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Aufrechnung

Normen

§§ 387 - 396 BGB

§ 322 ZPO

§§ 94 - 96 InsO

§ 309 Nr. 3 BGB

Information

1 Allgemein

Eine Aufrechnung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem sich gegenüberstehende Forderungen bei Vorliegen der Voraussetzungen wechselseitig getilgt werden. Die Aufrechnungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung.

Es bestehen folgende Begrifflichkeiten:

  • Als Gegenforderung wird die Forderung des die Aufrechnung Erklärenden bezeichnet, d.h. es ist die Forderung, mit der aufgerechnet wird.

  • Als Hauptforderung wird die Forderung bezeichnet, gegen die aufgerechnet wird.

Die Aufrechnung ist von dem Aufrechnungsvertrag zu unterscheiden, der nach § 305 BGB geschlossen werden kann und auf den die §§ 387 - 396 BGB nicht unmittelbar anwendbar sind.

2 Voraussetzungen

Die Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung sind:

  1. a)

    Aufrechnungserklärung des Aufrechnenden. Nicht wirksam ist eine unter einer Bedingung abgegebene Erklärung.

  2. b)

    Gegenseitigkeit der Forderungen, d.h. jede Partei ist zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen.

    Eine Ausnahme besteht gemäß § 406 BGB für den Fall der Aufrechnung nach der Abtretung der Hauptforderung. Der Schuldner ist danach berechtigt, gegen den neuen Gläubiger aufzurechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.

  3. c)

    Gleichartigkeit der Forderungen: Die Forderungsgegenstände müssen der gleichen Gattungsschuld angehören. Nicht erforderlich ist, dass Geldforderungen in derselben Höhe bestehen.

    Beispiel:

    Mit einem Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit kann wegen fehlender Gleichartigkeit nicht gegen einen Zahlungsanspruch aufgerechnet werden (BGH 09.07.2009 - IX ZR 135/08).

  4. d)

    Wirksamkeit und Fälligkeit der Gegenforderung.

  5. e)

    Erfüllbarkeit der Hauptforderung.

  6. f)

    Es liegt kein Aufrechnungsverbot vor.

3 Wirkungen

Die Aufrechnung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem sich die beiden Forderungen zum ersten Mal aufrechenbar gegenüberstanden, d.h. von diesem Zeitpunkt an gelten die Forderungen als erloschen. Folge ist, dass ggf. auch Verzugszinsen o.Ä. nicht gefordert werden können.

Die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts werden gemäß § 215 BGB nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch verjährt ist, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte.

Insofern steht auch die Verjährung des Schadensersatzanspruchs (Werkvertrag - Verjährung) nach § 634a Abs. 1 BGB der Aufrechnung nicht entgegen (OLG München 06.12.2011 - 9 U 424/11).

4 Ausschluss

Die Aufrechnung kann durch Vertrag ausgeschlossen werden oder durch Gesetz ausgeschlossen sein. Unzulässig ist gemäß §§ 393 f. BGB die Aufrechnung, wenn es sich bei der Hauptforderung um eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung handelt. Auch gegen eine unpfändbare Forderung kann nicht aufgerechnet werden.

Nach dem Urteil BGH 23.06.2005 - VII ZR 197/03 kann die Aufrechnung von aufrechenbaren Ansprüchen aus einem Werkvertrag nicht durch die Annahme eines Verrechnungsverhältnisses ausgeschlossen werden.

5 Im Prozess

Die im Prozess erklärte Aufrechnung hat eine Doppelnatur: Einerseits ist sie materiell-rechtliche Aufrechnung, andererseits Prozesshandlung (rechtsvernichtende Einwendung). Anders ist es mit der Geltendmachung einer außerhalb des Prozesses erklärten Aufrechnung. Sie ist keine Prozesshandlung.

Voraussetzung ist, dass das Prozessgericht befugt ist, über die prozessuale Aufrechnung zu entscheiden, d.h. die Rechtswegzuständigkeit gegeben ist. Die sachliche oder örtliche Gerichtszuständigkeit wird durch die Aufrechnung nicht berührt.

Die Entscheidung, ob die zur Aufrechnung gestellte Forderung besteht oder nicht, erwächst bis zur geltend gemachten Höhe in Rechtskraft. Aus diesem Grund ist es üblich und sinnvoll, im Prozess die Aufrechnung nur hilfsweise zu erklären.

Die sich aus § 396 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 366 BGB ergebende Tilgungsreihenfolge bei mehreren im Prozess zur Hilfsaufrechnung gestellten Gegenforderungen bestimmt sich nach dem Sachstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (BGH 19.11.2008 - XII ZR 123/07).

Der Streitwert des Prozesses erhöht sich um den Wert der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung, wenn die Klageforderung bestritten wird, die zur Aufrechnung gestellte Forderung bestritten wird und eine Entscheidung über den Hilfsantrag ergeht (§ 45 Abs. 3 GKG, BGH 25.09.2008 - VII ZB 99/07).

Möglich ist auch, dass der Beklagte in einem anderen Prozess gegen die Klageforderung mit einer Gegenforderung aufrechnet. Nach der Entscheidung OLG Frankfurt am Main 26.01.2015 - 6 W 107/14 rechtfertigt dies nicht die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Gegenforderung in dem anderen Verfahren.

6 Aufrechnung einer Behörde

Eine Behörde kann grundsätzlich ihre Verbindlichkeit durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung erfüllen. Der Anspruch ist davon unabhängig, ob die Behörde die Gegenforderung durch Leistungsbescheid geltend gemacht hat und ob dieser vollziehbar ist.

Die Aufrechnung ist jedoch ausgeschlossen, wenn es sich bei der Gegenforderung um einen Verwaltungsakt handelt und Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diesen Verwaltungsakt noch aufschiebende Wirkung haben (BVerwG 20.11.2008 - 3 C 13/08).

7 In der Insolvenz

Gläubiger, die ihrerseits eine Forderung gegen den Gesamtschuldner haben, können in der Insolvenz mit dieser die Aufrechnung erklären und werden keine Insolvenzgläubiger.

Gemäß § 95 InsO ist eine Aufrechnung aber ausgeschlossen, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet sind. In diesen Fällen kann die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind.

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