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Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.03.1995, Az.: IX ZR 72/94

Insolvenz

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
16.03.1995
Aktenzeichen
IX ZR 72/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 15456
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BB 1995, 947-949 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1995, 1459 (Volltext mit amtl. LS)
  • DNotZ 1995, 886-890
  • EWiR 1995, 429-430 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • MDR 1996, 61-62 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJ 1995, 392 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1995, 1668-1671 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1995, 995-1000 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 1995, 189
  • ZIP 1995, 630-635 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Tritt ein Unternehmer, dessen baldiger Konkurs wahrscheinlich ist, sicherungshalber seine gesamten - auch künftigen Kundenforderungen und damit sein letztes pfändbares Vermögen, ohne daß neue Mittel zugeführt wurden, an einen Gläubiger ab, so ist die Abtretung regelmäßig sittenwidrig, wenn dieser sich mindestens grob fahrlässig über die Erkenntnis der drohenden Insolvenz des Schuldners hinweggesetzt hat.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen des H.-J. W. (nachfolgend: Gemeinschuldner), der eine Kunststoffverarbeitung betrieb. Dieser bekannte in notariellen Urkunden vom 24. und 25. April 1991, der Beklagten zusammen 411.061,93 DM zu schulden. Am 25. April 1991 schloß er mit der Beklagten eine Vereinbarung, in der es auszugsweise hieß:

2

§ 1: (Gemeinschuldner) tritt an Fa. W. (d.h. Beklagte) unwiderruflich ihre Ansprüche aus Lieferungen und Leistungen gegen alle Kunden von Anfangsbuchstaben A - Z zur Sicherung aller Ansprüche Fa. W. gegen (Gemeinschuldner) ab.

3

§ 3: (Gemeinschuldner) wird gestattet, die bestehenden Rückstände gemäß Schuldanerkenntnis ... in monatlichen Raten von 20.000,-- DM bis zum 20. eines jeden Monats, beginnend mit dem 20. Mai 1991, zu zahlen. Diese Abrede hat keine vollstreckungsausschließende Wirkung.

4

§ 5: Kommt (Gemeinschuldner) mit einer Rate mehr als 5 Tage in Rückstand, ist die Abrede ... hinfällig.

5

§ 7: Für die Dauer dieser Vereinbarung übergibt (Gemeinschuldner) Fa. W. ... alle Rechnungen an ihre Kunden ... am Tag der Rechnungsabsendung an die Kunden.

6

In einer Nachtragsvereinbarung vom 11. Juni 1991 waren sich die Vertragspartner darüber einig, daß die Absprache auch zukünftige Forderungen des Gemeinschuldners mit umfassen sollte.

7

Aufgrund dieser Abtretung zahlten fünf Abnehmer des Gemeinschuldners an die Beklagte zusammen 11.832,32 DM. Jedenfalls ab Jahresmitte 1991 zahlte der Gemeinschuldner keine Rate an die Beklagte mehr. Am 27. August 1991 stellte die A. K. gegen ihn Konkursantrag. Am 11. September 1991 erwirkte die Beklagte mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen zahlreiche Abnehmer des Gemeinschuldners. Diese zahlten zwischen dem 4. Oktober und 9. Dezember 1991 zusammen 73.970,55 DM an die Beklagte. Am 22. Oktober 1991 erließ das Konkursgericht ein Veräußerungs- und Verfügungsverbot gegen den Gemeinschuldner und ordnete die Sequestration an; am 16. Dezember 1991 eröffnete es das Konkursverfahren. Danach hinterlegten noch drei Abnehmer des Gemeinschuldners aufgrund der vorangegangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zusammen 40.627,69 DM zugunsten der Parteien.

8

Der Kläger ficht die aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erbrachten Leistungen gemäß § 30 KO an. Die Abtretungsvereinbarung hält er für unwirksam; die aufgrund dieser Vereinbarung geleisteten Zahlungen fordert er von der Beklagten.

9

Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe

10

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

11

A. Ansprüche wegen der Zahlungen aufgrund Abtretung

12

I. Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob die Abtretung unwirksam sei. Denn sogar in diesem Falle ergäbe sich kein Anspruch auf Auszahlung derjenigen Beträge, welche die Beklagte aufgrund der Abtretung eingezogen habe. Es sei nicht vorgetragen, welche Kausalgeschäfte der Abtretung zugrunde gelegen hätten. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung kämen nur in Betracht, wenn der Beklagte der Gemeinschuldnerin nicht wenigstens 11.832,32 DM geschuldet hätte.

13

II. Demgegenüber rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht § 816 Abs. 2 BGB nicht geprüft hat. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind nach dem Vorbringen des Klägers erfüllt.

14

1. Danach handelte die Beklagte als Nichtberechtigte, als sie die Forderungen des Gemeinschuldners gegen seine Kunden einzog. Denn die individuell vereinbarte Abtretung vom 25. April 1991 war jedenfalls in Verbindung mit dem Nachtrag vom 11. Juni 1991 nichtig.

