Rechtswörterbuch

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Sorgerecht

 Normen 

§§ 1626 - 1698b BGB

§ 1795 BGB

EUKindSorgRÜbk

BT-Drs. 19/24686 (zu § 1631e BGB)

 Information 

1. Allgemein

Sorgerecht ist das Recht und die Pflicht, für ein minderjähriges Kind zu sorgen.

Das Sorgerecht unterteilt sich in die Personensorge und die Vermögenssorge, die grundsätzlich beiden Elternteilen zustehen. Nur im Falle einer Vertretung des Kindes benötigen die Eltern für bestimmte Rechtsgeschäfte die Genehmigung des Familiengerichts.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist Teil der Personensorge.

Von einer Verletzung der Vermögenssorgepflicht ist auszugehen, wenn die Eltern Abhebungen vom Sparbuch des Kindes z.B. für Kinderzimmermöbel, Urlaubsreisen, Geschenke und Kleidung für das Kind ausgeben, weil die Finanzierung dieser Bedürfnisse den Eltern aufgrund der bestehenden Kindesunterhaltsverpflichtung obliegt und sie daher vom Kind keinen Ersatz verlangen können (OLG Bremen 03.12.2014 - 4 UF 112/14).

Hinweis zum Inhalt dieses Beitrags:

Inhalt dieses Beitrags ist das Sorgerecht von Eltern, die miteinander verheiratet sind oder miteinander verheiratet waren.

Zu den Möglichkeiten der Erlangung des alleinigen / gemeinsamen Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern siehe den Beitrag "Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern".

2. Gemeinsames Sorgerecht bei Trennung/Scheidung der Eltern

2.1 Allgemein

Trennen sich die Eltern, berührt dies nicht die Sorgerechtszuständigkeit. Nur auf Antrag eines Elternteils kann das Sorgerecht einem Elternteil zugewiesen werden.

Auch im Rahmen der Scheidung wird nicht automatisch über das Sorgerecht entschieden, beide Eltern bleiben ohne gerichtliche Entscheidung gemeinsam sorgeberechtigt. Jedoch kann auch dann ein Elternteil beantragen, dass ihm das alleinige Sorgerecht übertragen wird (siehe unten).

Das Sorgerecht ist nicht automatisch Bestandteil des Scheidungsverbunds, auf Antrag einer Partei kann es aber in den Verbund aufgenommen werden. Dieser Verbundantrag kann noch im Scheidungstermin gestellt werden mit der Folge, dass der Scheidungstermin platzt!

2.2 Das gemeinsame Sorgerecht im Alltag

Leben die Eltern bei Bestehen eines gemeinsamen Sorgerechts nicht zusammen, so ist bezüglich der Entscheidungsgewalt wie folgt zu unterscheiden:

  • Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, hat die alleinige Sorgezuständigkeit für Entscheidungen des täglichen Lebens, so z.B. über die Modalitäten des Kindergartenbesuchs (OLG Bremen 01.07.2008 - 4 UF 39/08).

    Daneben gehören zu den Entscheidungen des täglichen Lebens u.a. die Teilnahme an Schul- bzw. Kindergartenausflügen, die Auswahl der Freunde sowie die Freizeitgestaltung.

  • Angelegenheiten, die für die Entwicklung des Kindes von erheblicher Bedeutung sind, müssen von beiden Elternteilen gemeinsam entschieden werden.

    Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind:

    • Name des Kindes

    • Religionszugehörigkeit und Taufe

    • das Aufenthaltsbestimmungsrecht

    • die schulische Ausbildung

    • die Berufsausbildung

    • nicht eilige ärztliche Eingriffe

    • Schutzimpfung eines Kindes, auch wenn es sich um eine sogenannte Standard- oder Routineimpfung handelt (BGH 03.05.2017 - XII ZB 157/16)

    • Ausstattung des Kindes mit IT und Zugang zu sozialen Medien

    • Veröffentlichung von Fotos des Kindes in den sozialen Netzwerken

    Können sich die Eltern bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind nicht auf eine Entscheidung festlegen, so kann nach einem Antrag eines Elternteils das Familiengericht die Entscheidungsbefugnis gemäß § 1628 BGB auf einen Elternteil übertragen (OVG Nordrhein-Westfalen 28.01.2008 - 19 B 2010/07).Der Anwendungsbereich des § 1628 BGB bezieht sich nur auf eine einzelne Angelegenheit oder eine bestimmte Art von Angelegenheiten, nicht dagegen auf die Entscheidung der grundsätzlichen Frage des Wohnsitzes, also bei wem das Kind überwiegend leben soll (OLG Köln 22.07.2011 - 4 UF 144/11).Ausdrücklich unzulässig ist nach einer Entscheidung des BVerfG 04.12.2002 - 1 BvR 1870/02 das Treffen einer eigenen Sachentscheidung durch das Familiengericht.Dabei kann das Familiengericht von der Übertragung des alleinigen Bestimmungsrechts auf einen Elternteil absehen, wenn keiner der Elternvorschläge dem Kindeswohl entspricht und eine gemeinsame Lösung der Eltern nicht erwartet werden kann (OLG Dresden 31.03.2016 - 20 UF 165/16).Für die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über einen Antrag auf Namensänderung nach §§ 2, 3 NamÄndG folgt aus den vorgenannten Maßstäben, dass die beabsichtigte Maßnahme, ihre Auswirkungen für das Kind und auch die Erfolgsaussicht eines Antrags grundsätzlich in die Betrachtung einzubeziehen sind. Erweist sich der Antrag auf Namensänderung als nicht erfolgversprechend oder erscheinen deren Auswirkungen für das Kindeswohl in anderer Hinsicht negativ, so ist eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis abzulehnen (BGH 09.11.2016 - XII ZB 298/15).

