Rechtswörterbuch

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Zustellung - Zivilprozess

 Normen 

§§ 166 - 195 ZPO

 Information 

1. Begriffsbestimmung

Als Zustellung wird die (förmliche) Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person bezeichnet.

Nicht alle gerichtlichen Schriftstücke sind zuzustellen. In den meisten Fällen wird formlos zugestellt, d.h. durch Versenden auf dem einfachen Postwege. Die gesetzlichen Vorgaben der förmlichen Zustellung sind nur einzuhalten, wenn dies ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist oder durch das Gericht angeordnet wurde.

Im Wesentlichen wird die Zustellung bei folgenden Vorgängen gefordert:

2. Die verschiedenen Zustellungsformen

2.1 Allgemein

Zu unterscheiden sind:

2.2 Amtszustellung

Die Zustellung erfolgt durch die Geschäftsstelle. Diese kann die Zustellung auf folgenden, in den §§ 173 - 176 ZPO geregelten Wegen durch die (digitale) Post oder einen Justizbeamten ausführen lassen:

  • Übergabe an der Amtsstelle.

  • Empfangsbekenntnis an einen Rechtsanwalt, Notar oder einen anderen in §§ 174 ZPO genannten Personenkreis.

    Gemäß dem geänderten § 174 Abs. 4 ZPO ist die Zustellung des Empfangsbekenntnisses auch als elektronisches Dokument möglich (elektronisches Empfangsbekenntis - eEB).

    Hinweis:

    Der noch in der Gesetzesbegründung vorgesehene Nachweis der Zustellung durch eine automatisierte Eingangsbestätigung wurde in die endgültige Fassung des Gesetzes nicht aufgenommen.

    Wird eine Ladung zur mündlichen Verhandlung an einen Rechtsanwalt durch Empfangsbekenntnis zugestellt, kommt es für die Wirksamkeit der Zustellung darauf an, dass der Rechtsanwalt selbst Kenntnis vom Zugang des zuzustellenden Schriftstücks genommen hat. Bestreitet der Rechtsanwalt den Empfang der Ladung und ist das Empfangsbekenntnis nicht auffindbar, bedarf es eines sonstigen zweifelsfreien Nachweises, dass der Rechtsanwalt die Ladung erhalten hat. Das Gericht trägt die verfahrensrechtliche Beweislast für den Zugang der Ladung (BVerwG 27.07.2015 - 9 B 33/15).

  • Einschreiben mit Rückschein.

    Bei der Versendung als Einschreiben mit Rückschein ist der Zugang grundsätzlich bewiesen. Will der Empfänger den Zugang des Schriftstücks weiterhin bestreiten, muss er beweisen, dass das ihm zugegangene Schriftstück einen anderen Inhalt aufwies.

    Der Zugang ist jedoch bei einem Einschreiben nicht allein durch den Einwurf eines Benachrichtigungsschreibens mit der Aufforderung, das Schriftstück innerhalb einer bestimmten Frist abzuholen, bewirkt. Holt der Adressat das Schriftstück nicht ab, so ist kein Zugang erfolgt. Denn es besteht nach der Rechtsprechung keine allgemeine Obliegenheit, Willenserklärungen zu empfangen und deshalb auf Benachrichtigung hin Briefe von der jeweils zuständigen Poststelle abzuholen (OLG Brandenburg 03.11.2004 - 9 UF 177/04). Etwas anderes gilt nur, wenn der Adressat mit dem Zugang eines Schreibens rechnen musste. In diesen Fällen wird der Zugang aufgrund einer treuwidrigen Vereitelung fingiert.

  • Zustellungsauftrag an die Post, einen Justizbediensteten oder Gerichtsvollzieher. Die Ausführung der Zustellung erfolgt dann nach folgenden Möglichkeiten:

2.3 Parteizustellung

Zustellungsorgan ist grundsätzlich der Gerichtsvollzieher. Dieser kann jedoch die Zustellung durch die Post ausführen lassen.