15

a) Sie verstieß gegen § 138 Abs. 1 BGB mindestens deswegen, weil sie andere Gläubiger des Gemeinschuldners in sittenwidriger Weise benachteiligte.

16

Eine Nichtigkeit aus diesem Grunde wird nicht durch die Vorschriften über die Anfechtung gläubigerbenachteiligender Geschäfte (§ 31 KO oder § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AnfG) ausgeschlossen. Denn § 138 Abs. 1 BGB setzt im Hinblick auf die Größe der einer unbestimmten Vielzahl von Gläubigern drohenden konkreten Gefahr und der gewissenlosen Einstellung des Sicherungsnehmers hierzu stets besondere Umstände voraus, die sich vom Normaltatbestand sogar einer Absichtsanfechtung abheben (vgl. RG WarnR 1929 Nr. 164 S. 303; ebenso im Ergebnis Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. III § 32 II 2, S. 155; Flume AcP 154, 560, 563 f; wohl auch von Caemmerer in Anmerkung JZ 1956, 97; ferner Senatsurt. v. 4. März 1993 - IX ZR 151/92, NJW 1993, 2041 f; a.M. H. Westermann, Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung bei den Sicherungsrechten an Fahrnis und Forderungen, Schriftenreihe der Juristischen Studiengesellschaft Karlsruhe Heft 11 S. 25 f; Barkhausen in Anm. NJW 1955, 1272).

17

aa) Ein Vertrag, durch den ein Schuldner sein letztes zur Gläubigerbefriedigung taugliches Vermögen einem bestimmten Gläubiger überträgt, ist regelmäßig sittenwidrig, wenn dadurch gegenwärtige oder künftige Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden und beide Vertragspartner bei dieser Täuschung zusammengewirkt haben (RGZ 118, 361, 363; 127, 337, 340; BGHZ 20, 43, 49 f; BGH, Urt. v. 28. Mai 1951 - IV ZR 5/51, JZ 1951, 686 f [BGH 28.05.1951 - IV ZR 5/51] = MDR 1951, 604, 605) [BGH 28.05.1951 - IV ZR 5/51]. Diese Täuschung muß aber nicht der Zweck ihres Handelns gewesen sein. Vielmehr kann es genügen, wenn die Vertragspartner nur mit der Möglichkeit gerechnet haben, daß andere Gläubiger geschädigt werden (RG JW 1936, 1953, 1954; BGH, Urt. v. 13. Mai 1958 - VIII ZR 331/56, WM 1958, 845 f). Kennt der begünstigte Gläubiger die Umstände, die den Schluß auf einen bevorstehenden Zusammenbruch des Schuldners aufdrängen, so handelt er schon dann sittenwidrig, wenn er sich über diese Erkenntnis mindestens grob fahrlässig hinwegsetzt (RGZ 143, 48, 51 f; BGHZ 10, 228, 233 f;  20, 43, 50 f; BGH, Urt. v. 2. November 1955 - IV ZR 103/55, LM § 138 BGB (Cb) Nr. 5 unter 2 = WM 1955, 1580). Je größer und konkreter die Gefahr dieses Zusammenbruchs danach ist, desto sorgfältiger muß der Gläubiger die Auswirkungen auf das Vermögen des Schuldners prüfen, von dem er sich umfassende Sicherheiten gewähren läßt (vgl. Koller JZ 1985, 1013, 1017 f; Ascher in Anm. § 138 BGB (Bb) Nr. 3). Unterläßt er diese gebotene Prüfung, so trifft ihn der Vorwurf, sich leichtfertig über die Gefährdung der anderen Gläubiger durch Kredittäuschung hinweggesetzt zu haben (BGHZ 10, 228, 233; Johannsen in Anm. LM § 138 BGB (Bb) Nr. 7).

18

bb) Im vorliegenden Falle stand der (spätere) Gemeinschuldner nach dem Klägervorbringen Ende April 1991 objektiv unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit; im Juni 1991 war sie möglicherweise bereits eingetreten. Denn danach hatte der Gemeinschuldner Ende April 1991 Bankverbindlichkeiten von 2,37 Mio DM, die zum größten Teil nicht mit werthaltigen Sicherheiten unterlegt waren. In diesem Monat erhielten von 23 Arbeitnehmern nur noch sieben Lohnzahlungen, im Mai nur noch vier. Die bis zu 40 beschäftigten Heimarbeiter bezogen im Mai 1991 ebenfalls keinen Lohn mehr. Bei der A. K. bestanden Beitragsrückstände für die Zeit vom 16. Dezember 1990 bis zur Konkurseröffnung in Höhe von 133.567,54 DM. Gegenüber dem Finanzamt B. betrugen die Steuerrückstände allein für die Zeit von Mai bis Dezember 1990 127.599,39 DM zuzüglich 44.088 DM Säumniszuschläge; für das letzte Jahr vor Konkurseröffnung waren Steuerforderungen von zusammen fast 709.000 DM angemeldet. Für die Zeit ab April 1991 meldete die Deutsche Bundespost Ansprüche wegen ausstehender Telefongebühren in Höhe von 12.017 DM an.

