GmbH-Gesellschafterversammlung – Stimmrechtsausschlüsse, Stimmverbote und mögliche Satzungsregelungen

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Jörg Streichert
26.05.2018104 Mal gelesen
Stimmrechtsausschlüssen und Stimmverboten sind im Gesellschaftsrecht von besonderer Bedeutung. Mit ihnen soll verhindert werden, dass Sonderinteressen der einzelnen Gesellschafter die Willensbildung in der Gesellschaft verfälschen.

Stimmrechtsausschlüssen und Stimmverboten sind im Gesellschaftsrecht von besonderer Bedeutung.

Mit meinen Ausführungen möchte ich zum einen die gesetzliche Rechtslage hinsichtlich betroffener Beschlussgegenstände und des Geltungsbereiches des Ausschlusses unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung überblicksmäßig darstellen.

Zum anderen möchte ich Möglichkeiten und Grenzen einer Regelung der Stimmrechtsausschlüsse in GmbH - Satzungen aufzeigen.

 

A. Interessen der Gesellschaft - Interessen des Gesellschafters

Die Willensbildung in der GmbH vollzieht sich durch Beschlüsse, die auf Stimmabgaben der Gesellschafter beruhen. Diese sind durch ihren Zusammenschluss verpflichtet, die Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu fördern. Insoweit hat das Gesellschaftsinteresse Vorrang vor den gesellschaftsfremden Sonderinteressen der Mitglieder.

Davon zu trennen sind diejenigen Interessen, die der einzelne Gesellschafter im Rahmen des gesellschaftlichen Zusammenschlusses verfolgt. Ihre eigenen Interessen brauchen die Gesellschafter zwar nicht hinter diejenigen des Verbandes zurückzustellen, dürfen sie aber nicht anstatt der Verbandsinteressen verfolgen.

Nicht selten tritt jedoch der Fall ein, dass beide Interessensphären miteinander in Widerstreit geraten.

Hier besteht die Gefahr, dass Verbandsmitglieder ihre eigenen Belange voranstellen.

Diese Interessenkollision versucht das Gesellschaftsrecht auf zweierlei Weise zu regeln, zum einen durch die Treuepflicht des Gesellschafters und zum anderen durch den konkreten Stimmrechtsausschuss.

Stimmrechtsausschlüsse sind jedoch auf einzelne normierte Fallkonstellationen beschränkt, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen und zwar das Insichgeschäft und das sogenannte "Richten in eigener Sache".

Gemeinsam ist diesen beiden, dass sie die "Richtigkeitsgewähr" der verbandsinternen Willensbildung zum Ziel haben und die Mitgesellschafter vor einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens bewahren sollen.

Klarzustellen ist, dass dem Gesellschafter - trotz eines Stimmverbots - stets das Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung verbleibt.

Da Stimmrechtsverbote Interessenkollisionen verhindern sollen, kommen sie nicht zum Zuge, wenn solche nicht auftreten können. Hauptfall dafür ist der Einpersonen-?Gesellschafter. Er unterliegt keinem Stimmrechtsverbot.

Praktisch relevant wird der Stimmrechtsausschluss in erster Linie dort, wo Entscheidungen mit Mehrheit gefasst werden und sich das Stimmrecht nach der Größe der Beteiligung richtet.

 

B. Stimmrechtsausschlüsse, Stimmverbote - Fallgruppen und Geltungsbereich

I. Gesetzliche Regelung

Die gesetzliche Regelung des Stimmverbots findet sich im GmbH-?Recht in § 47 Abs. 4 GmbHG:

(4) Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft.

Hierin werden vier Beschlussfälle unterschieden:

  • die Entlastung (Abs. 4 S. 1 Alt. 1),
  • die Befreiung von einer Verbindlichkeit (Abs. 4 S. 1 Alt. 2),
  • die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem Gesellschafter (Abs. 4 S. 2 Alt. 1) und
  • Rechtsstreitigkeiten gegenüber dem Gesellschafter (Abs. 4 S. 2 Alt. 2).

