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Arbeitszeugnis

Normen

§ 109 GewO

§ 16 BBiG

§ 19 SeemG

§ 35 TVöD

Information

1 Allgemein

Das Arbeitszeugnis ist eine Bescheinigung über die Arbeitstätigkeit und die Arbeitsqualität eines Arbeitnehmers.

Mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hat jeder Arbeitnehmer gemäß § 109 GewO das Recht, von dem Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis zu verlangen, das Auskunft über die Art seiner Arbeitstätigkeit, die Dauer der Mitarbeit und die Qualität seiner Leistungen gibt. Ohne gesonderte Aufforderung ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein Zeugnis zu erstellen, eine Ausnahme besteht nur im Berufsausbildungsverhältnis.

Arbeitszeugnisse werden in einfache und qualifizierte Zeugnisse unterschieden. Der Arbeitnehmer kann zwischen beiden Arten frei wählen. Auch wenn der Arbeitnehmer sich zunächst für ein einfaches Zeugnis entschieden hatte, kann er seinen Wunsch (kurze Zeit) später noch einmal ändern und ein qualifiziertes Zeugnis verlangen.

Beginnt der Arbeitnehmer eine Elternzeit, so hat der Arbeitgeber auf Wunsch des Mitarbeiters ein Zwischenzeugnis auszustellen.

Hat der Arbeitgeber das Zeugnis ausgefertigt, so hat er den Arbeitnehmer darüber zu informieren. Dieser muss das Zeugnis beim Arbeitgeber abholen, ein Anspruch auf Versenden besteht nicht, es sei denn der Wohnort des Arbeitnehmers befindet sich in einiger Entfernung vom Arbeitsort.

Ist der Arbeitnehmer mit dem Inhalt nicht einverstanden, so kann er die Ausfertigung eines neuen Zeugnisses verlangen und dies gerichtlich durchsetzen. Er hat keinen Anspruch darauf, dass ihm das zugesandte Zeugnis ungefaltet zugesandt wird.

2 Einfaches Zeugnis

In einem einfachen Zeugnis werden nur die Art der Beschäftigung und die Dauer der Betriebszugehörigkeit bestätigt. Die Beschreibung der Beschäftigungsart und der von dem Arbeitnehmer übernommenen Aufgaben hat dabei konkret und ausführlich zu erfolgen. Erwähnt werden muss, ob der Arbeitnehmer einzelne Tätigkeiten selbstständig ausführte oder die Verantwortung innehatte.

Übte der Mitarbeiter im Laufe der Betriebszugehörigkeit verschiedene Tätigkeiten aus, so sind diese in der zeitlichen Reihenfolge zu erwähnen. Auch der Besuch von Fortbildungsveranstaltungen ist anzugeben.

3 Qualifiziertes Zeugnis

3.1 Allgemein

In einem qualifizierten Zeugnis werden zusätzlich sowohl die fachlichen Leistungen als auch das Sozialverhalten des Arbeitnehmers beurteilt. Das Zeugnis muss sowohl sachlich als auch wohlwollend verfasst sein und die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses beschreiben. Einzelne (positive wie auch negative) Vorkommnisse, die die Leistung des Arbeitnehmers im Gesamtverlauf nicht beeinflusst haben, sind nicht darzustellen.

Bei der Erstellung des Inhalts hat der Arbeitgeber einen Beurteilungsspielraum. Aber: Das Recht des Arbeitgebers, selbst darüber zu entscheiden, ob er bestimmte Leistungen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers hervorhebt, wird durch die gesetzlichen Gebote der Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit begrenzt:

»Im Rahmen der Zeugnisklarheit ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält (Zeugniswahrheit). Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere« (LAG Düsseldorf 29.11.2017 – 12 Sa 936/16).

  • Die in dem Zeugnis genannten Aussagen müssen der Wahrheit entsprechen (Zeugniswahrheit).

    Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erstreckt sich auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann.

  • Das Gebot der Zeugnisklarheit ist nach § 109 Absatz 2 GewO gesetzlich normiert. Danach muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

Ist es für Arbeitnehmer einer Branche oder einer Berufsgruppe üblich, bestimmte positive Eigenschaften oder Leistungen hervorzuheben, dann muss diesem Brauch auch im Zeugnis Rechnung getragen werden (BAG 12.08.2008 – 9 AZR 632/07).

