Sicherheitsleistung - Baurecht
1 Einführung
Im Rahmen eines Bauvertrags haben sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber ein Sicherungsbedürfnis. Dabei bestehen neben den allgemeinen Sicherungsformen folgende spezielle Regelungen für die Sicherheitsleistung im Baurecht:
Für den Auftraggeber: Sicherheitsleistung gemäß § 17 VOB/B (siehe unten)
Für den Auftragnehmer:
Bauhandwerkersicherung (siehe unten)
Forderungssicherung des Werkvertrags durch Abschlagsszahlungen
Sicherungshypothek des Bauunternehmers nach § 650e BGB
2 Sicherheitsleistung gemäß § 17 VOB/B
Die Sicherheitsleitung muss im Bauvertrag VOB/B ausdrücklich vereinbart werden. Rechtsgrundlage der Sicherheitsleistung sind dann die §§ 232 - 240 BGB, es sei denn, dass in § 17 Abs. 2 - 8 VOB/B abweichende Regelungen bestehen.
3 Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB
3.1 Allgemein
Die Bauhandwerkersicherung ist das Sicherungsrecht des Bauwerkunternehmers für seine finanziellen Vorleistungen für die Bauwerke, Außenanlagen oder Teile davon. Sie ist eine Form der Forderungssicherungen für Werkverträge.
Bauwerkunternehmer ist jeder, der mit dem Besteller einen Werkvertrag über die Herstellung des Bauwerks oder eines Teils davon geschlossen hat, also auch der Architekt.
3.2 Gesicherte Leistung
Das Sicherungsrecht bezieht sich, anders als die Sicherungshypothek des Bauunternehmers nach § 650e BGB, nur auf die Vorleistungen. Vorleistungen sind alle bereits erbrachten Leistungen, aber noch nicht vergüteten Leistungen sowie die noch zu erbringenden Werkleistungen.
Der Unternehmer kann gemäß § 650f BGB von dem Besteller Sicherheit für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung verlangen. Aber: "Der Anspruch auf Vergütung für nicht erbrachte Leistungen kann nicht durch eine Bauhandwerkersicherungshypothek gesichert werden" (KG Berlin 24.07.2018 - 7 U 134/17).
Zusatzaufträge:
"Sicherheit kann auch für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung verlangt werden: Einem Auftragnehmer können - bei Vereinbarung der VOB/B - nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B in Verbindung mit § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B zusätzliche Vergütungsansprüche auch dann zustehen, wenn die in diesen Bestimmungen vorgesehene Vereinbarung über den neuen Preis beziehungsweise über die besondere Vergütung nicht zustande kommt. Der Auftragnehmer kann dann unmittelbar den Vergütungsanspruch einklagen; er ist unter Berücksichtigung der Vorgaben der VOB/B zu ermitteln. Der Anspruch entsteht mit der Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B durch den Auftraggeber (BGH 20.10.2022 - VII ZR 154/21).
Ersatzansprüche:
Der Sicherungsanspruch gilt auch für solche Ansprüche, die an die Stelle des Vergütungsanspruchs treten (z.B. der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung).
3.3 Höhe
Die Höhe der Sicherheitsleistung ist auf den voraussichtlichen Vergütungsanspruch begrenzt. Die zu erwartende Vergütung für zusätzliche oder geänderte Arbeiten kann in den für die Sicherheitsleistung verlangten Betrag miteinbezogen werden. Rundungen sind zulässig.
Es bestehen folgende Grundsätze:
Die Sicherheitsleistung kann nicht nur für die Vorleistungen, sondern auch für die dazugehörigen Nebenforderungen verlangt werden. Diese sind dabei gemäß § 650f Abs. 1 BGB mit 10 % des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen.
Kündigt der Besteller den Werkvertrag, um der Sicherheitsleistung zu entgehen, hat er dem Unternehmer den Vertrauensschaden gemäß § 650f Abs. 5 BGB zu ersetzen.
Kündigt der Besteller den Werkvertrag in zeitlichem Zusammenhang mit dem Sicherheitsverlangen, so besteht eine vom Besteller widerlegbare Vermutung dafür, dass die Kündigung zur Vermeidung der Sicherheitszahlung erfolgt.
Das KG Berlin hat nunmehr für die Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung durch das Gericht wie folgt bestimmt (KG Berlin 15.06.2018 - 21 U 140/17):
"Klagt ein Bauunternehmer auf eine Sicherheitsleistung nach § 648a Abs. 1 S. 1 BGB a.F., deren Höhe zwischen den Parteien umstritten ist, so ist sie durch das Gericht ohne Beweisaufnahme nach freier Überzeugung festzusetzen (§ 287 Abs. 2 ZPO). Dabei kann das Gericht auf einen Betrag erkennen, der unterhalb der vom Unternehmer schlüssig dargelegten Höhe der zu sichernden Vergütungsforderung liegt."
3.4 Keine Anspruchshindernisse
Der Anspruch auf Erteilung der Bauhandwerkersicherung besteht auch dann, wenn der Besteller Erfüllung verlangen oder Mängelrechte geltend machen kann. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/511) war sich der Gesetzgeber hierbei bewusst, dass der Besteller auch dann Sicherheit leisten muss, wenn der Unternehmer mangelhaft gearbeitet hat oder das Verlangen nach Sicherheit erstmals nach einer Mängelrüge geltend macht.