II. Beschlussgegenstände

1. Entlastung des Geschäftsführers

Unter "Entlastung" ist jede Beschlussfassung zu verstehen, mit der die Tätigkeit eines Gesellschaftorgans inhaltlich gebilligt wird.

Es muss sich aber um eine nachträgliche Billigung handeln. Nicht erfasst sind daher Beschlüsse über noch zu treffende Geschäftsmaßnahmen.

Entlastungsbeschlüsse bilden den klassischen Fall des "Richtens in eigener Sache".

Sie sind insoweit die gesetzlich allein geregelte Konstellation. In diese Kategorie gehören aber auch Beschlüsse über Maßnahmen gegen einen Gesellschafter aus wichtigem Grund wie etwa Ausschluss oder Einziehung, auch seine Abberufung als Geschäftsführer.

Bedeutsam ist insoweit, dass die Behauptung eines wichtigen Grundes nicht ausreicht, dieser vielmehr objektiv vorliegen muss.

2. Befreiung eines Gesellschafters von einer Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft

Hiervon umfasst sind alle Verbindlichkeiten eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft, seien sie vertraglicher oder außervertraglicher Art, auf positives Tun oder auf Unterlassen gerichtet.

Erfasst sind neben dem Erlassvertrag oder dem negativen Schuldanerkenntnis auch eine Aufrechnung oder eine Stundung.

Ein besonders wichtiger Fall ist die Befreiung von einem Konkurrenzverbot.

Ausreichend ist eine mittelbare Begünstigung, sodass auch der Bürge des Schuldners vom Stimmrecht ausgeschlossen ist.

3. Rechtsstreit gegenüber Gesellschafter

Hier geht es um die Beschlussfassung über Maßnahmen der Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter.

Der Begriff ist weit zu fassen. Eingeschlossen sind Verfahren jeder Klagart, auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder einstweilige Verfügungen.

Nach zutreffender Ansicht unterfallen bereits vorbereitende Maßnahmen wie die Einholung von Rechtsgutachten ebenfalls dem Stimmverbot.

4. Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit einem Gesellschafter

Erfasst wird jedes Rechtsgeschäft im Sinne des Zivilrechts.

Hierzu rechnen etwa Vertragsabschluss, Kündigung und Anfechtung, aber auch geschäftsähnliche Handlungen wie eine Mahnung.

Vom Grundsatz her handelt es sich hierbei um den Fall des" Insichgeschäfts".

Diese Kategorie ist rechtspolitisch am stärksten umstritten.

Sie sieht sich wegen ihres dogmatisch weiten Anwendungsfeldes erheblichen Eingrenzungsbestrebungen ausgesetzt, worauf ich unter dem Stichwort "Sozialakte" noch näher eingehen möchte.

Gerade im Bezug auf Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit einem Gesellschafter ist eine konkrete Regelung des Stimmverbots durch die Satzung von besonderer Bedeutung.

5. Sozialakte

Ein Sonderkapitel bilden die körperschaftlichen, innergesellschaftlichen Rechtsgeschäfte, die unter dem Etikett "Sozialakte" zusammengefasst werden.

Sozialakte unterliegen nach herrschender Ansicht keinem Stimmverbot.

Als Grund dafür wird vorgetragen, diesen Rechtsgeschäften gebühre dem Partizipationsinteresse der Vorrang vor dem Kollisionsschutz. Bei solchen, die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft betreffenden Beschlüssen ist dem Gesellschafter die Mitwirkung nicht schon zu versagen, wenn der Beschlussinhalt zugleich auf seinen persönlichen Rechtskreis einwirkt.

Praktisch wesentlichster Anwendungsfall ist die eigene Bestellung des Gesellschafters zum Geschäftsführer. Nach herrschender Meinung unterliegen die zugehörigen Entscheidungen über die Anstellungsbedingungen ebenfalls keinem Stimmverbot.

Auch bei der Abberufung kann der Betroffene mitstimmen, es sei denn, die Abberufung erfolge aus wichtigem Grund.

