Was versteht man unter häuslicher Gewalt?
Häusliche Gewalt liegt dann vor, wenn zwei oder mehrere Personen in häuslicher Gemeinschaft in einer Wohnung leben und es im Rahmen dieser Beziehung von mindestens einer Person gegenüber einer anderen Person zu gewalttätigen Handlungen kommt.
Diese kann sowohl innerhalb der Paarbeziehung vorkommen als sich auch gegen die Kinder richten. Ebenfalls ist die häusliche Gewalt von Kindern gegenüber ihren Eltern umfasst sowie gegen ältere, pflegebedürftige Menschen als auch zwischen den Geschwistern.
Erscheinungsformen von häuslicher Gewalt:
Typische Erscheinungsformen häuslicher Gewalt sind vor allem:
- physische Gewalt (z.B. schlagen, treten, würgen, bedrohen)
- psychische Gewalt ( z.B. beschimpfen, terrorisieren, diffamieren, als psychisch krank darstellen)
- sexualisierte Gewalt (z.B. Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Zwang zu unerwünschten Sexualpraktiken)
- ökonomische Gewalt (z.B. Entzug finanzieller Mittel, Verbot einer Erwerbstätigkeit)
- soziale Isolation (z.B. Kontaktverbote, Sperrung des Telefons)
Risikofaktoren für häusliche Gewalt:
Relevante Risikofaktoren für die Entstehung häuslicher Gewalt und deren Früherkennung sind insbesondere:
- Trennungssituationen
- Gewalterfahrungen in der Vergangenheit
- die Verfügbarkeit einer Waffe
- Frühere Androhungen
- Alkoholmissbrauch sowie Drogenkonsum
- Eifersucht
- Gewalt gegen Kinder (der Frau)
- Generelle Gewalttätigkeit (in der Öffentlichkeit)
Wie erkenne ich, ob häusliche Gewalt vorliegt? Anzeichen für häusliche Gewalt:
Die folgenden vier Stufen bilden einen "Zyklus der Gewalt":
1) Spannungsbildung (erste Gewaltausbrüche; Opfer entschuldigt sich für vermeintliches eigenes Fehlverhalten oder erklärt Gewalt mit Stress des Täters)
2) Akute Misshandlung (unkontrollierte Spannungsentladungen / Gewaltausbrüche ohne erkennbares Motiv)
3) Liebevolle Zerknirschung (Täter bereut sein Verhalten; versichert Besserung; nachfolgend liebevolles Verhalten des Täters; Opfer glaubt an (bessere) Zukunft ohne Gewalt)
4) Nächster Gewaltexzess (nächste Gewaltausbrüche; oftmals Gewalteskalation; Steigerung der Gewalt; verkürzende Frequenz der Gewalttätigkeiten)
Statistiken:
Wer ist von häuslicher Gewalt betroffen?
Betroffene Opfer sind in über 90 % der Fälle Frauen und Kinder, nur ca. 5 - 10 % Männer. Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 hat jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren bereits ein- oder mehrmals körperliche oder zusätzlich sexuelle Übergriffe eines Beziehungspartners erlitten. Jede siebte Frau wird Gewaltopfer ihres eigenen Partners. Schätzungen gehen von davon aus, dass jede dritte Partnerschaft von Gewalt gegen die Frau geprägt ist.
Häusliche Gewalt geht sowohl durch alle Altersgruppen als auch quer durch alle Schichten und Kulturen.
Wo ist der Ort, an dem die Gewalt ausgeübt wird?
Gewalt findet fast ausschließlich im "Intimbereich", d.h. in der gemeinsamen Wohnung statt. Das Risiko, dass unbeteiligte Dritte eingreifen, ist deutlich reduzierter als eine Gewaltanwendung außerhalb des familiären Nahbereichs. Die Hemmschwelle ist somit deutlich niedriger. Daher ist das eigene Zuhause, das eigentlich Vertrauen und Schutz bieten sollte, der gefährlichste Ort für Frauen, und eben nicht ein in der Öffentlichkeit liegender Ort.
Von wem geht die Gewalt aus?
In 99 % der Fälle handelt es sich jedoch um männliche Täter. Oft ist dieser sogar der eigene Beziehungspartner, also eine nahe wichtige Vertrauensperson.
Schutz des Staates
Die Ehe und Familie wird verfassungsrechtlich unter besonderen Schutz des Staates gestellt, Art. 6 GG. Lange Zeit stellte häusliche Gewalt ein Tabuthema dar, welches mittlerweile jedoch immer mehr und mehr den Weg in die Öffentlichkeit, heraus aus der Privatspähre, gefunden hat. Häusliche Gewalt stellt somit nicht mehr nur eine bloße Familienangelegenheit dar, in die sich der Staat nicht einzumischen hat. Vielmehr ist es gerade die Pflicht des Staates einzugreifen und Schutz zu bieten. Gesetzliche Grundlage findet sich im Grundgesetz normiert.