Beispiel:

»Im Bundesland Nordrhein-Westfalen besteht keine tatsächliche Übung (allgemeiner Zeugnisbrauch) im Zeugnis einer Assistenzkraft mit Aufgaben des Sekretariatsbereichs eines Partners einer Rechtsanwaltskanzlei mit internationaler Ausrichtung, die Arbeitseigenschaft »selbstständig« zu erwähnen. Fehlt in einem ansonsten guten bis sehr guten Arbeitszeugnis dieses Wort, kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Assistenzkraft nur unterdurchschnittlich selbständig gearbeitet hat« (LAG Düsseldorf 29.11.2017 – 12 Sa 936/16).

3.2 Aufbau

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist wie folgt aufzubauen:

  • Überschrift/Datum (spätestens letzter Betriebszugehörigkeitstag)

  • Angaben zur Person, Beruf und der Beschäftigungsdauer

  • Tätigkeitsbeschreibung

  • Leistungsbeurteilung mit folgenden Inhalten:

    • Arbeitsbereitschaft

    • Fähigkeiten/Kenntnisse

    • Arbeitsweise

    • Arbeitserfolg

    • ggf. Führungskompetenzen

    • Zusammenfassende Beurteilung der Leistung

  • Verhaltensbeurteilung

  • Dank für die Zusammenarbeit/Bedauern über das Ausscheiden

3.3 Inhalt

3.3.1 Grundsätze

Im Laufe des Arbeitsverhältnisses erteilte Abmahnungen und die ihnen zugrunde liegende Sachverhalte sind, selbst wenn sie zur Kündigung geführt haben, nicht zu erwähnen. Die Benutzung von Geheimzeichen oder widersprüchlichen Aussagen ist unzulässig.

Ohne ausdrückliche Genehmigung des Arbeitnehmers ist die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in beiden Zeugnisarten nicht aufzunehmen. Ebenso sind die Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub oder Elternzeit nicht zu erwähnen. Etwas anderes gilt nach dem Urteil BAG 10.05.2005 – 9 AZR 261/04, wenn sich die Elternzeit angesichts der Dauer der Betriebszugehörigkeit als eine wesentliche Unterbrechung der Arbeitstätigkeit darstellt.

Aufzunehmen sind:

  • sämtliche, mit der Tätigkeit zusammenhängende Qualifikationen

  • Beförderungen

  • Ehrlichkeit, sofern diese für die Tätigkeit von Bedeutung ist (Kassierer)

Nicht enthalten sein dürfen:

Die Benotung der Arbeitsleistung erfolgt durch eine allgemein anerkannte Bewertung der Zufriedenheit des Arbeitgebers mit der Arbeitsleistung (vollste, stets volle, volle etc.). Nach der verbreiteten Definition der Schulnoten soll die Note »befriedigend« erteilt werden, wenn die Leistung im Allgemeinen den Anforderungen entspricht. Dagegen wird mit »gut« bewertet, wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht. Ein »sehr gut« ist zu erteilen, wenn die Leistung den Anforderungen in besonderem Maße entspricht.

3.3.2 Rechtsprechung

Mit der Formulierung »kennen gelernt« bringt der Arbeitgeber nicht zum Ausdruck, dass die im Zusammenhang angeführten Eigenschaften tatsächlich nicht vorliegen (BAG 15.11.2011 – 9 AZR 386/10).

Auch das Fehlen der allgemein üblichen Schlussformulierungen »Wir danken für die gute Zusammenarbeit und wünschen Herrn/Frau … für die Zukunft alles Gute« oder »Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau…« beinhaltet eine Wertung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 20.02.2001 – 9 AZR 44/00) hat der Arbeitnehmer auf eine derartige Schlussformel keinen Anspruch.

Aber: Das LAG Mecklenburg Vorpommern hat sich dem zum Teil entgegen gestemmt (LAG Mecklenburg-Vorpommern 02.04.2019 – 2 Sa 187/18):

»Bei konkreten Anhaltspunkten, die darauf hindeuten, dass der Arbeitgeber den ausgeschiedenen Arbeitnehmer durch die Verweigerung der Schlussformel in diesem Sinne schädigen will, kann daher ein Anspruch auf eine verkehrsübliche Schlussformel im qualifizierten Abschlusszeugnis aus § 241 Absatz 2 BGB folgen.«

Enthält das Arbeitszeugnis zwar eine Schlussformel, aber nicht in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Wortlaut, so hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine geänderte Fassung der Schlussformel, sondern nur auf ein Arbeitszeugnis ohne Schlussformel (BAG 11.12.2012 – 9 AZR 227/11).