Auch Beschlüsse zu strukturändernden Maßnahmen unterliegen keinem Stimmverbot. Das gilt zunächst für Satzungsänderungen allgemein unter Einschluss von Kapitalerhöhungen, ferner für Auflösungsbeschlüsse.

Als vom Stimmverbot freigestellt werden auch Beschlüsse nach dem Umwandlungsgesetz angesehen.

III. Geltungsbereich des Stimmrechtsausschlusses

1. Mehrere Gesellschafter

Sind mehrere Gesellschafter in gleicher Weise von einem Beschlussgegenstand betroffen, unterliegen sie allesamt dem Stimmverbot.

Das spielt eine besondere Rolle bei der Gesamtentlastung sämtlicher Mitglieder eines Organs.

Schwieriger wird es, wenn eine Einzelentlastung erfolgt. Hier taucht das Problem auf, dass sich die Mitglieder des Organs reihum gegenseitig entlasten.

Ähnlich liegt es, wenn mehrere Gesellschafter von demselben Lebenssachverhalt betroffen sind, etwa im Falle einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung. Dagegen hilft auch keine Aufteilung in einzelne Beschlussgegenstände.

2. Vertreter und Treuhänder

Ist ein Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen, kann er dieses auch nicht für einen anderen ausüben.

Das Stimmrecht kann aber auch nicht durch einen offenen oder verdeckten Vertreter für den vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafter ausgeübt werden.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vertreter Gesellschafter ist oder Dritter. Ein Vertreter ist an der Abstimmung gehindert, wenn der Ausschlusstatbestand nicht den Vertretenen, sondern ihn selbst betrifft. Dann kann der Vertretene das Stimmrecht selbst ausüben.

3. Beteiligte Gesellschaften

Für eine juristische Person, eine Personengesellschaft oder eine sonstige Gesamthandsgemeinschaft als Gesellschafterin, deren Mitglied der vom Interessenkonflikt betroffene Gesellschafter ist, kann das Stimmrecht nicht ausgeübt werden, wenn er eine maßgebliche Beteiligung daran innehat. Das ist dann der Fall, wenn er Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafter oder jedenfalls allein geschäftsführungsbefugt ist.

4. Nähebeziehungen

Nach ganz überwiegender Ansicht soll sich der Stimmrechtsausschluss nicht auf Personen beziehen, die dem Gesellschafter lediglich nahe stehen.

Damit sind einmal Ehepartner, aber auch Eltern oder Kinder gemeint. Ihre Einbeziehung würde zu Rechtsunsicherheit und Abgrenzungsschwierigkeiten führen.

Eine derartige Freistellung schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, dass im Einzelfall eine Umgehung des Stimmverbots oder Stimmrechtsmissbrauch vorliegt.

Wichtig ist es daher, sich bereits bei der Abfassung von Gesellschaftsverträgen oder Satzungen darüber Gedanken zu machen.

IV. Stimmrechtsmissbrauch

Vom Stimmverbot ist der Stimmrechtsmissbrauch deutlich zu unterscheiden:

Unterliegt der Gesellschafter einem Stimmverbot, ist er von der Teilnahme an der betreffenden Beschlussfassung ausgeschlossen. Er hat kein Stimmrecht.

Beim Stimmrechtsmissbrauch geht es dagegen um die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Stimmabgabe, also darum, ob die an sich gegebene Stimmberechtigung im Hinblick auf die Umstände des konkreten Falles missbräuchlich ausgeübt worden ist. In einem solchen Fall wäre die Stimme deshalb bei der Ermittlung des Beschlussergebnisses außer Betracht zu lassen.

Die Missbrauchskontrolle erweist sich als ein geeignetes Instrument, um Verstößen gegen die gesellschafterliche Treupflicht und den Gleichbehandlungsgrundsatz zu korrigieren.

Abzugrenzen ist der Stimmrechtsmissbrauch ferner von Umgehungsfällen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass der vom Stimmrechtsausschluss betroffene Gesellschafter Dritte einschaltet, die dem Stimmverbot an sich nicht unterliegen.