19

Unstreitig war Ende April 1991 nahezu das gesamte Geschäfts- und Privatvermögen des Gemeinschuldners mit Drittrechten belastet; die Außenstände waren sein einziger freier Vermögenswert.

20

cc) Allerdings mag zweifelhaft sein, ob bereits die Vereinbarung vom 25. April 1991 die Gläubiger entscheidend benachteiligte. Denn sie bezog sich nach ihrem § 1 nur auf die gegenwärtigen Ansprüche des Gemeinschuldners. Im Interesse der Rechtsklarheit setzt die Abtretung auch künftiger Forderungen eine auslegungsfähige Erklärung voraus, die zugleich die abgetretenen künftigen Forderungen hinreichend individualisierbar werden läßt (BGHZ 7, 365, 367; BGH, Urt. v. 3. April 1974 - VIII ZR 235/72, NJW 1974, 1130; Palandt/Heinrichs, BGB 54. Aufl. § 398 Rdnr. 14). Tritt ein Sicherungsgeber allgemein nur "Ansprüche" ab, so vermag ein unvoreingenommener Erklärungsempfänger dies im Zweifel allein auf bestehende Forderungen zu beziehen. Daß auch künftige Ansprüche abgetreten werden sollen, muß besonders zum Ausdruck kommen. Insoweit ist zweifelhaft, ob hier die in § 7 des Vertrages vorgesehene Rechnungsübergabe eine andere Auslegung stützt; denn die Übergabe von Rechnungen konnte auch für schon bestehende - nur noch nicht abgerechnete - Forderungen sinnvoll sein. Der Vortrag beider Parteien läßt ferner nicht erkennen, daß die Vertragschließenden sich schon am 25. April 1991 darüber einig gewesen wären, daß alle künftigen Forderungen erfaßt werden sollten.

21

Jedoch kamen die Beklagte und der Gemeinschuldner in der Ergänzungsvereinbarung vom 11. Juni 1991 darin überein, daß die Abtretungsvereinbarung auch zukünftige Forderungen mit umfassen sollte. In Verbindung mit § 1 des zugrundeliegenden Vertrages vom 25. April 1991, demzufolge die Ansprüche aus Lieferungen und Leistungen gegen alle Kunden "von Anfangsbuchstaben A - Z" abgetreten sein sollten, war klar bestimmt, daß sämtliche zukünftigen Forderungen des Gemeinschuldners übergehen sollten.

22

dd) Mit dem Erwerb sämtlicher, auch künftiger Forderungen des Gemeinschuldners schloß die Beklagte alle anderen Gläubiger von jeder weiteren Befriedigung aus. Als Gläubiger, die hierüber durch die zunächst nicht offengelegte Abtretung getäuscht wurden, kamen in jedem Falle die Arbeitnehmer und Heimarbeiter des Gemeinschuldners in Betracht. Nach dem Vortrag des Klägers ist der Gemeinschuldner die Vereinbarung mit der Beklagten nur eingegangen, um diese davon abzuhalten, einen Konkursantrag zu stellen; der Beklagten war danach ferner eine Zahlungseinstellung des Gemeinschuldners schon seit Monaten bekannt. Dann mußte sie die Auswirkungen der Sicherungsvereinbarung vom 11. Juni 1991, durch die sie sich das letzte freie Vermögen des Gemeinschuldners übertragen ließ, sorgfältig prüfen. Unterließ sie eine solche Prüfung, so handelte sie leichtfertig.

23

Es liegen auch keine Umstände vor, welche die Gefährdung der übrigen Gläubiger objektiv rechtfertigen könnten. Die Vereinbarungen vom 25. April und 11. Juni 1991 waren für eine Sanierung des Gemeinschuldners offensichtlich ungeeignet. Neue Geldmittel wurden ihm nicht zugeführt. Neue Lieferungen erhielt er - im Umfang von mehreren 10.000 DM - nur gegen Vorkasse. Die alten Schulden mußte er mit monatlich 20.000 DM tilgen, obwohl er schon seit Jahresanfang 1991 nicht einmal in der Lage gewesen war, die laufenden Bestellungen annähernd vollständig zu bezahlen. Es lag sogar für die Beklagte auf der Hand, daß sich sein endgültiger wirtschaftlicher Zusammenbruch dadurch allenfalls um wenige Monate verzögern konnte.

