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Verkehrswert

 Normen 

§ 194 BauGB

ImmoWertV

BR-Drs. 407/21

 Information 

1. Allgemein

Die Immobilienwertermittlungsverordnung ist am 01.01.2022 in einer überarbeiteten Fassung in Kraft getreten. Dabei wurden die wesentlichen Grundsätze zur Wertermittlung und zur Ermittlung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten, die sich bislang teilweise aus der geltenden Immobilienwertermittlungsverordnung, teilweise aus den bisherigen Richtlinien ergeben haben, in systematischer und übersichtlicher Weise zusammengefasst.

Wesentliche Änderungen wurden nicht vorgenommen.

Anders als bisher ist die neue Immobilienwertermittlungsverordnung auch auf die Wertermittlung von grundstücksbezogenen Rechten und Belastungen anwendbar.

2. Definition des Verkehrswerts

Der Verkehrswert ist in § 194 BauGB definiert: Danach wird der Verkehrswert durch den Preis bestimmt, der zu dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht,

  • im gewöhnlichen Geschäftsverkehr,

  • nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften,

  • der sonstigen Beschaffenheit und

  • der Lage des Grundstückes (oder des sonstigen Gegenstandes der Wertermittlung)

  • ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse

zu erzielen wäre. Der Verkehrswert entspricht dem im Europäischen Recht verwendeten Begriff des Marktwerts (market value, siehe BGH 28.04.2011 - V ZR 192/10).

Der Verkehrswert wird stichtagsbezogen ermittelt. Wertermittlungsstichtag ist gemäß § 2 Absatz 4 ImmoWertV der Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung bezieht und der für die Ermittlung der allgemeinen Wertverhältnisse maßgeblich ist.

3. Methoden zur Ermittlung des Verkehrswerts

3.1 Die einzelnen Methoden

Die Ermittlung des Verkehrswerts richtet sich nach den Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung.

Hinweis:

Die Wertermittlungsrichtlinien und andere Richtlinien zur Ermittlung des Verkehrswerts sind nicht mehr anzuwenden.

Zur Ermittlung des Verkehrswerts eines Grundstücks / einer Immobilie stehen gemäß § 6 ImmoWertV grundsätzlich folgende Verfahren zur Verfügung:

  • Das Ertragswertverfahren (§§ 27 -34 ImmoWertV):

    Üblicher Anwendungsbereich: Renditeobjekte.

    Das Ertragswertverfahren berücksichtigt die marktüblich erzielbaren Mieterträge als wesentlichen Einflussfaktor (siehe insofern § 5 Abs. 3 ImmoWertV) auf den Verkehrswert. Der Ertragswert ist somit die Summe der Barwerte aller bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig erzielbaren Reinerträge einschließlich des Barwertes des Bodens.

    Es bestehen folgende Ertragswertverfahren:

    • das allgemeine Ertragswertverfahren

    • das vereinfachte Ertragswertverfahren

    • das periodische Verfahren (Ertragswertverfahren auf der Grundlage periodisch unterschiedlicher Erträge)

  • Das Sachwertverfahren (§§ 35 -39 ImmoWertV):

    Üblicher Anwendungsbereich: Ein- und Zweifamilienhäuser.

    Im Sachwertverfahren stehen die Herstellungskosten im Vordergrund. Die Ermittlung des Sachwertes hat zunächst einmal zum Inhalt, die Ersatzbeschaffungskosten der Immobilie zu heutigen Preisen zu ermitteln. Danach wird der errechnete Wert um Abschläge wegen des Alters oder anderer Faktoren reduziert.

    Der Sachwert des (bebauten) Grundstücks wird gemäß § 35 ImmoWertV aus den folgenden Werten ermittelt:

    • Dem Sachwert der baulichen Anlagen.

      Der Sachwert ist nur für nutzbare Anlagen zu ermitteln. Dies unterstreicht die Marktorientierung der Wertermittlung. Maßgeblich für die Beurteilung der Nutzbarkeit von Anlagen ist nach der Gesetzesbegründung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Betroffen können etwa Wohngebäude in Stadtumbaugebieten sein, die nicht ausreichend nachgefragt werden und auch nicht in wirtschaftlicher Weise umgenutzt werden können.

      Der Sachwert der nutzbaren baulichen Anlagen wird gemäß § 36 ImmoWertV in folgenden Schritten ermittelt:

      1. a)

        In einem ersten Schritt sind die durchschnittlichen Herstellungskosten des Gebäudes zu ermitteln.

        Zunächst sind die Normalherstellungskosten je Flächen-, Raum- oder sonstiger Bezugseinheit zu ermitteln. Die Normalherstellungskosten werden auch als gewöhnliche Herstellungskosten bezeichnet.

        Die Normalherstellungskosten sind die Kosten, die marktüblich für die Neuerrichtung einer entsprechenden baulichen Anlage aufzuwenden wären. Zu den Normalherstellungskosten gehören auch die Baunebenkosten. Die Normalherstellungskosten sind nicht für jedes Gebäude gesondert zu ermitteln, sondern ergeben sich aus der Anwendung der Baukostentabelle NHK 2010, die in der Anlage 4 der ImmoWertV aufgeführt ist.

      2. b)

        Die Normalherstellungskosten sind anschließend mit der Anzahl der in der baulichen Anlage bestehenden Bezugseinheiten zu vervielfachen.

      3. c)

        Anschließend sind die Normalherstellungskosten mithilfe von Baupreisindexreihen an die Preisverhältnisse am Wertermittlungsstichtag anzupassen.

