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Kündigung - Arbeitsrecht - Zugang

Normen

§ 130 BGB

Information

1 Allgemein

Damit eine arbeitsrechtliche Kündigung wirksam wird, muss sie dem Arbeitnehmer zugehen.

Der Zugang einer Willenserklärung ist nach der ständigen Rechtsprechung bewirkt, wenn die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter gewöhnlichen Verhältnissen mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger zu rechnen ist.

2 Zugang unter Anwesenden

Nach dem Urteil BAG 04.11.2004 – 2 AZR 17/04 ist es für den Zugang einer schriftlichen Kündigungserklärung unter Anwesenden unerheblich, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt hat. Es genügt die Aushändigung und Übergabe des Schriftstücks, sodass der Empfänger in der Lage ist, von dem Schriftstück Kenntnis zu erhalten.

3 Zugang unter Abwesenden

Unter Abwesenden ist der Zugang wie folgt bewirkt bzw. wird fingiert:

  • Bei der Briefzustellung:

Das Schriftstück ist zugegangen, sobald es in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen.

Wann bei dem Einwurf in den Briefkasten die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, ist nach den »gewöhnlichen Verhältnissen« und den »Gepflogenheiten des Verkehrs« zu beurteilen (BAG 22.8.2019 – 2 AZR 111/19):

»So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Ihn trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, wird der Zugang durch solche - allein in seiner Person liegenden - Gründe nicht ausgeschlossen.«

Danach sind Schriftstücke, die wesentlich nach den örtlichen Postzustellungszeiten in den Briefkasten geworfen werden, nicht mehr an diesem Tag zugegangen.

  • Bei Versendung per Einschreiben: Wenn das Schriftstück dem Empfänger übergeben wird.

Der Zugang ist bei einem Einschreiben nicht allein durch den Einwurf eines Benachrichtigungsschreibens mit der Aufforderung bewirkt, das Schriftstück innerhalb einer bestimmten Frist abzuholen. Holt der Adressat das Schriftstück nicht ab, so ist kein Zugang erfolgt. Denn es besteht nach der Rechtsprechung keine allgemeine Obliegenheit, Willenserklärungen zu empfangen und deshalb auf Benachrichtigung hin Briefe von der jeweils zuständigen Poststelle abzuholen (OLG Brandenburg 03.11.2004 – 9 UF 177/04). Etwas anderes gilt nur, wenn der Adressat mit dem Schreiben rechnen musste. In diesen Fällen wird der Zugang aufgrund einer treuwidrigen Vereitelung fingiert.

  • Bei der Zustellung per Boten: Wenn das Schriftstück dem Empfänger übergeben wird.

Wenn das Schriftstück einem Empfangsboten übergeben wird: Das BAG hat mit der Entscheidung BAG 24.05.2018 – 2 AZR 72/18 eine Begriffsbestimmung des Empfangsboten vorgenommen sowie erläutert, wann in diesen Fällen der Zugang bewirkt ist:

»Wird ein Schreiben einem Empfangsboten übergeben, ist es dem Adressaten i.S.v. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen, sobald nach den gewöhnlichen Umständen mit der Weiterleitung an diesen zu rechnen ist (…). Der Empfangsbote hat lediglich die Funktion einer personifizierten Empfangseinrichtung des Adressaten (…). Vom Adressaten, auf den es für den Zugang allein ankommt, kann daher erst nach Ablauf der Zeit, die der Empfangsbote für die Übermittlungstätigkeit unter den obwaltenden Umständen normalerweise benötigt, erwartet werden, dass er von der Erklärung Kenntnis nehmen kann (…).

Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigt worden oder nach der Verkehrsauffassung als ermächtigt anzusehen ist, Willenserklärungen oder diesen gleichstehende Mitteilungen mit Wirkung für den Erklärungsempfänger entgegenzunehmen (…). Ebenso wie der Adressat dafür Sorge zu tragen hat, dass er von Erklärungen, die in seinen Machtbereich gelangt sind, Kenntnis erhält, kann er sich nicht auf seine Unkenntnis berufen, wenn solche Erklärungen an Personen übergeben werden, die regelmäßig Kontakt zu seinem Machtbereich haben und auch aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten geeignet erscheinen, Erklärungen an ihn weiterzuleiten (…). Die Eigenschaft, Empfangsbote sein zu können, ist bejaht worden, wenn eine auf eine gewisse Dauer angelegte räumliche Nähe zum Adressaten gegeben war sowie bei Bestehen einer persönlichen oder vertraglichen Beziehung (…). Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist die Eigenschaft als Empfangsbote aber nicht abhängig vom Bestehen einer persönlichen oder vertraglichen Beziehung zwischen Empfangsbote und Adressat. Auch eine normativ ausgestaltete Verpflichtung, eine Willenserklärung an den Adressaten weiterzuleiten, kann eine Empfangsbotenstellung begründen. Diese steht einer freiwillig begründeten Beziehung zu einer anderen Person mit Zugang zum eigenen Machtbereich gleich. Für die Erwartungen des Rechtsverkehrs ist es unerheblich, ob die Pflichtenstellung durch Vertrag oder durch Rechtsnormen begründet ist. Die Mitarbeiter einer in Hessen gelegenen JVA sind grundsätzlich Empfangsboten für Schriftstücke, die an dort inhaftierte Beschuldigte gerichtet werden.«

  • Bei der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher: Wenn das Schriftstück dem Empfänger übergeben wird.

Sofern die Kündigung aufgrund eines Wohnortswechsels des Arbeitnehmers nicht zugestellt werden kann und der Arbeitnehmer seine neue Adresse dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt hat, hat der Arbeitnehmer die Zustellung dennoch nicht treuwidrig vereitelt, wenn er zumindest eine Ummeldung bei dem Einwohnermeldeamt vorgenommen hat (LAG Düsseldorf 15.08.2017 – 3 Sa 348/17).

4 Zugang gegenüber einem Minderjährigen

Die Kündigung des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses eines in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Minderjährigen erfordert, dass sie mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden ist, dass sie seinen gesetzlichen Vertreter erreicht, und sie tatsächlich in den Herrschaftsbereich des Vertreters gelangt (BAG 08.12.2011 – 6 AZR 354/10).

5 Beweis

Im Kündigungsschutzprozess wird der Zugang oftmals bestritten. Beweisbar wird der Zugang einer Kündigung durch die Zustellung durch einen Boten, durch den Gerichtsvollzieher oder das Versenden als Einschreiben mit Rückschein.

Wurde das Kündigungsschreiben als Einschreiben mit Rückschein versendet und bestreitet der Arbeitnehmer trotzdem den Zugang der Kündigung, so muss er nachweisen, dass das ihm zugegangene Schriftstück einen anderen Inhalt als die Kündigungserklärung aufwies.

Aber auch wenn das Schriftstück (durch Zeugen) beweisbar zu einem bestimmten Termin in die Post gegeben wurde, ist der Zugang zu einem bestimmten Termin bewiesen: Nach ständiger Rechtsprechung dürfen einer Partei Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung nicht als Verschulden angerechnet werden. Sie darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Post für den Normalfall festgelegt werden. Dies gilt auch für die Zeiträume vor und nach Feiertagen (BGH 19.07.2007 – I ZB 100/06):

Die den Postdienstleistern gesetzlich vorgegebenen Postlaufzeiten sind seit dem 19.07.2024 in § 18 PostG geregelt:

Danach müssen 95 % der Briefsendungen spätestens am dritten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt werden und 99 % der Sendungen am vierten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag. Der festgelegte Wert bezieht sich auf den Jahresdurchschnitt. Die gleiche Vorgabe gilt auch für Pakete.

Die Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLVO) ist zum 19.07.2024 außer Kraft getreten.

Für die Frage, ob sich eine Partei auf eine rechtzeitige Zustellung eines Schriftstücks verlassen konnte, ist aber nicht auf solche unvorhersehbaren Ausnahmefälle, sondern darauf abzustellen, ob die Postlaufzeiten regelmäßig in einem Umfang eingehalten werden, der bei einzelnen Bürgern das berechtigte Vertrauen in die Einhaltung dieser Postlaufzeiten begründet. Das ist nach den jetzt gesetzlich vorgegebenen Quoten der Fall. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss deswegen niemand mit längeren Postlaufzeiten rechnen, die eine ernste Gefahr der Fristversäumung begründen. Dies gilt auch für die Nutzung eines privaten Kurierdienstes (BGH 23.01.2008 – XII ZB 155/07).

6 Zugang während der urlaubsbedingten Abwesenheit

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich auch berechtigt, eine Kündigung während der urlaubsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers abzuschicken.

Eine aufgrund dessen verspätete Kündigungsschutzklage (Drei Wochen-Frist) wird vom Arbeitsgericht gemäß § 5 KSchG nachträglich zugelassen.

metis