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Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch

 Normen 

§ 906 Abs. 2 BGB analog

 Information 

Bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch handelt es sich um einen von dem BGH entwickelten Ausgleichsanspruch. Als Rechtsgrundlage dient § 906 Abs. 2 BGB analog (BGH 09.02.2018 - V ZR 311/16):

"1. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (vgl. ...). Hiervon ist auszugehen, wenn ein Brand auf ein fremdes Grundstück übergreift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann (...).

2. Weitere Voraussetzung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ist, dass der Anspruchsgegner als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist (...).

a) Die Störereigenschaft folgt nicht allein aus dem Eigentum oder Besitz an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder -besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Dies ist dann zu bejahen, wenn sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, eine "Sicherungspflicht", also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen, ergibt (st. Rspr., vgl. ...).

b) Mit der Sicherungspflicht ist allerdings nicht - wie das Berufungsgericht meint - eine Sorgfaltspflicht im schuldrechtlichen Sinne gemeint, die, um einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zu begründen, von dem Grundstückseigentümer oder -besitzer verletzt worden sein muss. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Grundstückseigentümer oder -besitzer nach wertender Betrachtung für den gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks verantwortlich ist, er also zurechenbar den störenden Zustand herbeigeführt hat (vgl. ...). Wesentliche Zurechnungskriterien sind dabei u.a. die Veranlassung, die Gefahrenbeherrschung oder die Vorteilsziehung (vgl. ...). Bei natürlichen Immissionen ist entscheidend, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält (vgl. ...). Sachgründe, die es rechtfertigen, dem Grundstückseigentümer oder -besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen und ihn damit als Störer zu qualifizieren, hat der Senat etwa bejaht, wenn ein Haus infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte oder Leitungen in Brand gerät (...) oder Wasser infolge eines Rohrbruchs auf das Nachbargrundstück gelangt (....). Hierdurch verursachte Störungen stellen kein allgemeines Risiko dar, das sich - wie etwa ein Blitzschlag - ebenso gut bei dem Haus des Nachbarn hätte verwirklichen können und dessen Auswirkungen von dem jeweils Betroffenen selbst zu tragen sind. Auch wenn konkret kein Anlass für ein vorbeugendes Tätigwerden bestanden haben mag, beruhen sie auf Umständen, auf die grundsätzlich der Grundstückseigentümer bzw. -besitzer, und nur dieser, Einfluss nehmen konnte (vgl. ...)."

Der Anspruch ist verschuldensunabhängig, jedoch zu allgemeinen Schadensersatzansprüchen subsidiär (BGH 02.07.2004 - V ZR 33/04).

Eine an landesrechtliche Nachbarvorschriften anknüpfende deliktsrechtliche Haftung stellt keine abschließende Sonderregelung dar, die einem Rückgriff auf den Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 S. 2 BGB entgegensteht (BGH 15.07.2011 - V ZR 277/10).

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nicht auf feinstoffliche Einwirkungen beschränkt, sondern erfasst auch Grobimmissionen wie das Eindringen einer Feuerwerksrakete (BGH 18.09.2009 - V ZR 75/08).

 Siehe auch 

Abwehranspruch

Abwehrklage

Düngemittel - Schutz des Nachbarn

Gemeinschaftsverhältnis - nachbarliches

Nachbar

Nachbarrecht - öffentliches

Nachbarrecht - privates

Ortsüblich

Rücksichtnahmegebot - baurechtliches

BGH 25.10.2013 - V ZR 230/12 (Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei Beeinträchtigung des Sondereigentums)

Bruns: Der nachbarrechtliche Ausgleichanspruch im Spiegel der BGH-Rechtsprechung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2021, 3493

Klöpfer/Meier: Eigentümerhaftung für mittelbar verursachte Brandschäden am Nachbargrundstück; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2018, 1516

Lüneborg: Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nur bei "grenzüberschreitender" Immission?; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, 3745