24

Demgegenüber besserte sich die wirtschaftliche Lage der Beklagten durch diese Vereinbarungen erheblich. Sie erhielt nachträglich die Sicherheiten, die vorher nicht vereinbart gewesen waren. Ihr Einwand, sie habe aufgrund der inzwischen gegen den Gemeinschuldner erwirkten Titel ohnehin gegen diesen vollstrecken können, ist demgegenüber unerheblich. Denn ihr erster Vollstreckungsversuch Ende Mai 1991 war gerade erfolglos geblieben. Auf die Kundenforderungen des Gemeinschuldners konnte die Beklagte praktisch nur zugreifen, wenn sie wußte, wer diese Kunden waren. Bestehende Forderungen hätte sie möglicherweise unter Schwierigkeiten und mit erheblichem Zeitverlust vom Gemeinschuldner nach §§ 807, 899 ff ZPO erfahren können. Auf erst künftig neu entstehende Forderungen hätte sie dagegen keinesfalls zugreifen können. Erst die Abtretung änderte dies mit sofortiger Wirkung, zumal der Gemeinschuldner der Beklagten gemäß § 7 der Vereinbarung vom 25. April 1991 Rechnungsabschriften zuzuleiten hatte. Es ist nicht erkennbar, daß die Beklagte ohne die Abtretung nennenswerte Beträge auf ihre titulierten Forderungen hätte beitreiben können, so daß die von ihr bewilligte Ratenzahlung als Gegenleistung wirtschaftlich fast wertlos war.

25

ee) Die zuletzt genannten Umstände legen sogar die Prüfung nahe, ob die Sicherungsvereinbarung vom 11. Juni 1991 unter dem zusätzlichen Gesichtspunkt der Konkursverschleppung gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig ist. Das ist der Fall, wenn ein Kreditgeber um eigener Vorteile willen den letztlich unvermeidlichen Konkurs eines Unternehmers nur hinausschiebt, indem er Kredite gewährt, die nicht zur Sanierung, sondern nur dazu ausreichen, den Zusammenbruch zu verzögern, wenn hierdurch andere Gläubiger über die Kreditfähigkeit des Schuldners getauscht und geschädigt werden sowie der Kreditgeber sich dieser Erkenntnis mindestens leichtfertig verschließt (BGHZ 10, 228, 233; zu § 826 BGB auch BGHZ 90, 381, 399; BGH, Urt. v. 15. Juni 1962 - VI ZR 286/61, KTS 1962, 176, 179 f; v. 9. Dezember 1969 - VI ZR 50/86, NJW 1970, 657, 658 f). Nach dem Vortrag des Klägers ging es der Beklagten allein darum, sich in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners beschleunigt vor anderen Gläubigern zu sichern.

26

b) Das Klägervorbringen begründet ferner eine Sittenwidrigkeit der Globalabtretung aller Forderungen wegen Verleitung des Gemeinschuldners zum Vertragsbruch (§ 138 Abs. 1 BGB).

27

aa) Davon ist auszugehen, wenn sich die Globalabtretung bestimmungsgemäß auf Forderungen erstreckt, die von einem verlängerten Eigentumsvorbehalt erfaßt werden (BGHZ 30, 149, 152 f;  55, 34, 35 f). Ausnahmen gelten nur, wenn entweder der Abtretungsempfänger nach den Umständen des Einzelfalles - insbesondere wegen Unüblichkeit des verlängerten Eigentumsvorbehalts in der betreffenden Wirtschaftsbranche - eine Kollision der Sicherungsrechte für ausgeschlossen halten darf (vgl. BGHZ 32, 361, 366;  98, 303, 314 f [BGH 08.10.1986 - VIII ZR 342/85]; BGH, Urt. v. 30. Oktober 1961 - VII ZR 157/60, WM 1962, 13, 15), oder wenn der verlängerte Eigentumsvorbehalt nach dem Willen der Vertragspartner von Anfang an Vorrang haben soll (vgl. BGHZ 98, 303, 314) [BGH 08.10.1986 - VIII ZR 342/85]. Der Vorrang des verlängerten Eigentumsvorbehalts kann sich auch erst durch Auslegung ergeben (BGH, Urt. v. 7. März 1974 - VII ZR 148/73, NJW 1974, 942, 943; Mayer-Maly aaO. Rdnr. 90; vgl. BGH, Urt. v. 30. Oktober 1961 - VII ZR 157/60, WM 1962, 13, 16). Er muß aber im Verhältnis zwischen dem Vorbehaltslieferanten und dem Sicherungsnehmer in jedem Falle und mit dinglicher Wirkung bestehen, um die Durchsetzung der Rechte des Vorbehaltsverkäufers nicht unangemessen zu erschweren. Deshalb genügen Klauseln nicht, die dem Schuldner nur die Verpflichtung zur Befriedigung des Vorbehaltsverkäufers auferlegen (BGH, Urt. v. 24. April 1968 - VIII ZR 94/66, NJW 1968, 1516, 1518; v. 6. November 1968 - VIII ZR 15/67, NJW 1969, 318, 319; v. 18. April 1991 - IX ZR 149/90, WM 1991, 1372, 1277) [OLG Hamm 05.11.1990 - 31 U 76/90] oder dem Vorbehaltsverkäufer nur den schuldrechtlichen Anspruch auf eine teilweise Freigabe des Erlöses einräumen (BGHZ 72, 308, 310 f; BGH, Urt. v. 14. November 1979 - VIII ZR 241/78, DB 1980, 683; v. 17. März 1988 - III ZR 101/87, NJW-RR 1988, 1012 f; Palandt/Heinrichs aaO. § 398 Rdnr. 25; Mayer-Maly in MünchKomm-BGB 3. Aufl. § 138 Rdnr. 89).

