Sozialstaat
Die Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland ist im Grundgesetz in Art. 20 GG und in Art. 28 GG verankert.
Die grundgesetzliche Sozialstaatlichkeit fordert nicht die Bildung eines zentral gesteuerten Versorgungsstaates, sondern eines freiheitlichen Sozialstaates, der für jedermann menschenwürdige Lebensbedingungen schafft und erhält. Grundforderung des Sozialstaatsprinzips ist daher die Gewährung des materiellen Existenzminimums für alle Bürger.
Aus dem Sozialstaatsprinzip folgt, dass die staatliche Gemeinschaft in der Regel die Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragendem Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen (BVerfG 13.01.1976 - 1 BvR 631/69). Daher sind die klassischen Systeme der sozialen Sicherung gegen Lebensrisiken (Alter, Krankheit, Unfall, Pflegebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit) durch das Sozialstaatsprinzip legitimiert, ferner, die Maßnahmen des sozialen Ausgleichs und der Hilfe in Notlagen (z.B. Kindergeld, Mutterschutz, Wohngeld und Sozialhilfe).
Die sog. sozialen Grundrechte fordern vom Staat, dass er in bestimmten Bereichen aktiv tätig wird. Es sind dies:
Art. 1 Abs. 1 GG: Indem sich der Staat verpflichtet, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen, gewährleistet er zugleich, dass er die materielle Existenz seiner Bürger sichert.
Art. 3 Abs. 2 u. 3 GG: Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und das allgemeine Diskriminierungsgebot verpflichten den Staat, soziale Ungleichheiten zu beseitigen (Gleichstellungsdurchsetzung).
Art. 6 GG: Danach ist der Staat zu positiver Förderung von Ehe und Familie verpflichtet. Gemeint ist nicht nur immaterielle, sondern auch wirtschaftliche Förderung (daher sind vom Gesetzgeber z.B. Steuervergünstigungen, Kündigungsschutz für Mütter und Hinterbliebenenrente an den überlebenden Ehepartner vorgesehen).
Art. 9 Abs. 3 GG: Die Koalitionsfreiheit garantiert Arbeitnehmern, dass sie durch die Bildung von Gewerkschaften ihre Interessen auf arbeits- und sozialrechtlichem Gebiet wirksamer durchsetzen können.
Wie der soziale Auftrag des Staates (Sozialstaatsgebot) wahrgenommen werden soll, wird vom Grundgesetz nicht im Einzelnen vorgegeben; die Ausgestaltung des Sozialstaates ist vielmehr dem Gesetzgeber überlassen worden. Trotz des sozialen Handlungsauftrags des Staates lassen sich daher den Grundrechten in aller Regel keine Leistungsrechte entnehmen, d.h. der Bürger kann grundsätzlich keine konkreten Ansprüche daraus ableiten. Grund hierfür: Der Adressat des Sozialstaatsprinzips ist im Wesentlichen der Gesetzgeber.
Begünstigte des Sozialstaatsprinzips sind natürliche Personen, nicht juristische Personen (BVerfG 03.07.1973 - 1 BvR 173/69). Geschützt sind auch Ausländer, soweit diese in Deutschland leben.