        Hinweis:

        Mit der Überarbeitung der ImmoWertV wurde zur klareren begrifflichen Abgrenzung eindeutiger als bisher herausgestellt, dass es sich bei den durchschnittlichen Herstellungskosten um einen absoluten Wert handelt, während der Begriff "Normalherstellungskosten" nur für die Benennung der auf eine Flächeneinheit bezogenen modellhaften Kostenkennwerte verwendet werden soll (Absatz 2 Satz 2). In der Vergangenheit dagegen wurde der Begriff "Normalherstellungskosten" nicht nur zur Bezeichnung der auf eine Bezugseinheit bezogenen Normalherstellungskosten, sondern auch zur Bezeichnung der absoluten Herstellungskosten verwendet. Auf den von § 22 Absatz 1 ImmoWertV 2010 zusätzlich verwendeten Begriff der gewöhnlichen Herstellungskosten wurde verzichtet.

    • Dem Sachwert der baulichen Außenanlagen.

      Voraussetzung ist, dass die Anlagen wertbeeinflussend sind und nicht anderweitig erfasst wurden.

    • Dem Sachwert der sonstigen Anlagen (z.B. außergewöhnliche Gartengestaltung).

      Voraussetzung ist, dass die Anlagen wertbeeinflussend sind und nicht anderweitig erfasst wurden.

    • Dem Bodenwert.

  • Das Vergleichswertverfahren (§§ 24 - 26 ImmoWertV) :

    Üblicher Anwendungsbereich: Unbebaute Grundstücke.

    Wesen des Vergleichswertverfahrens ist der Vergleich mit vorgefundenen Verkaufspreisen vergleichbarer Objekte.

    Die Problematik dieses Verfahrens liegt in der Erfassung einer ausreichenden Anzahl an geeigneten Vergleichsobjekten. Hierbei kann sich der Gutachter sowohl eigener Erfahrungen und Marktkenntnissen als auch der Informationen anderer Quellen bedienen. Der Vergleichswert wird wie folgt ermittelt:

    1. a)

      Zunächst sind die Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufweisen. Wesentlich für den Vergleich ist die Übereinstimmung der wertrelevanten Merkmale der Objekte. Dies können sein:

      • Lage

      • Bodenbeschaffenheit

      • Größe

      • Grundstücksgestalt

      • Erschließungszustand

    2. b)

      Ist dies nicht möglich, können auch Vergleichspreise aus anderen vergleichbaren Gebieten herangezogen werden.

      Aber:

      "Liegen keine vom Gutachterausschuss ermittelten Vergleichspreise vor, kann sich der Vergleichspreis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG auch aus einem zeitnah zum Bewertungsstichtag vereinbarten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück ergeben" (BFH 24.08.2022 - II R 14/20).

    3. c)

      Änderungen der allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt oder Abweichungen einzelner Grundstücksmerkmale sind in der Regel auf der Grundlage von Indexreihen oder Umrechnungskoeffizienten zu berücksichtigen.

Dabei ist immer die Lage auf dem Grundstücksmarkt zu berücksichtigen.

3.2 Auswahl der Methode

Gemäß § 6 ImmoWertV sind grundsätzlich das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren, das Sachwertverfahren heranzuziehen.

Hinweis:

Mit dem eingefügten Wort "grundsätzlich" wird nunmehr auch die Anwendung anderer Wertermittlungsverfahren ermöglicht. Eine Notwendigkeit parallel zur Anwendung eines nicht normierten Verfahrens stets auch ein normiertes Verfahren anzuwenden, besteht nicht. Zugleich folgt aus dem Wort "grundsätzlich", dass die Wahl eines nicht normierten Verfahrens eine Ausnahme darstellt. In der nach Absatz 1 Satz 2 Halbsatz geforderten Begründung, sind die Gründe für die Ausnahme entsprechend darzustellen. Das Begründungserfordernis wird an dieser Stelle aufgrund der Bedeutung der Verfahrenswahl besonders betont; die allgemein bestehende Notwendigkeit, Verkehrswertgutachten zu begründen, bleibt davon unberührt.

Der Sachverständige entscheidet im Einzelfall über die Methode seiner Wahl. Zumeist steht eines der Verfahren im Vordergrund, unterstützend werden jedoch die beiden anderen Verfahren hinzugezogen.

4. Verkehrswertermittlung nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz

Bei der Verkehrswertermittlung nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz gemäß § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG kommt der vom Grundstückseigentümer beabsichtigten Nutzung des vom Nutzer errichteten Bauwerks nach Rückerhalt maßgebliche Bedeutung zu. Daher fehlt es regelmäßig an einer Verkehrswerterhöhung durch das Bauwerk, wenn der Grundstückseigentümer dessen Abriss und die Renaturierung des Grundstücks plant (BGH 09.04.2014 - XII ZR 161/13).

 Siehe auch 

Beleihung von Grundstücken

Bewertung

Bodenrichtwert

Einheitswert

Immobilienwertermittlung

Korte: Bedarfswert und Verkehrswert. Täglich geübte Praxis für den Bewertungssachverständigen; Neue Wirtschafts-Briefe - NWB 2009, 1688

Scherr: Energetische Eigenschaften nach ImmoWertV - Berücksichtigung der Energieeffizienz in Gutachten, Auswirkung auf den Verkehrswert; Grundstücksmarkt und Grundstückswert; GuG 2011, 19

Simon: Verkehrswert eines mit einem Nießbrauch belasteten Mehrfamilienhausgrundstücks; Grundstücksmarkt und Grundstückswert - GuG 2006, 108

Simon: Verkehrswert von Wohnungsrecht und Nießbrauch nach WertR; Grundstücksmarkt und Grundstückswert - GuG 2006, 211

Weyers: Verkehrswert eines gemischt genutzten Grundstücks; Grundstücksmarkt und Grundstückswert - GuG 2005, 286