28

Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Empfänger der Globalabtretung eine Bank oder selbst ein Warenlieferant ist (BGH, Urt. v. 7. März 1974 - VII ZR 148/73, NJW 1974, 942; v. 9. März 1977 - VIII ZR 178/75, DB 1977, 949 [BGH 09.03.1977 - VIII ZR 178/75]).

29

bb) Der Kläger hat dazu behauptet, im Kunststoffspritzbereich - in dem der Gemeinschuldner tätig war - sei die Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes branchenüblich. Mindestens seit Jahresanfang 1990 seien sämtliche Lieferungen an den Gemeinschuldner, soweit nicht Vorkasse geleistet worden sei, unter gleichzeitiger Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts erfolgt; die Lieferanten hätten später Aus- oder Absonderungsrechte geltend gemacht.

30

War dies branchenüblich, so muß das auch die im gleichen Geschäftsbereich tätige Beklagte gegen sich gelten lassen.

31

Die Auffassung des Landgerichts (LGU S. 7), aus dem Sinn der getroffenen Vereinbarung ergebe sich hier die Beschränkung der Abtretung auf Forderungen, die dem Gemeinschuldner nicht im Zusammenhang mit Lieferungen und Leistungen unter Eigentumsvorbehalt zustünden, hat sich das Berufungsgericht mit Recht nicht zu eigen gemacht. Der Vertragswortlaut gibt dafür nichts her. Der Umstand, daß die Abtretung zuerst nicht offengelegt wurde und der Gemeinschuldner seinen Geschäftsbetrieb fortsetzen sollte, besagt nichts über den allein erheblichen Konfliktfall, wenn die Abtretung offengelegt werden würde. Keine Partei hat die vom Landgericht unterstellte Absprache behauptet: Der Kläger hat sie in zweiter Instanz ausdrücklich bestritten, während die Beklagte schon die Branchenüblichkeit des Eigentumsvorbehalts bestreitet.

32

2. War die Beklagte nach alledem Nichtberechtigte, als sie die Forderungen einzog, so hat der Kläger mit der Klageerhebung die Verfügungen genehmigt. Spätestens dadurch sind sie auch ihm gegenüber wirksam geworden (§ 185 Abs. 2 Satz 1, 1. Fall BGB).

33

3. Der Bereicherungsanspruch nach § 816 Abs. 2 BGB setzt - entgegen dem Verständnis des Berufungsgerichts - nicht voraus, daß der Berechtigte zusätzlich das Fehlen eines Rechtsgrundes darlegt. Es genügt der Rechtsverlust durch den Eingriff des dinglich Nichtberechtigten. Diesem bleibt es überlassen, schuldrechtliche Gegenansprüche zur Aufrechnung (§ 55 KO) zu stellen.

34

III. Das klageabweisende Urteil beruht deshalb bezüglich dieses Anspruchs auf einem Rechtsfehler (§ 564 Abs. 1 ZPO). Zu einer eigenen abschließenden Entscheidung (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) ist der Senat nicht in der Lage, weil die Beklagte Voraussetzungen für die Sittenwidrigkeit der Abtretungsvereinbarung in erheblicher Weise bestritten hat.

35

1. Hinsichtlich der Gläubigerbenachteiligung (oben II 1 a bb) bestreitet die Beklagte, daß im Zeitpunkt der Nachtragsvereinbarung eine Insolvenz des (späteren) Gemeinschuldners objektiv sehr wahrscheinlich war. Dies wird das Berufungsgericht zu prüfen haben.

36

Soweit die Beklagte darüber hinaus die Kenntnis einer etwa drohenden Konkursreife bestreitet, wäre das allerdings hier unerheblich. Denn ihr eigenes Vorbringen ergibt, daß genügend Anhaltspunkte auf eine mindestens bevorstehende Zahlungsunfähigkeit hinzudeuten schienen. Die Beklagte hat in einer Klageschrift vom 17. April 1991 gegen den Gemeinschuldner selbst vorgetragen:

37

"Nachdem die (Beklagte) beträchtliche Außenstände zur Zahlung fällig stellte und gerichtliche Maßnahmen ankündigte, übersandte der (Gemeinschuldner) am 8.1.1991 einen Verrechnungsscheck über ca. 140.000 DM, der zu Protest ging ... Entsprechend angesprochen, erklärte der (Gemeinschuldner), das Ganze sei ein Versehen, er bitte die (Beklagte) dringend um die Fertigung weiterer in Auftrag gegebener Produkte, ... die Bezahlung werde erfolgen ... . Die (Beklagte) ... ließ sich beschwatzen und produzierte gutgläubig weiter, ohne daß der (Gemeinschuldner) Zahlung leistete. Mit Anwaltsschreiben vom 23.3.1991 wurde der (Gemeinschuldner) zur Zahlung der Klageforderung unter Fristsetzung zum 5. April 1991 ergebnislos aufgefordert ... . Der Antrag, die Einlassungsfrist zu verkürzen, ist geboten, da der (Gemeinschuldner) sich offenkundig in Vermögensschwierigkeiten befindet. Die Nichteinlösung eines Schecks ist Indiz für drohende Insolvenz."