Erste Anlaufstelle für Opfer
Eine erste Informationsmöglichkeit oder Beratung bieten die Telefon-Hotlines, die sich in den verschiedenen Bundesländern auffinden lassen. So lassen sich folgende Stellen anführen:
- Pro-aktiv; Weisser Ring e.V. in Hamburg
- Weisser Ring e.V. in Bremen
- Weisser Ring e.V. in Brandenburg
- Berliner Interventionsstelle gegen Gewalt (BIG) in Berlin
- Interventionsstelle CORA in Mecklenburg-Vorpommern
- Kieler-Interventions-Konzept (KIK) in Schleswig-Holstein
- BISS in Niedersachsen
- Weisser Ring e.V. in Sachsen-Anhalt
- Weisser Ring e.V.; KIS; DIK in Sachsen
- Weisser Ring e.V. in Thüringen
- rheinlandpfälzisches Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen (RIGG) in Rheinland-Pfalz
- Weisser Ring e.V. in Hessen
- Fachforum gegen Häusliche Gewalt im Kreis Herford in Nordrhein-Westfalen
- Weisser Ring e.V. im Saarland
- Weisser Ring e.V. in Baden-Württemberg
- Weisser Ring e.V. in Bayern
Ratgeber für Frauen bei häuslicher Gewalt
- im Akutfall die Polizei zu Hilfe rufen (Durchwahl 110)
- Beratung bei einer der oben aufgeführten Stellen oder einer/m Anwältin/ Anwalt
- Überlegen, ob das Verlassen der Wohnung und der Gang ins Frauenhaus in Betracht kommt
- Stellen einer Strafanzeige zusätzlich zur polizeilichen Anzeige?
- Verletzungen medizinisch versorgen und dokumentieren lassen
- welche Schutzmaßnahmen sind für den jeweiligen Einzelfall geeignet?
- eine Rechtsberatung bei Fachanwältinnen/ Fachanwälten organisieren
- finanzielle Unterstützung bei der ARGE beantragen
- Unterkunft organisieren (z.B. im Frauenhaus)
- um eigene Sicherheit und die der Kinder kümmern (zuständiges Jugendamt)
Polizeiliche Maßnahmen
In Bayern steht der Polizei zur Abwehr einer Gefahr u.a. die Maßnahme der Platzverweisung gemäß des Art. 16 BayPAG zur Verfügung. Damit kann einer Person der Aufenthalt von einem Ort verwehrt oder das Betreten eines Orts verboten werden. Ziel dieses Einschreitens ist der Schutz des Opfers durch eine schnelle und wirkungsvolle Gefahrenabwehr.
Allerdings sind die polizeilich angeordneten Maßnahmen nur vorübergehender Natur und bieten daher keinerlei Schutz vor dauerhafter Gewalt.
Dauerhafter Schutz kann einzig durch gerichtlich angeordneten Gewaltschutz erreicht werden. Dazu gibt es das Gewaltschutzgesetz.
Was ist das Gewaltschutzgesetz?
Das Gesetz zur Verbesserung zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz; GewSchG) ist am 01.01.2002 in Kraft getreten und stellt ein Instrument des Zivilrechts dar. Es regelt sämtliche Schutzanordnungen an Gewalttäter zu Gunsten von Gewaltopfern.
Diese Schutzanordnungen können bei Körperverletzungen, Misshandlungen, sexuellen Missbrauchs, Nachstellung oder auch bei Freiheitsberaubungen angeordnet werden.
Für wen gilt das Gewaltschutzgesetz?
Für jede natürliche Person, das entweder Opfer von Gewalt geworden ist oder aber für den Gewalttäter gilt das Gewaltschutzgesetz. Erforderlich ist keine Opfer-Täter-Beziehung, sodass der Anwendungsbereich nicht auf Fälle der häuslichen Gewalt beschränkt ist.
Eine Ausnahme besteht lediglich bei minderjährigen Kindern, die durch ihre Eltern oder durch anderweitige sorgeberechtigten Personen verletzt werden. In einem solchen Fall hat das Familiengericht nach dem BGB (§1666) und nicht gemäß des Gewaltschutzgesetzes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Wann kommt das Gewaltschutzgesetz zum Tragen?
Damit das Gesetz eingreifen kann, muss es zu einer Rechtsgutsverletzung des Opfers gekommen sein, die sich in Form einer Verletzung an Körper, Gesundheit, Freiheit oder einer gleichgestellten Verletzung wie Drohung, Eindringen in die Wohnung oder Belästigung zeigt.
Eine Körperverletzung meint jeden unbefugten Eingriff in die körperliche Befindlichkeit, also eine Störung der körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge.
Eine Gesundheitsverletzung ist jedes Hervorrufen, Steigern oder Aufrechterhalten eines krankhaften pathologischen Zustands (physisch und psychisch).
