Zwangsversteigerung
Nrn. 3311 - 3323 Vergütungsverzeichnis zum RVG
1 Allgemein
Form der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück.
Zuständig ist das Vollstreckungsgericht.
Gemäß der Regelung in § 869 ZPO sind die Vorschriften über die Zwangsversteigerung in einem gesondertem Gesetz niedergelegt, dem ZVG.
Über das Objekt wird ein amtliches Wertgutachten erstellt, das in der Geschäftsstelle des zuständigen Vollstreckungsgerichts eingesehen werden kann bzw. als Kopie angefordert werden kann. Der Schuldner ist grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Hausbegehung zu gewähren, diese wird jedoch grundsätzlich in den meisten Fällen gewährt.
2 Voraussetzungen
Voraussetzungen der Zwangsversteigerung sind:
Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung.
Antrag an das Vollstreckungsgericht gemäß § 16 ZVG.
Der Schuldner ist als Eigentümer eingetragen oder Erbe des Eigentümers.
3 Einsicht in das Grundbuch
Interessierte Bieter haben gemäß § 42 ZVG einen Anspruch auf die Einsicht der Mitteilungen des Grundbuchamtes und der erfolgten Anmeldungen (Abs. 1) sowie von anderen das Grundstück betreffenden Nachweisungen, welche ein Beteiligter einreicht, insbesondere von Abschätzungen (Abs. 2), das heißt Wertgutachten.
Dabei ist der Informationsanspruch des Bietinteressenten nicht auf die Zwangsversteigerungsakten beschränkt:
"§ 42 ZVG beschränkt nicht das berechtigte Informationsinteresse des Bietinteressenten auf den Inhalt der Zwangsversteigerungsakten, sondern lässt sein bei Darlegung eines berechtigten Interesses gegenüber dem Grundbuchamt bestehendes Recht auf Grundbucheinsicht nach § 12 GBO unberührt" (OLG Düsseldorf 01.06.2012 - I-3 Wx 21/12).
4 Durchführung der Zwangsversteigerung
Vor Beginn der Versteigerung wird Folgendes bekannt gegeben bzw. durchgeführt:
Bekanntgabe der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Versteigerungsobjekts
Bekanntgabe des Verkehrswertes sowie der 50 bzw. 70 %-Grenze
Verlesen des geringsten Gebots
Bekanntgabe der Bietzeit
Ausweiskontrolle der Bieter bzw. bei Vertretung Kontrolle der notariellen Bietervollmacht
Bei der Versteigerung wird ein Gebot in mindestens der Höhe des geringsten Gebots zugelassen.
Praxistipp:
Der Interessent sollte sich nach einer genauen Analyse des Objekts eine objektiv gesetzte Preisgrenze setzen. Denn: Oftmals sitzen von den Banken eingesetzte sogenannte Preistreiber im Publikum, die durch das theoretische Mitbieten den Preis in die Höhe treiben sollen.
Die Aufstellung des geringsten Gebots und damit auch des Bargebots richtet sich dabei nicht nach materiell-rechtlichen Erwägungen, sondern allein nach dem Rangklassensystem des Zwangsversteigerungsgesetzes (BGH 29.10.2015 - V ZB 65/15).
Ist die Bietzeit abgelaufen, wird das Höchstgebot verkündet. Gleichzeitig werden die Bieter aufgefordert, noch weitere Gebote abzugeben. Bleiben diese aus, wird das Höchstgebot ausgezählt (Zum Ersten, zum Zweiten ...). Dann folgt eine Verhandlung über den Zuschlag, die der Meistbietende jedoch durch die Stellung des Antrags auf sofortige Zuschlagserteilung beenden kann.
5 Einstellung der Zwangsversteigerung im Termin
Nach der Entscheidung BGH 16.10.2008 - V ZB 48/08 hat das Vollstreckungsgericht das Verfahren von Amts wegen einzustellen, wenn im Termin die Zahlung an die Gerichtskasse durch einen nach §§ 268, 1150, 1192 BGB zur Ablösung berechtigten Gläubiger nachgewiesen wird:
§ 75 ZVG sieht zwar nur den Zahlungsnachweis des Schuldners als Voraussetzung für die Einstellung des Verfahrens von Amts wegen an, aber aus dem Wortlaut der Vorschrift ergeben sich jedoch bereits zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass auch ein ablösungsberechtigter Gläubiger die Einstellung des Verfahrens durch Zahlung an die Gerichtskasse herbeiführen kann und die Erwähnung eines Nachweises der Zahlung (allein) durch den Schuldner auf einem redaktionellen Versehen beruht.
6 Zuschlag
6.1 Termin zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung
Nach § 87 ZVG ist der Beschluss, durch welchen der Zuschlag erteilt oder versagt wird, in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin, der nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll, zu verkünden. Das Vollstreckungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob es die Zuschlagsentscheidung sogleich im Versteigerungstermin verkündet oder einen Verkündungstermin anberaumt. Grundsätzlich soll es die Zuschlagsentscheidung schon im Versteigerungstermin verkünden, weil alle Beteiligten an einer raschen Klärung der Rechtslage interessiert sind und weil der Meistbietende bis zur Verkündung nicht weiß, ob er den Zuschlag erhält, er aber trotzdem an sein Gebot gebunden bleibt; der besondere Verkündungstermin sollte die Ausnahme sein. So ist es beispielsweise ermessensfehlerhaft, wenn das Vollstreckungsgericht von einer Entscheidung über den Zuschlag im Versteigerungstermin nur deshalb absieht, weil der betreibende Gläubiger Gelegenheit erhalten möchte, mit dem Meistbietenden über eine Zuzahlung außerhalb des Verfahrens zu verhandeln.