38

Danach hat die Beklagte selbst erkannt, daß der Gemeinschuldner die fällige und einwendungsfreie Forderung von 140.000 DM schon im Januar nicht mehr zahlen konnte. In den nächsten Wochen stieg dessen Schuldsaldo um rund 260.000 DM an. Nach der Abtretung vom 25. April 1991 hatte der Gemeinschuldner sofort die erste, am 20. Mai 1991 fällig werdende Rate von 20.000 DM auf die Rückstände unstreitig nicht termingerecht leisten können. Daraufhin erwirkte die Beklagte am 25. Mai 1991 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen die drei Geschäftsbanken des Gemeinschuldners, die erfolglos blieben.

39

Damit wurde für die Beklagte das typische Bild eines Schuldners erkennbar, der seine fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten zu wesentlichen Teilen schon seit Monaten nicht mehr erfüllen konnte. Verschloß sich die Beklagte dennoch der Erkenntnis, daß der Gemeinschuldner mindestens kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand, so handelte sie leichtfertig. Daran ändert es nichts, wenn er für einzelne neue Bestellungen im Umfange von mehreren 10.000 DM noch Vorkasse leisten konnte. Denn Zahlungsfähigkeit wird nicht schon dadurch hergestellt, daß einzelne, für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes unverzichtbare Zahlungen geleistet werden. Unerheblich ist ferner die von der Beklagten behauptete Versicherung des Gemeinschuldners, seine Liquiditätslage werde sich umgehend bessern, weil liquide Mittel in Millionenhöhe erwartet würden. Derartige unsubstantiierte und nicht belegte Vertröstungen, die Schuldner kurz vor ihrer Insolvenz erfahrungsgemäß häufig verbreiten, waren nicht geeignet, die gebotene umfassende Prüfung durch die Beklagte entbehrlich zu machen.

40

Nach alledem hätte die Beklagte sich - falls der baldige wirtschaftliche Zusammenbruch des Gemeinschuldners schon am 11. Juni 1991 objektiv hinreichend wahrscheinlich war - über die entsprechende Erkenntnis mindestens grob fahrlässig hinweggesetzt.

41

2. Hinsichtlich der Verletzung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts durch die Globalzession (oben II 1 b) bestreitet die Beklagte, daß ein derartiger Eigentumsvorbehalt branchenüblich und konkret mit dem Gemeinschuldner vereinbart worden sei. Träfe das zu, so hätte sie einen Konflikt der Sicherungsrechte nicht in Betracht ziehen müssen.

42

War und ist andererseits ein verlängerter Eigentumsvorbehalt branchenüblich, so hätte sich die Beklagte entgegen ihrer Meinung von Rechts wegen nicht allein auf die Versicherung des Gemeinschuldners in § 2 der Sicherungsvereinbarung vom 25. April 1991 verlassen dürfen, daß er Inhaber der abgetretenen Ansprüche sei. Daraus folgte nicht einmal, daß der Gemeinschuldner nicht künftig Ware unter verlängertem Eigentumsvorbehalt einkaufen würde. Erst recht durfte die Beklagte darauf nicht entgegen einer etwa bestehenden Branchenüblichkeit vertrauen.

43

B. Anspruch wegen der Zahlungen aufgrund von Pfändungs-und Überweisungsbeschlüssen

44

I. Das Berufungsgericht hat die Klage insoweit - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Landgerichts - mit folgender Begründung abgewiesen:

45

Ein Anfechtungsrecht nach § 30 Nr. 2 KO scheide aus, weil die Beklagte aufgrund der Abtretung Ansprüche auf Sicherung und Befriedigung wegen der Forderungen gehabt habe, deretwegen sie die Zwangsvollstreckung betrieb. Im Hinblick auf § 30 Nr. 1 Fall 2 KO sei dem Kläger nicht der Nachweis gelungen, daß die Beklagte zur Zeit der Vollstreckung die Zahlungseinstellung des (späteren) Gemeinschuldners gekannt habe. Es sei schon offen, wann genau der Gemeinschuldner seine Zahlungen eingestellt habe. Immerhin habe er seinen Geschäftsbetrieb weitergeführt. Jedenfalls reiche für eine Kenntnis der Zahlungseinstellung nicht die behauptete Kenntnis der Liquiditätsprobleme oder der vorgetragenen Indizien aus.

46

II. Das hält den Angriffen der Revision ebenfalls nicht stand.

47

1. Bei seinen Ausführungen hat das Berufungsgericht schon übersehen, daß es - im Gegensatz zum Landgericht - die Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung offengelassen hat (BU S. 9). War die Abtretung aber nichtig (siehe oben A II 1), so ist die Anfechtung des Klägers ohne weiteres gemäß § 30 Nr. 2 KO gerechtfertigt.