Sind beide Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten, so kann die Zustellung durch Übermittlung von Rechtsanwalt zu Rechtsanwalt gemäß § 195 ZPO mittels eines Empfangsbekenntnisses erfolgen.

2.4 Öffentliche Zustellung

Die öffentliche Zustellung ist eine Sonderform der Amtszustellung und in §§ 185 - 188 ZPO geregelt. Sie ist anzuwenden, wenn die Durchführung einer herkömmlichen Zustellung aus folgenden Gründen scheitert:

  • Der Aufenthaltsort des Adressaten ist unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Bevollmächtigten nicht möglich.

  • Eine Zustellung in das Ausland ist nicht möglich oder Erfolg versprechend.

  • Der Ort der Zustellung ist die Wohnung einer Person, die gemäß der §§ 18 - 20 GVG nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt (z.B. diplomatische Vertretungen).

Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Aushang eines Schriftstücks an der Gerichtstafel. Die Zustellung wird nach dem Ablauf der Frist von einem Monat fingiert, das Prozessgericht kann einen längeren Zeitraum bestimmen.

Die öffentliche Zustellung eines Scheidungsantrags bestimmt sich gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG nach den §§ 185 - 186 ZPO. In diesen Vorschriften ist die Anfechtbarkeit einer Entscheidung, mit der die Bewilligung einer öffentlichen Zustellung versagt wurde, nicht ausdrücklich bestimmt. Trotzdem kann die den Antrag ablehnende Entscheidung in den sonstigen bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Deren Statthaftigkeit ergibt sich aus § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Diese Anfechtungsmöglichkeit besteht auch gegen die Ablehnung der öffentlichen Zustellung eines Scheidungsantrags (BGH 25.02.2015 - XII ZB 242/14).

2.5 Zustellung in das Ausland

Bei Zustellungen in das Ausland ist zwischen

  • Zustellungen in EU-Länder (VO 2020/1784)

    und

  • Zustellungen in sonstige Länder

zu unterscheiden.

Zustellungen in das übrige Ausland erfolgen auf den in § 183 ZPO aufgeführten Wegen:

  • durch Einschreiben mit Rückschein

  • durch die Behörden des Staates bzw. die diplomatische oder konsularische Vertretungen des Bundes

  • durch das Auswärtige Amt

Der Beweis der Zustellung wird durch den Rückschein oder das Zeugnis der ersuchten Behörde geführt.

3. Demnächst-Zustellung

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährungneu beginnen oder gehemmt werden, tritt gemäß § 167 ZPO diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

§ 167 ZPO ist grundsätzlich in den Fällen anwendbar, in denen durch die Zustellung einer Klage eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann. In Sonderfällen kommt die Rückwirkungsregelung nicht zur Anwendung (BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13).

Dabei ist das Merkmal "demnächst" nur erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Was nach der Rechtsprechung als "noch hinnehmbar" anzusehen ist, wird wie folgt konkretisiert:

  • Nach der Rechtsprechung des BGH (so u.a. BGH 10.02.2011 - VII ZR 185/07) ist die "Zustellung einer Klage jedenfalls dann noch demnächst erfolgt, wenn die durch den Kläger zu vertretende Verzögerung der Zustellung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet. Bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert."

  • Bei einem zu leistenden Gerichtskostenvorschuss handelt es sich um eine hinnehmbare Verzögerung, wenn dieser nach seiner Anforderung innerhalb eines Zeitraums eingezahlt wird, der sich um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt (BGH 10.07.2015 - V ZR 154/14).

  • Dabei kommt es mit Blick auf die Einzahlung des Kostenvorschusses bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf an, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (BGH 10.07.2015 - V ZR 154/14).

Der BGH hat klargestellt, wie weit die Mitwirkungshandlungen des Klägers gehen (BGH 21.03.2022 - VIa ZR 275/21):

"Hat der Kläger alle von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Klagezustellung erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt, sind er und sein Prozessbevollmächtigter im Weiteren grundsätzlich nicht mehr gehalten, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfragen auf die beschleunigte Zustellung hinzuwirken."

