Einstweilige Verfügung
Summarisches Eilverfahren im Zivilprozess.
Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung sind: Es bedarf eines
Verfügungsanspruchs:
Jeder Anspruch, der nicht auf Geld gerichtet ist oder in eine Geldforderung übergehen kann.
Beispiele:
Auflassungsvormerkung, Besitzstörung, Rückgabe des Leasingobjekts, Umschreibung eines Titels, Unterlassung einer Handlung.
Beispiel:
Auch der an einem demenziellen Abbausyndrom Leidende muss den Nachweis führen, dass er sich beim Abschluss des beanstandeten Rechtsgeschäfts in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand. Ein die Eigentumsumschreibung im Grundbuch hindernder Verfügungsanspruch lässt sich auch in derartigen Fällen nicht auf die Erwägung stützen, dem drohenden erheblichen Schaden des angeblich Geschäftsunfähigen stehe ein nur geringer Nachteil des Vertragspartners gegenüber (OLG Koblenz 29.01.2015 - 5 U 1389/14).
und
eines Verfügungsgrundes:
Eine Entscheidung im Eilverfahren muss notwendig sein, weil der Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren zu lange dauern würde und dadurch eine Rechtsvereitelung eintreten könnte oder weil eine vorläufige Regelung zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig ist (d.h. besondere Gefährdung des zu sichernden Anspruchs).
Dabei erfordert der Verfügungsgrund sowohl ein Zeit- als auch ein Umstandsmoment:
An dem Verfügungsgrund fehlt es, wenn die Zeitdimension des Hauptverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und Rechtsdurchsetzung bietet, wenn mit anderen Worten dem Antragsteller auch mit der späteren Realisierung seines Rechts gedient ist. Ein Verfügungsgrund besteht bei konkreten Anhaltspunkten für eine bevorstehende Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot, dagegen nicht schon, trotz bestehender Wiederholungsgefahr, allein wegen der vergangenen Zuwiderhandlung (OLG Düsseldorf 06.01.2015 - I-16 W 92/14).
Die Erforderlichkeit einer Eilentscheidung muss zudem in Bezug auf den konkreten Streitgegenstand dargelegt und glaubhaft gemacht werden (Umstandsmoment).
Beispiele:
Baubeginn, Verkauf, Verarbeitung einer Sache.
Beispiel:
Sicherheitsleistung - Baurecht: Die für den Verfügungsgrund erforderliche Eilbedürftigkeit ist dann als entfallen anzusehen, wenn sich der Unternehmer nach Beendigung seiner Arbeiten mehr als 18 Monate Zeit lässt, seine Schlussrechnung zu erstellen, und nach Erstellung der Schlussrechnung weitere 14 Monate zuwartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Der Verfügungsgrund lebt trotz der Absicht des Auftraggebers, sein Baugrundstück zu veräußern, nicht wieder auf, wenn zwischen den Parteien bereits seit Längerem Streit über die Vergütungsforderung des Unternehmers bestand (OLG Celle 05.03.2015 - 13 U 12/15).
Anforderungen der Rechtsprechung:
Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen (so u.a. BVerfG 03.06.2020 - 1 BvR 1246/20) geurteilt, dass es die prozessuale Waffengleichheit als Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Zivilprozess gebietet, "in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen (...). Entbehrlich ist eine vorherige Anhörung nur in Ausnahmefällen. Voraussetzung der Verweisung auf eine nachträgliche Anhörung ist, dass sonst der Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens vereitelt würde (...). Von der Frage der Anhörung und Einbeziehung der Gegenseite zu unterscheiden ist die Frage, in welchen Fällen über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann. (...). Über eine einstweilige Verfügung wird in äußerungsrechtlichen Angelegenheiten gleichwohl angesichts der Eilbedürftigkeit nicht selten zunächst ohne mündliche Verhandlung entschieden werden müssen. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung berechtigt aber nicht ohne weiteres dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag aus dem Verfahren herauszuhalten (...). Nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit kommt eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag vielmehr grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu erwidern."