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Berufsausbildungsverhältnis

 Normen 

BBiG

BT-Drs. 19/10815 (zu den am 01.01.2020 in Kraft getretenen Änderungen)

JArbSchG

TVAöD (BBiG), TVAöD (Pflege)

TVA-L BBiG

TVA-L Pflege

Schulordnungen der Länder

 Information 

1. Allgemein

Das Berufsausbildungsverhältnis ist ein Vertragsverhältnis, das unter besonderer gesetzlicher Aufsicht steht und den Arbeitgeber zur Berufsausbildung verpflichtet.

Ziel der Berufsausbildung ist gemäß § 1 Abs. 2 BBIG die Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeiten.

Lernorte der Berufsbildung umfassen gemäß § 2 Abs. 1 BBIG

  • die betriebliche Ausbildung

  • die schulische Ausbildung

  • die außerbetriebliche Ausbildung

Damit ist die schulische Ausbildung der betrieblichen Ausbildung gleichgestellt. Ziel ist es, die Chancen von Auszubildenden zu verbessern. Absolventen vollzeitschulischer und sonstiger Berufsbildungsgänge sind zur Kammerprüfung zuzulassen.

2. Rechtsgrundlagen

Rechtsgrundlage des Berufsausbildungsverhältnisses sind das BBiG, bei Minderjährigen ergänzt durch das Jugendarbeitsschutzgesetz. Im öffentlichen Dienst sind es die Tarifverträge zur Berufsausbildung, so der TVAöD (BBiG), der TVAöD (Pflege), der TVA-L BBiG sowie der TVA-L Pflege.

Zum 01.01.2020 ist eine überarbeitete Fassung des BBiG in Kraft getreten, mit der die Bundesregierung das Ziel verfolgt, die duale berufliche Bildung in Deutschland zu modernisieren und zu stärken.

3. Abschluss des Ausbildungsvertrages

Wenn der Auszubildende noch nicht volljährig ist und somit juristisch noch nicht voll geschäftsfähig, muss der Ausbildungsvertrag von beiden Eltern als gesetzliche Vertreter unterschrieben werden. Nur die Unterschrift des Jugendlichen oder nur eines Elternteils würde zur Nichtigkeit des Vertrages führen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn das Sorgerecht ausschließlich nur bei einem Elternteil besteht, so ist dieser allein vertretungsberechtigt und kann den Vertrag auch allein unterzeichnen.

§ 113 BGB, nach dem der Minderjährige von seinen gesetzlichen Vertretern zur Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses bevollmächtigt werden kann, ist auf den Abschluss eines Ausbildungsvertrages nicht anwendbar.

Bei der Einstellung eines noch minderjährigen Auszubildenden müssen zudem die Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes beachtet werden. Diese enthalten für Jugendliche besondere Schutzvorschriften hinsichtlich der Arbeitszeit, Mindestpausenzeiten, Mindesturlaubstage usw. Ebenso ist bei minderjährigen Auszubildenden eine Bescheinigung über eine medizinische Erstuntersuchung des Auszubildenden, die nicht mehr als vierzehn Monate zurückliegt, zusammen mit den anderen Unterlagen an die jeweils zuständige Berufskammer zu schicken.

§ 10 Abs. 2 BBIG eröffnet die Möglichkeit einer AGB-Kontrolle auch im Berufsausbildungsverhältnis (BAG 12.02.2015 - 6 AZR 831/13).

4. Probezeit

Siehe insofern den Beitrag "Probezeit".

5. Eignung des Ausbildungsbetriebes

Die Ausbildung von Auszubildenden erfordert gemäß § 28 BBIG eine persönliche und fachliche Eignung.

6. Ausbildungsdauer

Das Ausbildungsverhältnis dauert in den meisten Fällen drei Jahre und endet automatisch am Ende des Monats, in dem der Auszubildende seine Abschlussprüfung bestanden hat. Eine besondere Kündigung ist nicht nötig.

