Versicherungsvertrag
1 Allgemein
Ein Versicherungsvertrag ist ein Vertrag, durch den ein Versicherer gegen Entgelt den Ausgleich des vertraglich geregelten Versicherungsfalls für den Versicherungsnehmer übernimmt.
Rechtliche Grundlage des Versicherungsvertrages sind neben dem BGB und dem HGB das Versicherungsvertragsgesetz sowie die Versicherungsbedingungen als spezielle Ausformung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Versicherungsverträge werden grundsätzlich in zwei Arten unterteilt:
Personenversicherungen (z.B. die Lebensversicherung)
Schadensversicherung (auch Kompositversicherung genannt, z.B. die Rechtsschutzversicherung)
2 Inhalt des Versicherungsvertrages
Gemäß § 1 VVG verpflichtet sich der Versicherer mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat.
Hat ein Versicherungsmakler es pflichtwidrig unterlassen, ein bestimmtes Risiko abzudecken, so kann der Versicherungsnehmer von ihm verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er den erforderlichen Versicherungsschutz erhalten (BGH 26.03.2014 - IV ZR 422/12).
3 Abweichung des Inhalts des Versicherungsscheins vom Inhalt des zugrunde liegenden Antrags
Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins zugunsten des Versicherungsnehmers vom Inhalt des zugrunde liegenden Antrags ab, so kommt der Versicherungsvertrag auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VVG mit dem Inhalt des Versicherungsscheins zustande, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen eines Monats widerspricht (BGH 22.06.2016 - IV ZR 431/14).
4 Information und Beratung des Versicherungsnehmers
Die von dem Versicherungsvermittler bei seiner Berufsausübung zu beachtenden Pflichten sind in den §§ 59 - 68 VVG aufgeführt. Sie enthalten die Anforderungen an die Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers.
Gemäß § 61 VVG ist der Versicherungsvermittler zur Beratung des Versicherungsnehmers verpflichtet. Zudem ist ein erteilter Rat zu begründen. Das Ausmaß der Beratung hängt von der Schwierigkeit ab, die angebotene Versicherung zu beurteilen bzw. von der Person des Versicherungsnehmers. Der Umfang der Beratung kann in einem angemessenen Verhältnis zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämie stehen.
Bei einem Wechsel der Lebensversicherung muss der Versicherungsvermittler / Versicherungsvertreter) seinen Kunden (Versicherungsnehmer) insbesondere auf die Folgen und Risiken der vorzeitigen Kündigung einer bestehenden und des Abschlusses einer neuen Lebensversicherung hinweisen (BGH 13.11.2014 - III ZR 544/13).
Verletzt der Versicherer oder der Versicherungsvermittler die Beratungs- oder Dokumentationspflicht, ist er schadensersatzpflichtig.
Die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers kann zu Beweiserleichterungen bis hin zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Versicherungsnehmers führen. Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist (BGH 13.11.2014 - III ZR 544/13).
5 Widerruf des Versicherungsvertrages
Es bestehen folgende Möglichkeiten zum Widerruf des Versicherungsvertrages:
Die allgemeine Möglichkeit, den Versicherungsvertrag zu widerrufen, ist in § 8 VVG geregelt. Danach kann der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Dieses Recht hat jeder Versicherungsnehmer, es muss sich nicht mehr um einen im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vertrag handeln bzw. der Versicherungsnehmer muss kein Verbraucher sein. Das Widerrufsrecht besteht nur nicht bei den in § 8 VVG aufgeführten Versicherungsverträgen, z.B. Versicherungen eines Großrisikos.
Die Frist beginnt mit dem Zugang des Versicherungsscheins (vorher: Abschluss des Vertrages) sowie einer Belehrung über das Widerrufsrecht.
Bei Lebensversicherungen ist gemäß § 152 VVG die Widerrufsfrist auf 30 Tage erhöht.
Gemäß § 9 Abs. 2 VVG ist der Versicherungsnehmer nach dem wirksamen Widerruf des Vertrages auch nicht mehr an einen mit diesem Versicherungsvertrag zusammenhängenden Vertrag gebunden. Nach der gesetzlichen Definition handelt es sich um einen zusammenhängenden Vertrag, wenn er einen Bezug zu dem widerrufenen Vertrag aufweist und eine Dienstleistung des Versicherers betrifft.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein zusammenhängender Vertrag vorliegt, kann es nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/11469) insbesondere darauf ankommen, ob die betroffenen Verträge zueinander im Verhältnis von Haupt- und Nebenvertrag im Sinne eines Zusatzvertrags stehen und ob beide Verträge in einem engen zeitlichen Zusammenhang geschlossen wurden.
Beispiel:
In Betracht kommt z.B. dass einem Vertrag über die Hausratversicherung ein Vertrag über eine Fahrradversicherung hinzugefügt wird, etwa dann, wenn es sich um ein sehr teures Fahrrad handelt, das nicht ausreichend über die abgeschlossene Hausratversicherung abgesichert werden kann.
Macht der Versicherungsnehmer deutlich, dass ein Widerruf einen zusammenhängenden Vertrag nicht erfassen soll, bleiben die Vertragsparteien an den Zusatzvertrag gebunden. Dies setzt allerdings voraus, dass der Zusatzvertrag ohne den widerrufenen Vertrag durchgeführt werden kann.
6 Online-Versicherungsverträge
Die Regelungen über Fernabsatzverträge gelten nicht für Versicherungsverträge. Für den Versicherungsbereich wurden die Vorschriften vielmehr direkt im VVG umgesetzt.
7 Laufzeit des Versicherungsvertrages / Kündigung
Grundsätzlich können die Vertragsparteien die Laufzeit des Versicherungsvertrages frei bestimmen. Der Vertrag kann bei Vorliegen der Voraussetzungen ordentlich, außerordentlich oder nach einem gesetzlich geregelten Sonderkündigungsrecht gekündigt werden. Dieses Sonderkündigungsrecht besteht nach § 11 Abs. 4 VVG bereits ab dem Ende des dritten und dann zum Ende jedes folgenden Versicherungsjahres.
Allgemein bestehen für die Kündigung eines Versicherungsvertrages in § 11 Abs. 4 VVG folgende Vorgaben:
Die Kündigungsfrist muss für beide Vertragsparteien gleich lang sein. Sie darf einen Monat nicht unterschreiten und drei Monate nicht überschreiten.
Auf ein Kündigungsrecht kann höchstens für eine Dauer von zwei Jahren verzichtet werden.
Ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Versicherungsverhältnis kann nur zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode gekündigt werden.
8 Vorvertragliche Anzeigepflichten
Siehe den Beitrag "Obliegenheit - Versicherungsrecht".
9 Obliegenheitsverletzung
Siehe den Beitrag "Obliegenheit - Versicherungsrecht".
10 Vorläufige Deckungszusage
Der vorläufige Deckungsschutz ist in den §§ 49 - 52 VVG geregelt. Jedoch besteht kein Anspruch auf eine vorläufige Deckung, vielmehr sind in den Vorschriften die Rechte und Pflichten der Parteien bei dem Abschluss einer vorläufigen Deckung geregelt.
11 Klagefrist
Der Anspruch kann unbegrenzt gerichtlich geltend gemacht werden, jedoch kann die Klage aufgrund einer eingetretenen Verjährung ggf. unbegründet sein. Siehe insofern den Beitrag "Versicherungsvertrag - Prozess".