Duldungspflicht - nachbarrechtliche
1 Allgemein
Die gesetzlichen Regelungen des Nachbarschaftsrechts legen dem Grundstückseigentümer die Pflicht auf, bestimmte Beeinträchtigungen seines Eigentums zu dulden. Der Duldungspflicht unterliegen insofern:
unwesentliche Beeinträchtigungen der Benutzung des Grundstücks durch unwägbare Stoffe, z.B. von Geräuschen, Gerüchen usw. von einem Grundstück auf das andere (§ 906 Abs. 1 BGB)
Hinweis:
Der Entzug von Luft und Licht durch Anpflanzungen auf dem Nachbargrundstück stellt keine Einwirkung im Sinne von § 906 BGB dar (BGH 10.07.2015 - V ZR 229/14).
eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks
der Überhang von Zweigen und Wurzeln (siehe den Beitrag "Bäume", § 910 BGB):
Denn: "Ob der Eigentümer eines Grundstücks vom Nachbargrundstück herüberragende Zweige ausnahmsweise dulden muss, bestimmt sich - vorbehaltlich naturschutzrechtlicher Beschränkungen eines Rückschnitts - allein nach § 910 Abs. 2 BGB. Der Maßstab des § 906 BGB gilt hierfür auch dann nicht, wenn die von den herüberragenden Zweigen ausgehende Beeinträchtigung in einem Laub-, Nadel- und Zapfenabfall besteht (BGH 14.06.2019 - V ZR 102/18).
der Überfall von Früchten (§ 911 BGB)
Regelung der Grenzverhältnisse und Grenzeinrichtungen an einem Grundstück (§§ 919 - 923 BGB)
die Einwirkungen von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers und der Nebenanlagen und die Maßnahmen zu ihrer Erhaltung und Ergänzung für Anlieger von Grundstücken an öffentlichen Straßen gemäß den Landesstraßengesetzen (z.B. § 32 Abs. 2 StrWG NRW)
Daneben kann sich eine Duldungspflicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergeben.
2 Unwesentliche Beeinträchtigungen
Gemäß § 906 Abs. 1 BGB handelt es sich u.a. dann um eine unwesentliche Beeinträchtigung,
wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden
oder
Grenz- oder Richtwerte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben, nicht überschritten werden.
Bei der allgemeinen Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, ist auf das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, abzustellen. Damit können auch wertende Momente, wie z.B. die Beachtung des Naturschutzes und des Umweltbewusstseins der Bevölkerung, in die Beurteilung einbezogen werden (BGH 14.11.2003 - V ZR 102/03).
Die Wesentlichkeit ist jedoch dann gegeben, wenn die Einwirkungen von dem Nachbargrundstück objektiv feststellbare physische Auswirkungen auf das Eigentum des betroffenen Grundstückseigentümers haben. In einem solchen Fall ist die Grenze von der Unwesentlichkeit zur Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen überschritten (BGH 14.11.2003 - V ZR 102/03).
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall verstopften die von den Kiefern des Nachbarn abfallenden Nadeln die Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses. Führt das zu Schäden, liegt eine wesentliche Beeinträchtigung vor. Auch wenn wegen des Nadelfalls der Gartenteich verschlossen werden muss, ist das eine wesentliche Beeinträchtigung.
Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung sind daneben u.a. zu berücksichtigen:
die Lage des Grundstücks
die Beschaffenheit
die Tageszeit der Einwirkung
die Dauer der Einwirkung
die Häufigkeit der Einwirkung
3 Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch
Siehe den Beitrag "Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch".
4 Abwehranspruch
Gegen Beeinträchtigungen, die nicht von der Duldungspflicht erfasst werden, kann sich der Nachbar mit dem Abwehranspruch wehren.