 

C. Mögliche Satzungsregelungen

I. Mittelbare Stimmrechtsausschlüsse

1. Stimmrechtslose Mitgliedschaften

Stimmrechtslose Mitgliedschaften stellen den härtesten Fall des Stimmrechtsausschlusses dar.

Betroffene Gesellschafter sind an Beschlussfassungen jeder Art von vornherein nicht beteiligt.

Im GmbH-?Recht werden stimmrechtslose Anteile allgemein als zulässig angesehen. Der BGH hat sich schon in einer sehr frühen Entscheidung entsprechend geäußert.

2. Mehrstimmrechte

Ein teilweiser Stimmrechtsausschluss, jedenfalls aber eine tatsächliche Begrenzung des Stimmrechts lässt sich durch die satzungsmäßige Gewährung von Mehrstimmrechten an bestimmte Anteilsinhaber erreichen.

Die Stimmkraft der Nichtbegünstigten wird durch eine solche Maßnahme entsprechend geringer.

Bei der GmbH wird dieses Mittel herangezogen, um die Willensbildungsbefugnis von der Kapitalbeteiligung bis zu einem gewissen Grade abzukoppeln.

Anwendungsfälle sind etwa besondere Leistungen für die Gesellschaft oder - beim Generationswechsel - das Ziel, die Kapitalbeteiligung bereits in stärkerem Umfange auf die nachfolgende Generation zu übertragen als die Entscheidungsbefugnisse.

II. Erweiterungen und Konkretisierungen der Stimmrechtsausschlüsse

Gesellschaftsvertragliche Erweiterungen der in § 47 Abs. 4 GmbHG normierten Stimmverbote werden allgemein als zulässig angesehen.

Erweiterungen der Stimmrechtsausschlüsse können sich auf entsprechende Beschlussgegenstände beziehen. So lassen sich etwa strukturändernde Beschlüsse einbeziehen. Hier spielt der Abschluss von Unternehmensverträgen eine Rolle. Gerade in solchen Fällen stellt sich allerdings die Frage, inwieweit dann die Gesellschafterminderheit über die Maßnahme entscheidet.

Ferner kommt eine Regelung dahin in Betracht, dass Gesellschafter auch bei Beschlüssen über ihre Bestellung oder Abberufung als Geschäftsführer generell vom Stimmrecht ausgeschlossen sind.

Möglich ist ebenfalls, den Kreis der von Stimmverbot betroffenen Gesellschafter zu erweitern, etwa festzusetzen, dass die Befangenheit von bestimmten Verwandten die Stimmabgabe ausschließt.

III. Einschränkung der Stimmrechtsausschlüsse

Die gesellschaftsvertragliche Einschränkung des § 47 Abs. 4 GmbHG stellt sehr diffiziles Thema dar.

Hier hat die Beurteilung der Zulässigkeit im Laufe der Rechtsentwicklung eine deutliche Änderung erfahren. Außerdem: Der einschlägige Meinungsstreit ist weiterhin im Gange.

1. Problementwicklung

In der älteren Rechtsprechung und Literatur wurde angenommen, die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 GmbHG seien durch die Satzung abdingbar.

Die oft zitierten Urteile RGZ 89, 367 und RGZ 122, 159 betrafen zwar Insichgeschäfte oder vergleichbare Konstellationen. Diesen Urteilen konnte aber nicht entnommen werden, dass die Abdingbarkeit von § 47 Abs. 4 GmbHG nur auf diese Sachverhalte beschränkt sein sollte.

Heute fällt die Beurteilung ganz überwiegend anders aus. Derzeit lassen sich drei unterschiedliche Positionen festhalten:

  • Einige Stimmen lehnen Einschränkungen des Stimmverbots insgesamt rundweg ab.
  • Die derzeit herrschende Ansicht geht ebenfalls von einem grundsätzlichen Verbot abweichender Satzungsregeln aus, will aber in beschränktem Umfange Ausnahmen zulassen.
  • Vertreten wird aber auch immer noch eine vollständige Gestaltungsfreiheit.

