Nötigung
1 Tatbestand
Der Straftatbestand der Nötigung erfordert die Erfüllung folgender Tatbestandsmerkmale:
Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung:
Nötigen bedeutet, dem anderen ein vom ihm nicht gewolltes Verhalten aufzuzwingen. Das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut ist die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung.
Mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel:
Gewalt ist der physisch vermittelte Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes. Nicht ausreichend ist ein lediglich psychisch wirkender Zwang.
Der Gewaltbegriff der Nötigung erfasst auch Gewalt gegen Sachen, sofern diese sich physisch mittelbar auf die Person des Genötigten auswirkt.
Beispiel:
Maßnahmen des Vermieters auf den Wohnraum wie z.B. Aushängen der Fenster oder Abstellen der Wasserzufuhr zur Nötigung des Mieters zum Auszug oder zur Zahlung.
Die Anforderungen an den Gewaltbegriff im Rahmen einer Sitzblockade / Sitzdemonstration sind in dem Beitrag "Gewalt" dargestellt.
2 Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit der Nötigung muss gesondert festgestellt werden, sie wird nicht durch die Tatbestandserfüllung indiziert. Hintergrund ist, dass das Drohen mit einem empfindlichen Übel grundsätzlich sozialadäquat ist.
Beispiel:
Der Lehrer droht einem Schüler mit einem Klassenbucheintrag bei der weiteren Störung des Unterrichts.
Gemäß § 240 Abs. 2 StGB ist die Nötigung rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich im Sinne einer Sozialwidrigkeit anzusehen ist.
Beispiel:
Ein Fahrradfahrer, der sich an einer Rotlicht zeigenden Ampel vor einen dort anhaltenden PKW stellt und nach dem Umschalten der Ampel auf Grün das Überholen des PKW dadurch verhindert, dass er für die Dauer von etwa 1 Minute absichtlich extrem langsam vor dem PKW herfährt, übt zwar eine dem Gewaltbegriff des § 240 Abs. 1 StGB unterfallende nötigende Gewalt (psychische und physische) aus, begeht aber gleichwohl wegen der nur kurzen Dauer und der geringen Intensität der Behinderung des PKW-Fahrers sowie wegen fehlender Verwerflichkeit i.S.d. § 240 Abs. 2 StGB (noch) keine tatbestandliche Nötigung. Die Behinderung erfüllt (nur) den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 StVO, die von dem Tatgericht mit einer Geldbuße geahndet werden kann.
3 Sexuelle Nötigung
Die sexuelle Nötigung ist gesondert in § 177 Abs. 1 StGB geregelt.
4 Im Straßenverkehr
Nach der ständigen Rechtsprechung erfüllt ein Fahrzeugführer im Straßenverkehr den Tatbestand der Nötigung, wenn er durch dichtes Auffahren, Betätigung der Lichthupe oder der Hupe einen anderen Fahrzeugführer bedrängt.
Die Rechtmäßigkeit dieser Rechtsprechung wurde durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG 29.03.2007 - 2 BvR 932/06) bestätigt. Dies gilt auch für den innerörtlichen Verkehr.