4. Heilung einer unwirksamen Zustellung

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es gemäß § 189 ZPO in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.

Der BGH hat zu den Grenzen der Heilung einer Zustellung wie folgt Stellung genommen:

"Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur setzt eine Heilung gemäß § 189 ZPO voraus, dass das Gericht eine förmliche Zustellung mit Zustellungswillen bewirken wollte. (...) Dieser Zustellungswille des Gerichts muss sich im Rahmen des § 189 ZPO zudem auf einen bestimmten Adressaten - bei mehreren Adressaten auf sämtliche - beziehen. (...)

Die Rechtsfrage, ob eine Heilung nach § 189 ZPO nur für Zustellungsmängel in Betracht kommt, die der Zustellung an den vorgesehenen Zustellungsadressaten anhaften, und sie daher nicht die Zustellung an einen Dritten ersetzen kann, ist - soweit ersichtlich - durch den Bundesgerichtshof bisher nicht geklärt. Der Senat entscheidet sie nunmehr in dem vorbezeichneten Sinne dahingehend, dass sich der Zustellungswille des Gerichts auf die Person beziehen muss, der gegenüber die Heilung nach § 189 ZPO eintreten soll. Nicht ausreichend für eine solche Heilung ist es hingegen, wenn dieser Person, ohne dass seitens des Gerichts an sie zugestellt werden sollte, das Dokument tatsächlich zugeht. Dies gilt im - hier gegebenen - Fall der Zustellung einer Klageschrift auch dann, wenn dieser im Wege der Auslegung - auch für den Empfänger - zu entnehmen ist, dass letzterer der Beklagte sein soll und das Gericht aus diesem Grund (erst) nach erfolgter Zustellung eine Berichtigung des Rubrums vornimmt" (BGH 29.03.2017 - VIII ZR 11/16).

Die Unwirksamkeit der Zustellung an eine prozessunfähige Person (§ 170 Abs. 1 S. 2 ZPO) kann gemäß § 189 ZPO dadurch geheilt werden, dass das zuzustellende Schriftstück dem gesetzlichen Vertreter der prozessunfähigen Person tatsächlich zugeht. § 167 ZPO erfasst auch die erst durch eine - insgesamt noch "demnächst" erfolgende - Heilung wirksam gewordene Zustellung (BGH 12.03.2015 - III ZR 207/14).

Das Erfordernis der Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klage ist durch das Zustellungsreformgesetz nicht beseitigt worden. Bei der durch die Geschäftsstelle veranlassten Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift handelt es sich um eine Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften, die geheilt werden kann (BGH 22.12.2015 - VI ZR 79/15).

 Siehe auch 

Ersatzzustellung

Zivilprozess

BGH 02.02.2011 - VIII ZR 190/10 (Geltungsumfang der zivilprozessualen Bestimmungen über Auslandszustellungen hinsichtlich der nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmenden Zustellungen im Ausland)

BGH 19.03.2008 - VIII ZR 68/07 (Zustellung des Vollstreckungsbescheids an prozessunfähige Partei)

BGH 19.09.2007 - VIII ZB 44/07 (Zustellung an bisherigen Prozessbevollmächtigten)

Grohmann: Zustellungen an eine Postfachadresse. Die Zustellung von Schriftstücken stellt die gerichtliche Praxis immer wieder vor Probleme; Deutsche Richterzeitung - DRiZ 2014, 220

Hansens: Gebühren des Gerichtsvollziehers bei Zustellung einer einstweiligen Verfügung; RVGreport 2010, 81

Heß: Neues deutsches und europäisches Zustellungsrecht; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2002, 2417

Kalaitzis: Haftungsfalle Empfangsbekenntis; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2016, 1542

Prütting/Gehrlein: ZPO. Kommentar; 15. Auflage 2023