2. Abdingbarkeit des § 47 Abs. 4 GmbHG

Ausgangspunkt der Beurteilung muss die Gestaltungsfreiheit im Innenrecht der GmbH sein, wie sie nach allgemeiner Auffassung in § 45 Abs. 2 GmbHG geregelt ist.

Die Reichweite der Einschränkung von Stimmrechtsausschlüssen ist in jedem konkreten Anwendungsfall zu bestimmen. Hierbei sind stets eine Interessenanalyse und eine Interessenabwägung erforderlich.

Die Gesellschafter einer GmbH sind grundsätzlich gleichrangige Partner. Es stellt sich daher die Frage inwieweit Gesellschafter einen Schutz vor sich selbst benötigen. Eine gesetzliche oder richterliche Einschränkung würde der Satzungsautonomie entgegenstehen.

Gegenüber dem Argument, von einer Willensbildung der Gesellschafter könne nicht mehr gesprochen werden, wenn das Beschlussergebnis von Anfang an feststehe, ist auszuführen, dass das bei allen Mehrheitsentscheidungen so ist und keine spezifische Folge der Aufhebung von Stimmverboten darstellt.

Zu bedenken ist auch, dass die Stimmverbote in § 47 Abs. 4 GmbHG die Geschicke der Gesellschaft in die Hände der Minderheit legen können, nämlich dann, wenn die Mehrheit einem Stimmverbot unterliegt.

Hier hätte dann eine Gesellschaftermehrheit den Beschluss, an dem sie nicht mitwirken durfte, anzugreifen und die Vereinbarkeit des Beschlusses mit der Rechtsordnung sowie dem Verbandsinteresse nachweisen.

Der Prozess würde dann quasi mit "umgekehrten Rubrums" stattfinden.

Schließlich lässt sich fragen, warum es unzulässig sein soll, auf den Schutz durch die Stimmverbote zu verzichten, während man Gesellschafter zulässigerweise in Gestalt stimmrechtsloser Mitgliedschaften von jeder Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft abschneiden kann.

3. Stimmverbote oder materielle Beschlusskontrolle?

Die Grundfrage zur Abdingbarkeit von § 47 Abs. 4 GmbHG geht dahin, ob von vornherein mögliche Interessenkollisionen vermieden werden sollen oder ob es genügt, nachteilige Auswirkungen der Stimmrechtsausübung zu verhindern.

Bei ihrer Beantwortung ist an das vom BGH für Mehrheitsbeschlüsse bei Personengesellschaften entwickelte zweistufige Verfahren anknüpfen:

Danach sind Beschlüsse bei entsprechend klarer gesellschaftsvertraglicher Grundlage zulässig. Die so gefassten Beschlüsse unterliegen aber auf einer zweiten Stufe der inhaltlichen Beschlusskontrolle.

Die Beschlusskontrolle bezieht sich danneinerseits auf die Unwirksamkeit des Beschlusseswegen Fehlens einer erforderlichen Zustimmung der betroffenen Gesellschafter, andererseits auf die Anfechtbarkeit hinsichtlich des Inhalts des Beschlusses.

Dieses Modell ließe sich auf die Konstellation übertragen, dass die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 GmbHG in der Satzung abbedungen sind.

Die Mitgesellschafter sind in einem solchen Falle keineswegs schutzlos:

Eine missbräuchliche Stimmabgabe führt zu Schadenersatzansprüchen seitens der Gesellschaft. Zusätzlich kommen Ansprüche unter dem Gesichtspunkt einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Betracht, wenn sich der Mehrheitsgesellschafter durch den Beschluss einen Vorteil verschafft.

Es mag sein, dass die anderen Gesellschafter mit einer Freistellung vom Stimmverbot die "Prozessführungslast" übernehmen. Warum aber sollten sie sich angesichts solcher Sanktionsrisiken der Stimmberechtigten nicht gesellschaftsvertraglich dazu bereit erklären? "Rechtsfreie Räume" werden auf diese Weise jedenfalls nicht geschaffen.