48

Die Beklagte hat ihre Pfändungen nach dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens ausgebracht. Standen die gepfändeten Forderungen der Beklagten nicht bereits aufgrund früherer Abtretung zu, so begründeten die Pfändungen eine der Art nach inkongruente Deckung (vgl. RGZ 10, 33, 35; 55, 321, 322 f; BGHZ 34, 254, 256; BGH, Urt. v. 3. März 1959 - VIII ZR 176/58, LM § 30 KO Nr. 2 a Bl. 3; v. 27. November 1974 - VIII ZR 21/73, WM 1975, 6 unter II; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 30 Rdnr. 47 b, 52 b; Kilger/Karsten Schmidt, KO 16. Aufl. § 30 Anm. 20). Die Beklagte vermag auch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht ihrerseits zu beweisen, daß sie nach dem 11. September 1991 die Zahlungseinstellung noch nicht kannte: Immerhin nimmt das Berufungsgericht selbst an, daß zum Zeitpunkt der Vornahme der Vollstreckungsmaßnahmen "einiges darauf hindeute", daß der Gemeinschuldner seine Zahlungen eingestellt hatte (BU S. 10).

49

Im übrigen hätte die Beklagte gegebenenfalls weiter nachzuweisen, daß sie nicht die Absicht hatte, sich mit der Pfändung vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen (vgl. Senatsurt. v. 15. Dezember 1994 - IX ZR 24/94, WM 1995, 446, 447 f, z.V.b. in BGHZ). Das hat sie bisher selbst nicht behauptet.

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2. War andererseits die Vorausabtretung wirksam, so hätte die Beklagte eigene Forderungen gepfändet. Dann wäre eine allein gegen diese Pfändungen gerichtete Anfechtung schon deshalb unbegründet, weil sie nicht zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung (§ 29 KO) geführt hätte. Aufgrund rechtsgültiger Sicherungsabtretung hätte die Beklagte nämlich ein Absonderungsrecht im Sinne von § 48 KO an den Forderungen erlangt (vgl. BGH, Urt. v. 9. Dezember 1970 - VIII ZR 52/69, LM § 157 BGB (Ga) Nr. 18; v. 14. Juli 1986 - IX ZR 54/85, ZIP 1986, 720, 722; Kuhn/Uhlenbruck aaO. § 48 Rdnr. 24; Kilger/Karsten Schmidt aaO. § 43 Anm. 11). Die Konkursgläubiger werden nicht benachteiligt, soweit sich ein anderer Gläubiger in dem Umfange aus Gegenständen der Konkursmasse befriedigt, wie ihm daran ein Absonderungsrecht zusteht (Senatsurt. v. 11. Juli 1991 - IX ZR 230/90, ZIP 1991, 1014, 1017 unter C 2 a m.w.N.; Kuhn/Uhlenbruck aaO. § 30 Rdnr. 29 a letzter Abs.).

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Unter der Voraussetzung einer Wirksamkeit der Abtretungen könnte die Konkursanfechtung deshalb nur Erfolg haben, wenn sie sich zugleich gegen die Wirkungen der Abtretungsvereinbarung vom 11. Juni 1991 selbst richtete. Die Klage ist auch in diesem Sinne auszulegen. Zwar hat der Kläger - vermutlich im Hinblick auf § 33 KO - nicht erklärt, daß er die Abtretungsvereinbarung selbst anfechte. Die Konkursanfechtung richtet sich aber nie gegen Willenserklärungen als solche, sondern allein gegen deren - gläubigerbenachteiligende - Wirkungen. Diese Wirkung war hier die Übertragung der Forderungen des Gemeinschuldners auf die Beklagte. Dagegen hat der Kläger sich von Anfang an gewandt und sie zum Streitgegenstand seiner Anfechtungsklage gemacht: Er hat die Abtretung ausdrücklich für nichtig gehalten. Im klageerweiternden Schriftsatz vom 24. November 1992, durch den diese Zahlungen in den Prozeß eingeführt wurden, hat er unter anderem darauf auch die Anfechtung der hier fraglichen Pfändungen und Zahlungen gestützt. Die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO ist dadurch gewahrt (vgl. BGHZ 117, 374, 380 f).

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Die dinglichen Wirkungen der Abtretungen könnten ihrerseits wieder nach § 30 Nr. 1 Fall 2 KO anfechtbar sein; hätte eine solche Anfechtung Erfolg, so könnte sie zugleich die später ausgebrachten Pfändungen erfassen. Eine solche Anfechtung der Abtretungen setzt voraus, daß die anfechtbare Rechtshandlung nach der Zahlungseinstellung des Gemeinschuldners vorgenommen worden ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die rechtlichen Wirkungen der Handlung eintreten (BGH, Urt. v. 11. November 1954 - IV ZR 64/54, WM 1955, 407, 410; v. 9. Oktober 1958 - II ZR 229/57, LM § 15 KO Nr. 2 Blatt 2; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs und Vergleichsrecht 12. Aufl. Bd. II Rdnr. 18.31). Im Falle der Vorausabtretung künftiger Forderungen ist das erst der Zeitpunkt, in dem die zu übertragende Forderung entsteht (BGHZ 30, 238, 239 f; Palandt/Heinrichs aaO. § 398 Rdnr. 11; vgl. auch BGHZ 88, 205, 206 f [BGH 19.09.1983 - II ZR 12/83]; BGH, Urt. v. 5. Januar 1955 - IV ZR 154/54, NJW 1955, 544 [BGH 05.01.1955 - IV ZR 154/54]; v. 11. Dezember 1986 - IX ZR 78/86, ZIP 1987, 305, 307; Kuhn/Uhlenbruck aaO. § 30 Rdnr. 29 a), hier also des Abschlusses der jeweiligen Kaufverträge (vgl. MünchKomm-BGB/Roth aaO. § 398 Rdnr. 81). Dieser Zeitpunkt ist auch maßgeblich für eine Kenntnis des Beklagten von der Zahlungseinstellung sowie für die Berechnung der in § 33 KO bestimmten Frist. Dazu haben die Parteien näher vorzutragen (§ 139 Abs. 1 ZPO).

