Nach einer Entscheidung des OLG Hamm soll sich ein Betroffener nicht auf fehlende Urlaubsmöglichkeit zur Abwicklung eines Fahrverbotes berufen können, wenn er seinen ganzen Urlaub zwischen Tat und Hauptverhandlung schon genommen hat.
Ein Fahrverbot ist die auf ein bis drei Monate befristete Untersagung von der Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Das bußgeldrechtliche Fahrverbot setzt eine grobe oder beharrliche Pflichtenverletzung des Führers eines Kfz voraus. Rechtsgrundlage ist § 25 Abs.1 StVG. Das Gesetz versteht das Fahrverbot als Denkzettel. Es soll eine Warnungs- und Besinnungsfunktion haben.
Sind die Tatbestandsvoraussetzungen eines Fahrverbotes erfüllt, kann auf die Verhängung des Fahrverbotes ausnahmsweise verzichtet werden, wenn es den Betroffenen außergewöhnlich hart treffen würde. Grundsätzlich sind Härten, die durch ein Fahrverbot entstehen, von allen Verkehrssündern als selbstverschuldete Folge hinzunehmen. Wenn die Folge im Einzelfall aber ganz unangemessen hart ausfallen würde, insbesondere durch drohenden Arbeitsplatzverlust, kann die Bußgeldbehörde oder der Richter gegen Erhöhung der Geldbuße auf die Verhängung des Fahrverbotes verzichten. Ein Absehen vom Fahrverbot setzt immer voraus, das der Betroffene die existenzgefährdende Folge nicht abfedern kann indem er z.B. auf öffentliche Verkehrsmittel ausweicht, seinen Urlaub in Anspruch nimmt oder einen Fahrer einstellt und auch eine Beschränkung des Fahrverbotes auf bestimmte Kraftfahrzeugarten nicht in Betracht kommt. Neben gravierenden beruflichen Nachteilen können auch schwere Körperbehinderungen des Betroffenen, die Pflicht zur Pflege von nahen Angehörigen oder ein langer Zeitablauf zwischen dem Vorfall und dem Urteil ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen.
Das Oberlandesgericht Hamm hat vor kurzem allerdings klar gestellt, dass ein Betroffener, dem durch ein Fahrverbot der Jobverlust droht, dann nicht mehr auf die fehlende Möglichkeit zum "Absitzen" des Fahrverbotes während eines Urlaubs verweisen kann, wenn er im Zeitraum zwischen dem Vorfall und der Gerichtsverhandlung bereits den ihm zustehenden Urlaub in Anspruch genommen hat.
Im zugrunde liegenden Fall hatte das Amtsgericht bei einem Mann, der gegen die 0,5-Promille-Grenze verstoßen hatte, bei drastischer Erhöhung des Regelbußgeldes auf die Verhängung des Fahrverbotes verzichtet. Der Mann, der bei Begehung der Tat in einem Beschäftigungsverhältnis auf 400-€-Basis stand, hatte geltend gemacht, dass ihm ein Urlaubsanspruch bislang nicht zustehe und er auch im Falle einer Festanstellung in den ersten 6 Monaten keinen Urlaub nehmen könne. Das Oberlandesgericht hob dieses Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Es bemängelte, dass der Tatrichter die Angaben des Betroffenen nicht hinreichend kritisch geprüft habe. Der Betroffene hätte plausibel machen müssen, dass er nach Vertragsgestaltung und Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses tatsächlich keinen Urlaubsanspruch hat. Sollte sich herausstellen, dass er im Zeitraum zwischen der Tat und der gerichtlichen Entscheidung einen eventuell doch vorhandenen Urlaubsanspruch bereits ausgeschöpft hat, dürfe er sich jedenfalls nicht darauf berufen können, dass ihm zur Abwicklung des Fahrverbotes keine Urlaubstage mehr zur Verfügung stehen.
Bemerkenswert an dieser Entscheidung des OLG Hamm ist die Ansicht, der Betroffene habe sich mit seiner Urlaubsdisposition ab dem Vorfall (gemeint sein wird wohl ab Kenntnis der Tatbegehung) auf das ihm drohende Fahrverbot einzustellen. In der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung wurde darauf abgestellt, dass sich der Betroffene erst ab Zustellung des mit der Fahrverbotsanordnung versehenden Bußgeldbescheides seinen Urlaub so einzuteilen habe, dass sich das Fahrverbot notfalls im Urlaub absitzen lässt. Andernfalls dürfe er sich bei der Frage der Verhältnismäßigkeit eines Fahrverbotes nicht auf die fehlende Urlaubsmöglichkeit berufen.
Betroffene sollten Urlaubseinteilung rechtzeitig anpassen
Jeder Betroffene hat die rechtsstaatlich gewährte Möglichkeit Rechtsmittel gegen ihn belastende Bußgeldbescheide einzulegen. Er darf durch die Wahrnehmung dieser Rechte keinen Nachteil erleiden. Das Argument, der Betroffene hätte doch auf den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verzichten oder diesen wieder zurücknehmen können um dem drohenden Nachteil eines nicht (mehr) bestehenden Urlaubsanspruchs zu vermeiden ist daher mit großer Vorsicht zu genießen. Weil Bußgeldverfahren aber in der Regel mehrere Monate dauern sollten sich Betroffene, die im Falle eines Fahrverbotes mit beruflichen Konsequenzen rechnen, vor dem Hintergrund dieser obergerichtliche Rechtsprechung den Jahresurlaub so einteilen, dass ihnen bei erfolglosem Ausgang des Verfahrens die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Urlaubstagen bleibt - und zwar ab dem Tag des Verkehrsverstoßes. Eine unvorsichtige Urlaubsdisposition könnte sonst "schuld" sein, wenn der Richter nicht vom Fahrverbot absieht.
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Der Beitrag nimmt Bezug auf OLG Hamm, Beschluss vom 24.04.2008 (5 Ss OWi 205/08). Der Verfasser, Christian Demuth, ist Rechtsanwalt und überwiegend in Verkehrsstraf- und Bußgeldsachen sowie im Fahrerlaubnisrecht tätig.