Unter solchen Umständen lässt sich auch die Zulässigkeit einer vollständigen Freistellung vom Stimmverbot durchaus vertreten.

Dies ist auch der vom BGH gewählte Ansatz, der mit diesem Argument eine entgegenstehende Satzungsklausel als sittenwidrig angesehen und wegen Verstoßes gegen § 138 BGB als nichtig eingestuft hat.

Eine solche Beurteilung wird sich jedoch nicht auf alle vier Fallgruppen des § 47 Abs. 4 GmbHG anwenden lassen Vielmehr ist insoweit eine differenzierte Betrachtung erforderlich.

4. Differenzierung nach Beschlussgegenständen

Folgt man der dargestellten Unterscheidung zwischen "Insichgeschäft" und "Richten in eigener Sache", ist der überwiegenden Ansicht zuzustimmen, dass die Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber dem Gesellschafter vom Stimmverbot ausgenommen werden darf.

So wie man den Geschäftsführer und auch den Gesellschafter-?Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien kann, spricht alles dafür, diese Befreiung nicht nur auf der Geschäftsführungsebene, sondern auch auf der Beschlussebene eingreifen zu lassen.

Anders stellte sich hinsichtlich der Entlastung des Gesellschafter-Geschäftsführers dar. Hier ist mit der herrschenden Meinung jede satzungsmäßige Modifikation zu versagen.

Es bleiben dann die Fälle der Freistellung von einer Verbindlichkeit und des Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter. Beide passen einerseits in die Rubrik des Insichgeschäfts andererseits in diejenige des Richtens in eigener Sache.

Beim Erlass einer Verbindlichkeit ist nach dem Rechtsgrund der Forderung zu trennen und für Schadensersatzansprüche eine Freistellungsmöglichkeit verneinen.

Hinsichtlich der Rechtsstreitigkeiten ist danach unterscheiden, ob der Gesellschafter Betroffener oder lediglich Beteiligter ist.

Eine eindeutige gesetzliche Grundlage fehlt. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt derzeit noch nicht vor. Das gleiche gilt hinsichtlich der Frage, mit welchem Mehrheitserfordernis eine entsprechende Satzungsregelung zu beschließen ist.

 

D. Zusammenfassung, Empfehlungen

1. 

Stimmverbote sollen Mitgesellschafter davor schützen, dass Gesellschafter kollidierende Eigeninteressen bei Beschlussfassungen gegenüber dem Gesellschaftsinteresse durchsetzen.

2. 

Die gesetzliche Regelung der betroffenen Beschlussgegenstände findet sich in § 47 Abs. 4 GmbHG.

3. 

Die Fälle des Ausschlusses lassen sich nach inzwischen etablierter Auffassung in zwei Gruppen einteilen: "Insichgeschäfte" und "Richten in eigener Sache".

4. 

Gesetzlich nicht geregelt ist der Geltungsbereich der Verbote.. Hierbei handelt es sich daher in erster Linie um sogenanntes "Richterrecht".

5. 

Abzugrenzen sind das Stimmverbot - der Gesellschafter darf bei der Beschlussfassung nicht mitstimmen - und der Stimmrechtsmissbrauch - er darf eine Stimme abgeben, diese ist aber aufgrund der Umstände des Einzelfalles unwirksam.

6. 

Die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag können sowohl den Inhalt als auch den Geltungsbereich von Stimmrechtsausschlüssen detailliert und umfassend regeln. Im Betracht kommt insoweit auch eine Erweiterung der gesetzlichen Stimmverbote.

7. 

Nach wie vor streitig ist die Abdingbarkeit der Stimmverbote. Die heute herrschende Beurteilung hält sie im Grundsatz für zwingend, will aber in bestimmten Fällen Ausnahmen zulassen.

 

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V. i. S. d. P.:

Rechtsanwalt Jörg Streichert

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