Besteht der Auszubildende die Abschlussprüfung nicht, hat er gemäß § 14 Abs. 3 BBIG einen Anspruch auf Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses bis zur nächsten Prüfungsmöglichkeit. Der Anspruch entsteht mit der Kenntnis des Auszubildenden vom Nichtbestehen der Abschlussprüfung. Er muss jedoch grundsätzlich während der Ausbildungszeit geltend gemacht werden. Wird er erst nach Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit geltend gemacht, so ist gemäß BAG 23.09.2004 - 6 AZR 519/03 die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses nur dann möglich, wenn der Anspruch unverzüglich nach dem Ende des Ausbildungsverhältnisses geltend gemacht wurde.

Wird der Auszubildende jedoch nach dem Ende des Ausbildungsverhältnisses (und bestandener Prüfung) ohne eine anderslautende Vereinbarung weiterbeschäftigt, so gilt gemäß § 24 BBIG ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet.

Nach dem Ende des Ausbildungsverhältnisses hat der Arbeitgeber dem Auszubildenden unaufgefordert ein Arbeitszeugnis auszustellen. Wird der Auszubildende nicht übernommen, so hat der Arbeitgeber dem Auszubildenden auf Wunsch für Bewerbungszwecke ein Zwischenzeugnis auszufertigen.

Die Ausbildungsdauer kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 BBiG verkürzt oder verlängert werden.

7. Ausbildungsvergütung

Die Grundsätze der Ausbildungsvergütung sind in § 17 BBiG geregelt. Danach haben Ausbildende den Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Die Vergütung steigt mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich, an.

Mit dem neuen Absatz 2 wird eine Mindestvergütung für Auszubildende gesetzlich festgeschrieben. Die Mindestvergütung soll gemeinsam mit den nachfolgenden Absätzen in einem austarierten System Auszubildende besser als durch die vormalige Generalklausel vor Vergütungen schützen, die als nicht mehr angemessen angesehen werden können. Die Mindestvergütung konkretisiert die Verpflichtung von Betrieben, eine "angemessene" Ausbildungsvergütung zu zahlen.

Die Vergütung muss im Ausbildungsvertrag konkret bestimmt werden, sie darf nicht von bestimmten oder bestimmbaren Ergebnissen abhängig gemacht werden und muss entsprechend § 18 BBiG monatlich ausgezahlt werden.

Absatz 4 sichert oberhalb der Mindestvergütung zusätzlich den bestehenden Mechanismus aus der Rechtsprechung zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung gesetzlich ab. Nach Absatz 4 ist die Angemessenheit der vereinbarten Vergütung auch dann, wenn sie die Mindestvergütung nach Absatz 2 nicht unterschreitet, in der Regel ausgeschlossen, wenn sie die Höhe der in einem Tarifvertrag geregelten Vergütung, in dessen Geltungsbereich das Ausbildungsverhältnis fällt, an den der Ausbildende aber nicht gebunden ist, um mehr als 20 % unterschreitet. Voraussetzung für das Eingreifen der Regelung ist, dass ein Tarifvertrag eine Ausbildungsvergütung regelt und dieser Tarifvertrag für das in Rede stehende Ausbildungsverhältnis unmittelbar gelten würde, wenn der Ausbildende tarifgebunden wäre (vgl. § 3 TVG). In einem solchen Fall ist eine vereinbarte Ausbildungsvergütung in der Regel nicht angemessen, wenn sie die in dem einschlägigen Tarifvertrag geregelte Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % unterschreitet.

Hintergrund ist:

Das BAG hatte zur Prüfung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung folgende Grundsätze aufgestellt (BAG 16.05.2017 - 9 AZR 377/16):

"Die in § 17 BBiG geregelte Ausbildungsvergütung hat regelmäßig drei Funktionen. Sie soll den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang "entlohnen" (st. Rspr., zuletzt BAG 29. April 2015 - 9 AZR 108/14). (...) Die Ausbildungsvergütung ist nicht schon dann angemessen, wenn sie einen erheblichen Beitrag zum Lebensunterhalt des Auszubildenden leistet. Sie hat nach dem im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers im Regelfall weitere Zwecke. (...)