Ausnahmsweise kann bei Vorliegen besonderer Umstände eine verfassungskonforme Anwendung des § 87 Abs. 1 ZVG allerdings dazu führen, dass das Vollstreckungsgericht verpflichtet ist, einen besonderen Verkündungstermin anzuberaumen, etwa um dem Schuldner die Gelegenheit zu geben, mit einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO eine eventuell drohende Verschleuderung des Grundbesitzes zu verhindern. Beraumt das Vollstreckungsgericht in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens einen Verkündungstermin an, kann dieser ausnahmsweise verlegt oder vertagt werden. Das darf jedoch nur aus zwingenden Gründen erfolgen, erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO genügen nicht (BGH 12.05.2016 - V ZB 141/15).
6.2 Versagung des Zuschlags
Der Zuschlag ist aus den in §§ 83 ZVG, 85 ZVG und 85a Abs. 1, 2 ZVG genannten Gründen zu versagen.
Entspricht das in der Versteigerung zu erzielende Höchstgebot nicht mindestens 5/10 (50 %) des Verkehrswertes, so ist der Zuschlag von Amts wegen zu versagen, § 85a Abs. 1, 2 ZVG.
Entspricht das Höchstgebot nicht mindestens 7/10 (70 %) des Verkehrswertes, so ist der Zuschlag auf Antrag eines Berechtigten, d.h. eines Gläubigers, dessen Anspruch mit dem Gebot nicht gedeckt sein wird, zu versagen, § 74a Abs. 1 ZVG.
Folge der Versagung des Zuschlags ist die Bestimmung eines neuen Versteigerungstermins, in dem die Versagung des Zuschlags aus diesen beiden Gründen dann nicht mehr möglich ist.
Nach dem Urteil BGH 24.11.2005 - V ZB 98/05 sind Gebote in der Zwangsversteigerung, die unter der Hälfte des Grundstückswerts liegen, nicht allein aus diesem Grund unwirksam und zurückzuweisen. Die Abgabe eines Gebots allein zur Herbeiführung der Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1, 2 ZVG ist nicht rechtsmissbräuchlich. Aber die Richter stellten weiterhin fest, dass das Eigengebot eines Gläubigervertreters unwirksam ist, wenn das Gebot allein mit dem Ziel abgegeben wird, dass in einem weiteren Versteigerungstermin einem anderen der Zuschlag auf ein Gebot unter 7/10 bzw. unter der Hälfte des Grundstückswerts erteilt werden kann.
6.3 Zahlung des Kaufpreises
Nach dem Zuschlag muss der Ersteher 10 % des Kaufpreises durch Überweisung, als gerichtliche Hinterlegung, durch die Bürgschaft eines Kreditinstituts oder mit einem Scheck zahlen. Gemäß der bestehenden Praxis ist die Barzahlung im Zwangsversteigerungsverfahren nach einer Änderung des § 49 ZVG nunmehr auch gesetzlich ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Sicherheitsleistung.
7 Ende des Verfahrens
Der endgültige Kaufpreis ist vor dem vom Gericht festgesetzten Verteilungstermin zu zahlen.
Der Erlös wird in dem Verteilungsverfahren an die Gläubiger verteilt.
Um dem Ersteher vor Entrichtung des Meistgebots den Besitz zu verwehren, ist das Grundstück gemäß § 94 Abs. 1 S. 1 ZVG auf Antrag eines Beteiligten für Rechnung des Erstehers bis zur Begleichung des Meistgebots in gerichtliche Verwaltung zu nehmen.
Wird die gerichtliche Verwaltung angeordnet, steht dem Verwalter ein Vergütungsanspruch nur gegen den Ersteher und nicht auch gegen den antragstellenden Gläubiger zu (BGH 26.02.2015 - IX ZR 172/14).
Das Verfahren zur Inbesitznahme durch den Ersteher richtet sich nach dem vom Gesetz in § 885 ZPO vorgesehenen formalisierte Räumungsverfahren. Sofern dieses nicht eigehalten wird und der Ersteher die Immobilie eigenmächtig in Besitz nimmt, hat dies folgende Konsequenzen:
"Nimmt der Ersteher die ersteigerte Immobilie eigenmächtig in Besitz, trifft ihn die Obliegenheit, ein Verzeichnis über die in der Immobilie vorgefundenen, von dem Zuschlagsbeschluss nicht erfassten Gegenstände zu erstellen und deren Wert schätzen zu lassen. Kommt er dem nicht nach, muss er beweisen, inwieweit die Angaben des Schuldners zu dem Bestand, Zustand und Wert der Gegenstände, die sich im Zeitpunkt der Räumung in dem Haus befunden haben sollen, unzutreffend sind, soweit dessen Angaben plausibel sind" (BGH 23.06.2017 - V ZR 175/16).
8 Suizidgefahr des Schuldners
Der Zuschlag ist nicht ohne Weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen, wenn eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Erforderlich ist vielmehr, das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz) gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann.
Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die Ingewahrsamnahme des suizidgefährdeten Schuldners nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen sowie die betreuungsrechtliche Unterbringung.
Ist dies nicht möglich, so ist die Einstellung zu befristen und mit Auflagen zu versehen, die das Ziel haben, die Gesundheit des Schuldners wiederherzustellen. Das gilt auch dann, wenn die Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustands des Schuldners gering sind. Diesem ist es im Interesse des Gläubigers nämlich zuzumuten, auf die Verbesserung seines Gesundheitszustands hin zu arbeiten und den Stand seiner Behandlung regelmäßig nachzuweisen (BGH 12.11.2014 - V ZB 99/14).