  • Daneben kann die Entscheidung über einen medizinischen Eingriff auf den Minderjährigen übertragen werden. So hat das OLG Hamm aufgrund der vorliegenden Einwilligungsreife der Minderjährigen die Zustimmungspflicht der sorgeberechtigten Mutter als nicht notwendig erachtet (OLG Hamm 29.11.2019 - 12 UF 236/19).

2.3 Wechselmodell

Siehe insofern den Beitrag "Sorgerecht - Wechselmodell".

3. Beantragung des alleinigen Sorgerechts

Siehe insofern den Beitrag "Sorgerecht - Alleiniges Sorgerecht".

4. Entzug des Sorgerechts bei einer Gefährdung des Kindeswohls

Ist das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet, so kann das Familiengericht gemäß § 1666 BGB Maßnahmen zum Schutz des Kindes ergreifen. Die Norm ist somit auch die Anspruchsgrundlage für Eilentscheidungen.

Dies beinhaltet die teilweise oder gänzliche Entziehung des Sorgerechts. Siehe insofern die Ausführungen in dem Beitrag "Kindeswohl - Gefährdung".

5. Ausschluss des Sorgerechts zur Einwilligung von Operationen der Geschlechtsanpassung

Mit dem am 22.05.2021 in Kraft getretenen § 1631e BGB wird ein Verbot zielgerichteter geschlechtsangleichender Behandlungen von Kindern geregelt, die nach der Geburt weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden konnten.

Die Norm stellt klar, dass Eltern im Übrigen nur dann in einen operativen Eingriff an den inneren oder äußeren Geschlechtsmerkmalen ihres Kindes, der eine Angleichung des körperlichen Erscheinungsbildes des Kindes an das des männlichen oder des weiblichen Geschlechts zur Folge haben könnte, einwilligen können, wenn der Eingriff nicht bis zu einer späteren selbstbestimmten Entscheidung des Kindes aufgeschoben werden kann und der Eingriff durch das Familiengericht genehmigt wird.

Die familiengerichtliche Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Eingriff dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei soll es ein vereinfachtes Verfahren geben: Wird von den Eltern eine befürwortende Stellungnahme einer interdisziplinären Kommission vorgelegt, wird vermutet, dass der Eingriff dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Die Zusammensetzung dieser interdiszipliären Kommission ist in § 1631e Abs. 4 BGB geregelt.

 Siehe auch 

Adoption

Anwalt des Kindes

Aufenthaltsbestimmungsrecht

Beschneidung

Einbenennung

Ergänzungspflegschaft

Erziehungshilfen

Feststellung der Vaterschaft

Haager Kindesentführungsübereinkommen

Haager Minderjährigenschutzabkommen

Inobhutnahme

Kindeswohl

Kindeswohl - Gefährdung

Minderjährigenhaftungsbeschränkung

Scheidungsverbund

Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern

Umgangsrecht

Verstümmelung weiblicher Genitalien

BGH 16.03.2011 - XII ZB 407/10 (Erziehungseignung eines Elternteils wegen geplanter Übersiedlung zum Zwecke der Vereitelung eines Kontakts des Kindes zu dem anderen Elternteil)

BGH 11.09.2007 - XII ZB 41/07 (Entzug des Sorgerechts bei Verletzung der Schulpflicht)

BGH 14.12.1994 - XII ARZ 33/94 (örtliche Zuständigkeit bei gemeinsamen Sorgerecht)

BGH 28.05.1986 - IVb ZR 36/84 (jederzeitige Abänderbarkeit von Sorgerechtsentscheidungen)

BVerfG 18.12.2003 - 1 BvR 1140/03 (kein gemeinsames Sorgerecht bei gewalttätigem Ehemann)

http://www.vaeterfuerkinder.de

Böhm: Sorgerecht und Schule. Alltägliche Angelegenheiten und Entscheidungen von erheblicher Bedeutung; SchulRecht - SchuR 2016, 100

Faber: Sorge- und Umgangsrecht bei Umzug oder geplanter Auswanderung des betreuenden Elternteils; Familie und Recht - FuR 2012, 464

Finke: Sorgerecht und Umgang bei Erkrankung des Kindes; Neue Zeitschrit für Familienrecht - NZFam 2015, 1114

Gerhardt/von Heintschell-Heinegg/Klein: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht; 12. Auflage 2021

Haußleiter: Der Sachverständigenbeweis im Sorgerechtsverfahren; NJW-Spezial 11/2006, 487

Heilmann: Kindeswohl und Wechselmodell; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2015, 3346

Heilmann: Die Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern - Das Ende eines Irrwegs?; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, 1473

Jüdt/Kleffmann/Weinreich: Formularbuch des Fachanwalts Familienrecht; 6. Auflage 2021

Löhnig: Vollmachten als Gestaltungsmittel im Bereich der elterlichen Sorge; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2020, 2150

Odendahl: Die Regelung des Sorgerechts nach Trennung im türkischem Recht; Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ 1999, 1327

Schilling: Rechtliche Probleme bei der gemeinsamen Sorge nach Trennung bzw. Scheidung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2007, 3233

Schwonberg: Das Sorgerecht des nichtehelichen Vaters; Familie und Recht - FuR 2011, 126

Weinreich/Klein: Familienrecht. Kommentar; 7. Auflage 2022