedoch die ausdrückliche Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses (OLG München 04.07.2013 - 23 U 3950/12).

    • Unmittelbarer Besitzer ist, wer die tatsächliche Gewalt selbst ausübt.

  • Nach der Willensrichtung der Sachherrschaft: Eigenbesitz und Fremdbesitz:

    • Der Eigenbesitzer will die Sachherrschaft als ihm gehörend ausüben, unabhängig von den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen.

    • Dahingegen will der Fremdbesitzer den Besitz nicht mit dem Willen eines Eigentümers ausüben.

  • Nach der Anzahl der den Besitz ausübenden Personen: Alleinbesitz oder Mitbesitz:

    • Im Falle des Alleinbesitzes übt der Besitzer seine Sachherrschaft allein aus.

    • Bei einem Mitbesitz sind mehrere Besitzer zur Ausübung der Sachherrschaft berechtigt.

      Beispiel:

      Der BGH hat es als zweifelhaft angesehen, dass der Vermieter einer E-Auto-Batterie aufgrund seiner Sperrmöglichkeit des Ladens durch einen Fernzugriff als Mitbesitzer des Kfz anzusehen ist (BGH 26.10.2022 - XII ZR 89/21).

  • Nach der sozialen Einstufung der Sachherrschaft: Besitzer oder Besitzdiener:

    • Besitzdiener ist gemäß der gesetzlichen Definition des § 855 BGB jemand, der hinsichtlich der Sache in einem äußerlich erkennbaren sozialen Abhängigkeitsverhältnis zum Besitzer steht und die tatsächliche Sachherrschaft nach dessen Weisungen ausübt.

3. Anspruch auf Besichtigung der Sache

Nach § 809 BGB kann derjenige, der gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewissheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von Interesse ist, verlangen, dass der Besitzer ihm die Sache zur Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet.

Der BGH hat zu dem Anspruch Folgendes ausgeführt:

"Für den Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB ist das Bestehen eines Anspruchs in Ansehung der Sache nicht Voraussetzung. Ausreichend ist es vielmehr, dass sich der Anspruchsteller erst Gewissheit über das Bestehen eines solchen Anspruchs verschaffen will. Der Anspruch kann aber nicht wahllos gegenüber dem Besitzer einer Sache geltend gemacht werden, hinsichtlich deren nur eine entfernte Möglichkeit einer Rechtsverletzung besteht. Vielmehr muss bereits ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BGH 08.01.1985 - X ZR 18/84, BGH 02.05.2002 - I ZR 45/01, BGH 20.09.2012 - I ZR 90/09). Insbesondere müssen die nicht von der Besichtigung betroffenen Voraussetzungen des Anspruchs, der mit Hilfe der Besichtigung durchgesetzt werden soll, bereits geklärt sein" (BGH 20.07.2018 - V ZR 130/17).

Ob § 809 BGB auch dann anwendbar ist, wenn sich der Anspruchssteller Gewissheit darüber verschaffen will, ob ihm ein Anspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zusteht, ist höchstrichterlich nicht entschieden und von dem BGH auch in dem obigen Urteil offen gelassen.

4. Herausgabe von Nutzungen

Nimmt der Eigentümer sowohl den mittelbaren als auch den unmittelbaren Besitzer auf Herausgabe von Nutzungen in Anspruch, finden die Vorschriften über die Gesamtschuld entsprechende Anwendung (BGH 14.03.2014 - V ZR 218/13).

5. Funktionsfähigkeit des Besitzgegenstandes

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob der Besitz einer Sache auch deren Funktionsfähigkeit umfasst.

 Siehe auch 

Abhandenkommen von Sachen

Aneignung

Besitzdiener

Dereliktion

Eigentum

Eigentumsvorbehalt

Gesetzliches Schuldverhältnis

Gutgläubiger Erwerb

BGH 09.05.2014 - V ZR 305/12 (Umfang der Schadensersatzpflicht des Besitzers bei Herausgabe)

Eichenhofer: Die Auswirkungen der Ehe auf Besitz und Eigentum der Eheleute; Juristenzeitung - JZ 1988, 326

Koch/Sander: Der (Mit-)besitz smarter Sachen; Juristenzeitung - JZ 2023, 485

Lipp: Besitz und Besitzschutz; Juristische Schulung - JuS 1997, LB 57

Magnus/Wais: Unberechtigter Besitz und Verjährung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2014, 1270

Martens: Mittelbarer Besitz des Betrügers und Hehlerei; Juristische Arbeitsblätter - JA 1996. 248

Müller-Katzenburg: Besitz und Eigentumssituation bei gestohlenen und sonst abhanden gekommenen Kunstwerken; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 1999, 2551

Omlor/Gies: Der Besitz und sein Schutz im System des BGB; Juristische Schulung - JuS 2013, 12

Petersen: Sonderfragen zum Recht des Besitzes; Jura 2002, 255

Schreiber: Possessorischer und petitorischer Besitzschutz; Jura 1993, 440

Schwepcke: Besitz und Besitzschutz in der Rechtsprechung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2023, 1319