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Die Ausführungen des Berufungsgerichts, daß die Beklagte die Zahlungseinstellung nicht nachweislich gekannt habe, beziehen sich nicht auf jenen allein maßgeblichen Zeitpunkt und sind deswegen rechtsfehlerhaft.

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c) Unabhängig davon könnten die vom Gemeinschuldner vorgenommenen Vorausabtretungen und schon die ihnen zugrundeliegende schuldrechtliche Verpflichtung vom 11. Juni 1991 nach § 31 Nr. 1 KO anfechtbar sein. Eine erfolgreiche Anfechtung hätte zur Folge (§ 37 KO), daß die Sicherungen, welche die Beklagte durch die spätere Pfändung erlangt hat, als inkongruent im Sinne von § 30 Nr. 2 KO zu behandeln wären. Dies hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht geprüft.

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C. Die Ausführungen zu B. gelten auch für den Anspruch wegen derjenigen Beträge, die aufgrund der von der Beklagten ausgebrachten Pfändungen hinterlegt worden sind. Der Rückgewähranspruch gemäß § 37 KO ist in diesem Falle auf die Erklärung der Freigabe gerichtet. Insoweit ist die Sache ebenfalls an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO).

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D. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß die Beklagte keine Rechte aus drei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen über je 100.000 DM besitzt, kommt zwar teilweise ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO in Betracht: Für diejenigen gepfändeten Ansprüche, die nicht Gegenstand der bezifferten Klage sind, kann der Konkursverwalter nach allgemeinen Regeln ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung haben. Die Anfechtungsfrist wird, anders als die Beklagte meint, nicht ohne weiteres schon durch die Entscheidung über die anderen Ansprüche gewahrt, sondern läuft für jede anfechtbare Rechtshandlung gesondert.

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Jedoch ist der Antrag in seiner vorliegenden Form aus anderen Gründen nicht geeignet, ein Sachurteil zu ermöglichen. Die Anfechtungsklage muß erkennen lassen, welche einzelne Rechtshandlung angefochten werden soll (Senatsurt. v. 11. Juli 1991 - IX ZR 230/90, ZIP 1991, 1014, 1017 unter B m.w.N.). Zu einer ordnungsgemäßen Anfechtungsklage gehört danach gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Bezeichnung, welcher bestimmte Vermögensgegenstand des Gemeinschuldners entäußert worden sein soll. Das bloße Erwirken eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist aber regelmäßig noch keine selbständig anfechtbare Rechtshandlung, weil erst dessen Vollziehung - meist durch Zustellung an den Drittschuldner (§ 829 Abs. 3 ZPO) - Rechtswirkungen äußert. Welche Forderungen des Gemeinschuldners gegen welche Drittschuldner hier gepfändet worden sein sollen, bezeichnet der Kläger nicht ausdrücklich. Lediglich soweit er das Aktenzeichen M 1075/91 des Amtsgerichts B. nennt, erschließt sich aus dem übrigen Sachvortrag des Klägers, daß der Gerichtsbeschluß vom 11. September 1991 gemeint sein dürfte, welcher der Firma P. AG am 25. Oktober 1991 zugestellt wurde. Diese Drittschuldnerin hat auf die Pfändung jedoch bereits 27.531,73 DM hinterlegt; darauf erstreckt sich ein gesonderter Klageantrag (siehe oben C). Ein weitergehendes Feststellungsinteresse könnte der Kläger nur haben, wenn ernsthaft in Betracht käme, daß dem Gemeinschuldner zur Zeit der Pfändung zusätzliche Ansprüche gegen die P. AG zugestanden hätten. Dazu hat der Kläger nichts dargetan. Für die beiden weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse (M 1076/91 und 1126/91) läßt sich allenfalls vermuten, daß es sich um diejenigen Vollstreckungsmaßnahmen handelt, deretwegen die M. R. D. AG und die A. AG ebenfalls Beträge hinterlegt haben. Dafür würden die vorstehenden Ausführungen entsprechend gelten.

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Da diese Frage bisher nicht mit dem Kläger erörtert worden ist (§ 139 Abs. 1 ZPO), hält der Senat es für geboten, die Sache auch insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.