Der Besteller kann allerdings nicht daran gehindert werden, mit möglichen Schadensersatzansprüchen gegen den Vergütungsanspruch aufzurechnen und so den Vergütungsanspruch, der abgesichert werden soll, zu reduzieren. Dies soll aber keinen Einfluss auf die Höhe des Sicherungsanspruchs haben, es sei denn, der Anspruch, mit dem der Besteller aufrechnet, ist unstreitig oder rechtskräftig festgestellt.
3.5 Befreiungen
Ausnahmen vom Anwendungsbereich sind in § 650f Abs. 6 Nrn. 1 und 2 BGB geregelt:
Gemäß § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB sind ausgenommen Verträge von Verbrauchern, die einen Verbraucherbauvertrag sowie einen Bauträgervertrag zum Gegenstand haben.
Der Anwendungsbereich der Norm wurde insoweit erweitert, als dass auch Verträge eines Verbrauchers über den Bau eines Mehrfamilienhauses vom Verbraucherprivileg erfasst. Auch für diese Verträge gelten die Argumente, die für das Verbraucherprivileg sprechen.
Nicht in den Anwendungsbereich des Verbraucherprivilegs aufgenommen werden hingegen von Verbrauchern geschlossene Werkverträge, die keine Verbraucherbauverträge oder Bauträgervertrag sind. Hierbei wird es sich in der Regel um Verträge über kleinere Baumaßnahmen (zum Beispiel Wiederherstellungsmaßnahmen, kleinere Umbaumaßnahmen) handeln.
Ein Rechtsanwalt und Steuerberater, der Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten an einem Haus ausführen lässt, das in erster Linie der Deckung seines Wohnbedarfs und in untergeordnetem Umfang auch dem Betrieb seiner Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei dient, ist nicht zur Stellung einer Bauhandwerkersicherheit verpflichtet (BGH 10.03.2016 - VII ZR 214/15).
3.6 Angemessene Frist
Die Vorgabe, dass das Sicherungsverlangen innerhalb einer angemessenen Frist zu erfolgen hat, ist nicht ausdrücklich als Anspruchsvoraussetzung genannt, wird jedoch in § 650f Abs. 5 BGB vorausgesetzt.
Der BGH hatte in dem Urteil BGH 31.03.2005 - VII ZR 346/03 zur Angemessenheit der Frist Stellung genommen: Danach ist eine Frist angemessen, innerhalb derer der Besteller die Sicherheit ohne schuldhaftes Zögern beschaffen kann. Zur Beurteilung, was von einem Besteller verlangt werden kann, ist auf einen Besteller abzustellen, der sich in normalen finanziellen Verhältnissen befindet.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit muss auch in die Erwägung einfließen, ob die Rechtslage klar ist. Der BGH (BGH 20.12.2010 - VII ZR 22/09) führt dazu aus: "Ist eine unklare Rechtslage etwa dadurch geschaffen worden, dass der Unternehmer sich weigert, nach dem Vertrag noch geschuldete Vorleistungen ohne zusätzliche Vergütung zu erbringen, und die Höhe der Sicherheit mangels verlässlicher Angaben in der Anforderung der Sicherheit noch durch den Besteller ermittelt werden muss (...), kann es geboten sein, eine längere Frist zu setzen. Bei der Fristsetzung muss berücksichtigt werden, dass in einem solchen Fall möglicherweise eine anwaltliche Beratung notwendig ist. Auch muss darauf Rücksicht genommen werden, dass die Beschaffung einer Bürgschaft jedenfalls nicht an Wochenenden möglich ist und auch nicht an einem Feiertag, der in die Frist fällt. Bleiben danach (...) nur fünf Werktage, dürfte eine Frist zur Stellung einer Sicherheit, wenn keine anderweitige Ankündigung des Sicherungsverlangens vorausgegangen ist, regelmäßig zu kurz sein."
Beurteilungsmaßstab für die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist § 326 BGB. Ob die Dauer der Nachfrist angemessen ist, hängt vom Einzelfall ab. Anhaltspunkte sind 7 bis 10 Tage. Haben die Parteien eines Bauvertrages mehrere Wochen lang über eine Absicherung des Unternehmers verhandelt und ist eine von diesem gesetzte Frist zur Leistung einer Sicherheit mehrfach einvernehmlich verlängert worden, so ist eine Nachfrist von zehn Tagen auch dann angemessen, wenn in diese Zeit ein Wochenende und ein Feiertag fallen (OLG Köln 01.03.2013 - 19 U 117/12).
4 Sicherheitsleistung nach der Abnahme sowie nach der Kündigung
Der BGH hatte dem Bauwerkunternehmer auch noch nach der Abnahme das Recht zuerkannt, die Sicherungsleistung zu verlangen (BGH 22.01.2004 - VII ZR 68/03). Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Besteller nach der Abnahme seinen Anspruch auf Mängelbeseitigung geltend machte. Diese Rechtsprechung ist nunmehr auch im Gesetz gesetzlich verankert.
Auch nach einer Kündigung des Bauvertrags kann der Unternehmer die Sicherheit verlangen. Er hat aber auch hier die ihm nach der Kündigung zustehende Vergütung schlüssig darzulegen. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des dargelegten Vergütungsanspruchs streitig, ist dem Unternehmer für seine schlüssig dargelegte Vergütung eine Sicherheit ohne Klärung der Streitfragen zu gewähren. Anderes gilt, wenn die Klärung der Streitfragen nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt (BGH 06.03.2014 - VII ZR 349/12).
5 Geltendmachung des Anspruchs
Bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Gewährung einer Bauhandwerkersicherung kann der Unternehmer entscheiden, ob er bei Nichterfüllung des Sicherungsanspruchs klagt oder den Vertrag kündigt.