Eine Verletzung der Freiheit bedeutet die Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit, etwa durch Einsperren oder Nötigung zu einem ganz bestimmten Handeln.
Unter einer Drohung ist das Inaussichtstellen einer Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit zu verstehen.
Eindringens bedeutet jedes Eindringen in die Wohnung oder des Besitztums gegen oder ohne den Willen des geschädigten Opfers.
Belästigung meint jegliches Verhalten durch wiederholtes Nachstellen oder Verfolgen mit Fernkommunikationsmitteln. Belästigung beinhaltet demnach das sog. stalking durch Verfolgen, Überwachen oder Beobachten, häufige Anwesenheit des Täters, unerwünschte Versuche körperlicher und verbaler Kontaktaufnahme sowie wiederholtes Anrufen oder Senden von Briefen, Faxen oder Emails.
Wie erreicht man den Schutz vor Gewalt?
Der Gewaltschutzantrag muss auf Antrag bei Gericht eingereicht werden, in dem bestimmte Schutzmaßnahmen beantragt werden.
Welche Schutzmaßnahmen sind möglich?
Die Gerichte haben bei dem Ergreifen geeigneter Schutzmaßnahmen einen weiten Spielraum, dennoch sind sie fest an den Antrag des Opfers gebunden.
Folgende Schutzmaßnahmen sind denkbar:
- Betretungsverbot (Verbot des Täters die Wohnung des Opfers zu betreten)
-"Bannmeile" (Verbot des Täters sich in einem bestimmten Umkreis um die Wohnung des Opfers aufzuhalten)
- Aufenthaltsverbot (Verbot des Täters Orte aufzusuchen, an denen sich das Opfer regelmäßig aufhält, z.B. Arbeitsplatz, Sportverein, Stammlokal, Kindergarten, Schule)
- Kontaktverbot (Verbot des Täters jeglichen Kontakt mit dem Opfer aufzunehmen, sei es persönlich oder unter Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln)
- Verbot des Zusammentreffens (Verbot des Täters irgendein Zusammentreffen mit dem Opfer herbeizuführen; bei zufälligem Aufeinandertreffen hat sich der Täter aus eigenem Antrieb zu entfernen)
- alleiniges Wohnrecht (bei gemeinsamer Wohnung kann dem Opfer das alleinige Wohnrecht zugesprochen werden, unabhängig des eingetragenen Mieters)
Was passiert, wenn der Täter die Anordnung missachtet?
Widersetzt sich der Täter der Anordnung des Gerichtes, gegen die Schutzmaßnahmen, so wird diesem ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft angedroht.
Wie schnell greift der Gewaltschutz ein?
Ruft man in einer gewaltvorherrschenden Situation die Polizei, so kann diese ein vorübergehendes Kontaktverbot oder einen Platzverweis aussprechen. Die Polizei kann jedoch keinen Schutz vor dauerhafter Gewalt bieten.
Deshalb gibt es das Gewaltschutzverfahren, bei dem das Gericht die soeben aufgezählten Schutzmaßnahmen dem Täter gegenüber anordnen kann. Nur diese gerichtlich angeordneten Maßnahmen ermöglichen anhaltenden Schutz für das Gewaltopfer.
Damit der Schutz auch sofort greifen kann, wird dem Opfer die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes gewährt. Das Gericht kann dadurch eine vorläufige Regelung des Gewaltschutzes treffen, sodass der Schutz gegeben ist, bevor der Täter dem Opfer erneut zuvor kommen kann.
Sexualstrafverfahren sind äußerst sensibel und in der Regel mit sehr hohen Strafen bedroht (80 % aller Verurteilungen im Sexualstrafrecht sind Freiheitsstrafen). Gleichzeitig drohen dem Beschuldigten einer Sexualstraftat aber auch schwere außergerichtliche Konsequenzen wie öffentliche Negativpresse oder gravierende Auswirkungen auf Berufs- und Privatleben (Stichwort: Eintrag ins Führungszeugnis, Durchsuchung am Arbeitsplatz, Festnahme, oder Abkehr von Familie und Freunden).
Es empfiehlt sich daher dringend vor einer Aussage bei der Polizei unbedingt einen speziaisierten Anwalt zu Rate zu ziehen, um verfahrensentscheidende Nachteile zu verhindern! Denn ein positiver Ausgang eines Strafverfahrens setzt neben einem Höchstmaß an fachlicher Kompetenz vor allem besondere Erfahrung des Anwaltes im Umgang mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht voraus.
RA Stephens ist langjähriger Strafrechtler, der neben seiner Tätigkeit als Anwalt auch an der Universität Strafrecht unterrichtet und durch seine enge strafrechtliche Spezialisierung den Mandanten optimale Leistungen und eine bestmögliche strafrechtliche Vertretung garantieren kann. Unsere Kanzlei setzt sich vom ersten Tag der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen für unsere Mandanten ein und erzielt dadurch regelmäßig außergewöhnlich gute Ergebnisse.