Das Ergebnis von Tarifverhandlungen berücksichtigt hinreichend die Interessen beider Seiten. Es hat die Vermutung der Angemessenheit für sich (...). Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, gilt deswegen stets als angemessen. Eine Ausbildungsvergütung ist demgegenüber in der Regel nicht angemessen i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreitet."

8. Berufsschule

Die Berufsschulbesuchspflicht ist in den Schulgesetzen geregelt. Da das Schulrecht der Ländergesetzgebung unterliegt, gibt es in einigen Bundesländern unterschiedliche Regelungen.

Eine Berufsschulbesuchspflicht besteht in allen Ländern für die minderjährigen Auszubildenden. Entscheidet sich der volljährige Auszubildende freiwillig für den Besuch der Schule, ist er zu einem regelmäßigen Besuch des Unterrichts sowie auch der Befolgung der weiteren schulischen Anordnungen verpflichtet. Entscheidet sich ein nicht mehr berufsschulpflichtiger Auszubildender gegen den Besuch der Berufsschule, so ist er verpflichtet, auch an den Berufsschultagen im Betrieb zu arbeiten.

Wird die Berufsschule besucht, ist der Auszubildende gemäß § 15 BBIG an den Schultagen von der Arbeit freizustellen, jedoch gelten für minderjährige und für volljährige Auszubildende unterschiedliche Regelungen: Nach dem Ende des Unterrichts hat der volljährige Auszubildende wieder zur Arbeitsaufnahme in den Betrieb zurückzukehren, es sei denn die verbleibende Arbeitszeit würde in keinem Verhältnis zur Fahrtdauer von der Berufsschule zur Arbeitsstätte stehen. Anders ist es nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz bei einem minderjährigen Auszubildenden.

Freistellung von der Arbeit für den Berufschulunterricht:

Die Pflichten des Ausbilders zur Freistellung des Auszubildenden sind in § 15 BBiG geregelt. So dürfen z.B. Ausbildende Auszubildende vor einem vor 9 Uhr beginnenden Berufschulunterricht nicht beschäftigen.

9. Teilzeitberufsausbildung

Durch den zum 01.01.2020 neu eingefügten § 7a BBiG wird die Regelung zur Teilzeitberufsausbildung inhaltlich erweitert und damit gestärkt. Nunmehr entfällt die Notwendigkeit eines "berechtigten Interesses" für eine Teilzeitberufsausbildung.

Die Neuregelung öffnet die Teilzeitberufsausbildung damit auch für Personen, die nicht die bisher anerkannten Gründe wie Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen vorweisen können. So kann für Menschen mit Behinderung eine Teilzeitberufsausbildung eine Option anstelle einer Ausbildung nach § 66 BBiG darstellen. Teilzeit kommt auch für Personen in Betracht, die das Ausbildungsziel in einer gekürzten Ausbildungszeit voraussichtlich nicht erreichen würden.

Die Teilzeitregelung kann sich dabei auch auf einen bestimmten Zeitraum beschränken oder nach Ausbildungsbeginn durch Vertragsänderung vereinbart werden. Die Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit wird nach Absatz 1 Satz 3 auf 50 % begrenzt.

Bei der Teilzeitberufsausbildung vereinbaren die Parteien systematisch eine zeitliche Streckung der Ausbildungsdauer. Das Ende der Ausbildung verschiebt sich kalendarisch nach hinten. Vereinbaren Betriebe und Auszubildende zum Beispiel bei einer nach der Ausbildungsordnung dreijährigen Ausbildung für den gesamten Ausbildungszeitraum gleichbleibend eine Reduzierung der Ausbildungszeit um 25 %, verschiebt sich das Ende der Ausbildung kalendarisch um etwa ein Jahr. Gleichzeitig jedoch begrenzt Absatz 2 Satz 1 die Dauer der Teilzeitberufsausbildung für den Regelfall auf höchstens das Eineinhalbfache der nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 in der Ausbildungsordnung für eine Berufsausbildung in Vollzeit festgelegten Ausbildungsdauer.

