Willenserklärung
1 Allgemein
Eine Willenserklärung ist eine Erklärung einer Person, die auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist.
Erforderlich ist ein äußerer Erklärungstatbestand, die Handlung muss erkennbar willentlich erfolgen und von einem Rechtsbindungswillen getragen sein, der z.B. bei Gefälligkeitsverhältnissen fehlt. Notwendig ist ein innerer Erklärungstatbestand, der Erklärende muss einen inneren Handlungswillen haben.
Eine Willenserklärung ist abzugrenzen von einer Wissenserklärung, bei der der Rechtsbindungswille fehlt. Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung oder lediglich als Wissenserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.
Beispiele für Wissenserklärungen:
Entgeltabrechnungen (BAG 19.03.2019 – 9 AZR 881/16)
Der Inhalt von Willenserklärungen unterliegt gemäß §§ 133, 157 BGB der Auslegung, ihre Anfechtung ist möglich.
Es wird unterschieden zwischen
empfangsbedürftigen
und
nicht-empfangsbedürftigen Willenserklärungen.
Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nicht an eine andere Person gerichtet.
Willenserklärungen unterliegen bei einem unklaren Erklärungstatbestand der Auslegung.
2 Zugang
Grundsätzlich setzt das Wirksamwerden einer Willenserklärung deren Zugang voraus.
Zugang unter Anwesenden:
Die Wirksamkeit einer empfangsbedürftigen Willenserklärung erfordert den Zugang der Erklärung. Willenserklärungen unter Anwesenden gehen mit der Abgabe zu.
Zugang unter Abwesenden:
Eine Willenserklärung unter Abwesenden geht zu, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist.
Beispiel:
Der um 23.00 Uhr in den Briefkasten des Empfängers gelegte Brief geht diesem im Zeitpunkt der regulären Postzustellung zu.
Ein am 31.12. in den Briefkasten eines Bürobetriebs geworfenes Schriftstück, in dem branchenüblich Silvester nachmittags nicht mehr gearbeitet wird, geht erst am nächsten Werktag zu (BGH 05.12.2007 – XII ZR 148/05).
Zugang bei Nutzung der Post/Briefzustellung:
Wenn das Schriftstück beweisbar (Zeugen) zu einem bestimmten Termin in die Post gegeben wurde, ist durch die den Postdienstleistern gesetzlich vorgegebene Höchstlaufzeit einer Briefsendung der Zugang zu einem bestimmten Termin grundsätzlich bewiesen: Nach ständiger Rechtsprechung dürfen einer Partei Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung nicht als Verschulden angerechnet werden. Sie darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Post für den Normalfall festgelegt werden (OLG Hamm 17.02.2009 – 3 Ws 37,38/09). Dies gilt auch für die Zeiträume vor und nach Feiertagen (BGH 19.07.2007 – I ZB 100/06).
Hinweis
Mit dem Inkrafttreten des neuen Postgesetzes zum 19.07.2024 wurden die Laufzeitvorgaben angepasst, die Postuniversaldienstleistungsverordnung ist aufgehoben.
Nunmehr gilt nach § 18 PostG Folgendes:
95 % der inländischen Briefsendungen müssen spätestens am dritten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt werden und 99 % der Sendungen am vierten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag. Der festgelegte Wert bezieht sich auf den Jahresdurchschnitt. Die gleiche Vorgabe gilt auch für Pakete.
Für die Frage, ob sich eine Partei auf eine rechtzeitige Zustellung eines Schriftstücks verlassen konnte, ist aber nicht auf solche unvorhersehbaren Ausnahmefälle, sondern darauf abzustellen, ob die Postlaufzeiten regelmäßig in einem Umfang eingehalten werden, der bei einzelnen Bürgern das berechtigte Vertrauen in die Einhaltung dieser Postlaufzeiten begründet. Das ist nach den jetzt gesetzlich vorgegebenen Quoten der Fall. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss deswegen niemand mit längeren Postlaufzeiten rechnen, die eine ernste Gefahr der Fristversäumung begründen. Dies gilt auch für die Nutzung eines privaten Kurierdienstes (BGH 23.01.2008 – XII ZB 155/07).
Zugang des Anhangs einer Mail:
Das OLG Hamm (OLG Hamm 09.03.2022 – 4 W 119/20) hat zu der Frage Stellung genommen, wann eine Willenserklärung zugeht, die in dem Anhang einer E-Mail enthalten ist. Nach der Ansicht der Richter ist die Willenserklärung t ist die Willenserklärung es in der Regel nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat.
Zugang durch Hilfspersonen:
Bei der Abgabe bzw. dem Zugang von Willenserklärungen können folgende Hilfspersonen eingeschaltet werden:
Empfangsbote: Personen, die zur Entgegennahme von Erklärungen für den Empfänger ermächtigt sind (z.B. Ehepartner). Die Willenserklärung geht in dem Zeitpunkt zu, in dem mit der Weitergabe an den Empfänger gewöhnlich zu rechnen ist.
Empfangsvertreter: Personen, die den Empfänger ersetzen. Die Willenserklärung geht in dem Zeitpunkt der Erklärung zu.
Erklärungsbote: Personen, die weder als Empfangsboten noch als Empfangsvertreter anzusehen sind. Die Willenserklärung geht in dem Zeitpunkt der tatsächlichen Übermittlung zu.
3 Schweigen
Schweigen gilt grundsätzlich nicht als die Abgabe einer Willenserklärung. Die Ausnahmen sind gesetzlich geregelt:
a) Schweigen ist Zustimmung beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben und wenn dies ausdrücklich so vereinbart wurde.
b) Schweigen gilt als Ablehnung in den folgenden gesetzlich geregelten Fällen:
4 Widerruf
Eine Willenserklärung kann wie folgt widerrufen werden:
Bei der Abgabe unter Abwesenden muss gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 BGB der Widerruf dem Empfänger vor dem Zugang oder zumindest gleichzeitig mit dem Zugang der Willenserklärung zugehen.
Bei der Abgabe unter Anwesenden kann eine mündliche Willenserklärung nicht widerrufen werden. Eine schriftliche Willenserklärung kann vor dem Zugang widerrufen werden, d.h. z.B. solange der Brief noch nicht übergeben ist.
5 Geschäftsfähigkeit
Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen oder Willenserklärungen, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wurden, sind gemäß § 105 BGBnichtig.
Gegenüber Kindern, die das siebte Lebensjahr vollendet haben (zuvor besteht eine Geschäftsunfähigkeit), abzugebende Willenserklärungen sind gegenüber den gesetzlichen Vertretern abzugeben, es sei denn sie beinhalten gemäß § 131 Abs. 2 BGB nur einen rechtlichen Vorteil für das Kind.