Im Rahmen des Gebots der Zeugnisklarheit ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht nur in der Formulierung frei, sondern auch in der äußeren Gestaltung des Zeugnistextes. Übertriebene Anforderungen an die Zeugnisästhetik sind nicht anzuerkennen. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer nicht die Erteilung eines Arbeitszeugnisses ohne Silbentrennungen am Zeilenende beanspruchen kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dies erkennbar zur Herabsetzung der Leistungen des Arbeitnehmers genutzt wird. Dafür sind jedoch Anhaltspunkte erforderlich (LAG Baden-Württemberg 27.11.2014 – 3 Sa 21/14).

4 Maßregelungsverbot

Mit dem Urteil BAG 06.06.2023 – 9 AZR 272/22 hat das BAG das Maßregelungsverbot auf ein Arbeitszeugnis angewandt:

»Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Maßregelungsverbot schützt die Willensfreiheit des Arbeitnehmers (…). Dieser soll ohne Angst vor einer Maßregelung durch den Arbeitgeber darüber entscheiden dürfen, ob er die zustehenden Rechte in Anspruch nimmt oder davon absieht. Hat der Arbeitgeber das Maßregelungsverbot verletzt, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass die Benachteiligung durch den Arbeitgeber beseitigt wird. Dabei hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zu stellen, wie er ohne die Maßregelung stände (…).

Die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Arbeitgebers ist zwar bei der Auslegung des § 612a BGB zu berücksichtigen, gibt ihm aber nicht das Recht, die berechtigte Remonstration des Arbeitnehmers zum Anlass zu nehmen, das Arbeitszeugnis zu dessen Nachteil zu ändern. Die Norm des § 612a BGB regelt einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit (vgl. BAG 27. September 2022 – 2 AZR 5/22 – Rn. 14). Weder die Rechtsordnung im Allgemeinen noch die auf Seiten des Arbeitgebers zu berücksichtigenden Grundrechte der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) schützen sittenwidriges Verhalten im Rechtsverkehr.«

5 Öffentlicher Dienst

Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben gemäß § 35 TV-L, § 35 TVöD mit Ausspruch der Kündigung bzw. bei bevorstehender Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf die Erteilung eines vorläufigen Zeugnisses, das bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in ein endgültiges Arbeitszeugnis umzutauschen ist.

Der Anspruch auf die Erteilung bzw. Änderung eines erteilten Arbeitszeugnisses ist gemäß § 37 TV-L, § 37 TVöD innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist geltend zu machen.

6 Berufsausbildung

Auszubildenden ist gemäß § 16 BBiG grundsätzlich ein Zeugnis zu erteilen, der Arbeitgeber muss nicht durch den Auszubildenden ausdrücklich dazu aufgefordert werden. Wird der Auszubildende nicht übernommen, so hat er schon vor der Beendigung der Ausbildungszeit Anspruch auf ein Zwischenzeugnis, mit dem er sich bewerben kann.

7 Verjährung/Verwirkung

Siehe den Beitrag »Arbeitszeugnis - Verjährung und Verwirkung«.

8 Prozessuale Geltendmachung

Der Anspruch auf die Erteilung eines Zeugnisses bzw. die Änderung eines erteilten Zeugnisses kann mit der Klage, ggf. auch im Eilverfahren mit einer einstweiligen Verfügung prozessual geltend gemacht werden.

Aufgrund des subjektiven Leistungsbegriffs ist bei der Beweislast im Rahmen der inhaltlichen Änderung eines qualifizierten Zeugnisses wie folgt zu unterscheiden:

Der Gebührenstreitwert beträgt bei einer Klage auf Zeugniserteilung ein Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers. Macht der Kläger einen Anspruch auf inhaltliche Änderungen geltend, so kann der Streitwert ggf. auf ein halbes Bruttomonatsgehalt reduziert werden, es sei denn es handelt sich um wesentliche Änderungen.

9 Schadensersatzpflicht

Durch die verspätete oder unrichtige Erstellung des Arbeitszeugnisses kann gemäß § 252 BGB eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers begründet werden. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer durch den Ausfall bzw. den unrichtigen Inhalt keine neue Arbeitsstelle oder eine geringer vergütete Arbeitsstelle erhalten und dadurch einen Verdienstausfall erlitten hat.

Die Beweislast obliegt dem Arbeitnehmer, wobei es gemäß § 287 ZPO ausreicht, wenn Tatsachen dargelegt werden, die einen Schadenseintritt wahrscheinlich machen.

metis