10. Auslandsaufenthalt

Der Auszubildende kann gemäß § 2 Abs. 3 BBIG einen Teil seiner Ausbildung im Ausland absolvieren, wenn dies dem Ausbildungsziel dient. Die Dauer soll jedoch ein Viertel der Ausbildungsdauer nicht überschreiten.

Dabei kann auch der Auslandsaufenthalt gemäß § 58 SGB III von der Agentur für Arbeit gefördert werden.

11. Kündigung des Ausbildungsverhältnisses

Siehe den Beitrag "Berufsausbildung - Kündigung".

12. Abweichende Vereinbarungen

Nach § 25 BBiG ist eine Vereinbarung, die zuungunsten Auszubildender von den Vorschriften des BBiG abweicht, nichtig. Ob eine Abweichung zuungunsten des Auszubildenden wirkt, ist objektiv zu bestimmen. Es sind die in einem offensichtlich inneren Zusammenhang stehenden vertraglichen Bestimmungen mit den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften im Hinblick auf die Lage des Auszubildenden miteinander zu vergleichen. Damit sind nicht nur die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen einander gegenüberzustellen. Vielmehr sind auch die weiteren im innerem sachlichen Zusammenhang stehenden Regelungen während und nach Ablauf der Probezeit in den Günstigkeitsvergleich einzubeziehen (BAG 09.06.2016 - 6 AZR 396/15).

13. Duldung durch Berufsausbildung

Ein abgelehnter Asylbewerber hat gemäß § 60c AufenthG Anspruch auf eine Duldung wenn er eine Berufsausbildung durchführt.

 Siehe auch 

Arbeitsförderung junge Arbeitslose

Auszubildende - Interessenvertretung

Berufsausbildungsförderung

Bundesinstitut für Berufsbildung

Fachliche Eignung Berufsausbildung

Fortbildung

Jugend- und Auszubildendenvertretung

BAG 14.01.2009 - 3 AZR 427/07 (Prüfung erst nach Ende der vereinbarten Ausbildungszeit)

BAG 23.09.2004 - 6 AZR 519/03 (Anspruch auf Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses)

BAG 21.09.1995 - 5 AZR 994/94

BGH 12.06.1991 - XII ZR 163/90

BGH 24.10.1990 - XII ZR 124/89

Bährle: Befristung nach Abschluss der Berufsausbildung; Recht der Wirtschaft - RdW 2013, 15

Hurlebaus/Baumstümmler/Schulien: Berufsbildungsrecht; Kommentar; Loseblattsammlung

Hommerich: Die Ausbildung von Fachangestellten durch die Anwaltschaft; Anwaltsblatt - AnwBl 2010, 208

Natzel: Das Berufsausbildungsvorbereitungsverhältnis; Der Betrieb - DB 2003, 719

Neugebauer: Sachgerechte Typisierung und Pauschalierung? Oder: Wer profitiert von der Abziehbarkeit von Aufwendungen für die erste Berufsausbildung oder das Erststudium?; Finanz-Runschau-Ertragssteuerrecht - FR 2015, 307

Kostorz: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre!" Rechte und Pflichten in der Berufsausbildung nach dem Pflegeberufegesetz:

  • Teil 1: Rechte und Pflichten der Ausbildungsträger; Gesundheit und Pflege - GuP 2018, 219

  • Teil 2: Rechte und Pflichten der Pflegeschulen; Gesundheit und Pflege - GuP 2018, 174

  • Teil 3: Rechte und Pflichten der Auszubildenden; Gesundheit und Pflege - GuP 2018, 141

Ritzrow: Sprachaufenthalte im Ausland im Rahmen von Au-pair-Verhältnissen. Voraussetzungen für eine Anerkennung als Berufsausbildung; Der Ertrag-Steuer-Berater - EStB 2013, 346