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Notweg

 Normen 

§§ 917, 918 BGB

 Information 

1. Allgemeines

Fehlt hinsichtlich eines Grundstücks die zur umfassenden Nutzung notwendige Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche und ist ein entsprechendes Geh- oder Fahrtrecht über ein fremdes Grundstück auch nicht durch eine Dienstbarkeit gesichert, so kann der betroffene Grundstückseigentümer vom Eigentümer eines Nachbargrundstücks gemäß § 917 Abs. 1 BGB verlangen, dass er bis zur Herstellung eines Anschlusses das benachbarte Grundstück und dessen Verbindung zur öffentlichen Verkehrsfläche durch Begehen, Befahren oder Verlegen einer Abwasserleitung u.a. nutzen darf.

Im Streitfall können gemäß § 917 Abs. 1 S. 2 BGB die Lage des Notwegs und der Umfang der Nutzung durch Urteil festgelegt werden.

Fehlt einem Grundstück die Verbindung zu einem öffentlichen Kanal oder einem sonstigen Versorgungsleitungsnetz sind die §§ 917 ff. BGB entsprechend anzuwenden.

2. Voraussetzungen

2.1 Allgemein

"Ein Notwegrecht kann sich weder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis noch aus dem Schikaneverbot des § 226 BGB, sondern nur unter den Voraussetzungen von § 917 BGB ergeben; danach richtet sich auch, ob der Nachbar Hindernisse beseitigen muss, die er auf seinem Grundstück errichtet hat, um die Nutzung des Wegs zu unterbinden" (BGH 06.05.2022 - V ZR 50/21).

2.2 Fehlen einer Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche

An die notwendige Voraussetzung der fehlenden Verbindung zu einer öffentlichen Verkehrsfläche stellen die Gerichte strenge Anforderungen. Bloße Unbequemlichkeiten oder Zeitverzögerungen bei der Benutzung einer vorhandenen Zufahrt durch Rettungsfahrzeuge begründen keinen Anspruch gegen den Grundstücksnachbarn. Eine Strecke von 150 m zum nächsten PKW-Parkplatz begründet in der Regel keinen Anspruch auf einen Notweg. Die Berücksichtigung persönlicher Gegebenheiten wie Alter, Gebrechlichkeit, Krankheit kann aber einen Anspruch begründen. Die Einrichtung eines Notwegs ist nicht notwendig, wenn ein zwar unbequemer oder kostenintensiverer aber ausreichender Zugang vorhanden ist.

Das Fehlen einer Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche wird nicht nur dann bejaht, wenn das betroffene Grundstück auf allen Seiten von anderen Grundstücken umschlossen ist, sondern auch dann, wenn nur ein Teilbereich des betroffenen Grundstücks über einen Anschluss verfügt, aber hinsichtlich der Restfläche ein weiterer Anschluss notwendig ist. Auch eine vorübergehende Verbindungslosigkeit ist ausreichend.

Eine Notwegberechtigung kann sich auch dann ergeben, wenn der Eigentümer das Grundstück in Zukunft in wirtschaftlich anderer Art und Weise nutzen will und deshalb einen weiteren Anschluss benötigt. Eine solche Änderung der Benutzungsart oder eine Benutzungssteigerung ist dann ordnungsgemäß, wenn sie infolge technischer oder wirtschaftlicher Entwicklung zur Fortführung eines Wirtschaftsbetriebes notwendig ist und den örtlichen Verhältnissen entspricht. Die geplante Nutzung muss jedoch öffentlich-rechtlich zulässig sein. Insbesondere ist hierbei hinsichtlich eines bestehenden gemeindlichen Bebauungsplanes zwischen gewerblicher und privater Nutzung zu unterscheiden. So kommt z.B. in einem durch Bebauungsplan festgelegten reinen Wohngebiet eine gewerbliche Nutzung nicht in Betracht, sodass aus diesem Grunde auch kein Notwegerecht entstehen kann.

2.3 Zur ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstücks

Ein Notwegerecht kommt in Betracht, wenn einem Grundstück die zu seiner ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt.

Anforderungen an den Anspruch:

"Welche Art der Benutzung eines Grundstücks i.S.v. § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnungsmäßig ist, bestimmt sich nicht nach den persönlichen Bedürfnissen des Eigentümers des verbindungslosen Grundstücks, sondern danach, was nach objektiven Gesichtspunkten diesem Grundstück angemessen ist und den wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht (BGH 24.01.2020 - V ZR 155/18;  BGH 05.06.2009 - V ZR 117/08). Zu berücksichtigen sind dabei die Benutzungsart und Größe des Grundstücks, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls" (BGH 24.01.2020 - V ZR 155/18).

Aus welchen Gründen dem Grundstück die Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt, ist ohne Bedeutung. Die ordnungsmäßige Nutzung richtet sich nach objektiven Gesichtspunkten. Maßgebend ist die angemessene, den wirtschaftlichen Verhältnissen des Grundstücks entsprechende Nutzung. Daher kann ein Notwegrecht auch gegeben sein, wenn sich die Benutzungsart des Grundstücks ändert und erst dadurch die Inanspruchnahme eines Notwegs erforderlich wird. Die geänderte Nutzungsart muss allerdings objektiv und nach vernünftigem Ermessen den naturgegebenen Verhältnissen des Grundstücks entsprechen sowie rechtlich zulässig sein (BGH 24.04.2015 - V ZR 138/14).

Grund: Erreichbarkeit mit dem Kraftfahrzeug:

Handelt es sich um ein Wohngrundstück, setzt eine ordnungsmäßige Grundstücksbenutzung in der Regel die Erreichbarkeit des Grundstücks mit einem Kraftfahrzeug voraus. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass mit einem Kraftfahrzeug unmittelbar an das Grundstück herangefahren und der Eingangsbereich von dieser Stelle aus in zumutbarer Weise - auch mit sperrigen Gegenständen - erreicht werden kann. Dabei sind die an eine ordnungsmäßige Nutzung zu stellenden Anforderungen hinsichtlich des Grundstücks nicht deshalb herabzusetzen, weil bei Erteilung der Baugenehmigung eine Erschließung über die Verlängerung des öffentlichen Weges vorgesehen war (BGH s.o.).

Grund: Parken des Kraftfahrzeugs auf dem Grundstück:

"Eine in diesem Sinn ordnungsmäßige Benutzung bei einem Wohngrundstück setzt in der Regel (nur) die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen voraus (BGH 11.12.2020 - V ZR 268/19BGH 18.10.2013 - V ZR 278/12; BGH 12.12.2008 - V ZR 106/07). Von der Erreichbarkeit des Grundstücks zu unterscheiden ist das Interesse eines Eigentümers, auf sein Grundstück zu fahren und den Personenkraftwagen dort abzustellen. Grenzt das Grundstück, für das ein Notweg beansprucht wird, an eine öffentliche Straße, so kann es mit Personenkraftwagen angefahren werden. Damit ist seine ordnungsmäßige Benutzung zu Wohnzwecken selbst dann gewährleistet, wenn keine Personenkraftwagen auf dem Grundstück abgestellt werden können. Eine Zufahrt über das Nachbargrundstück, um das Fahrzeug auf dem eigenen Wohngrundstück abstellen zu können, ist dem Eigentümer nach § 917 Abs. 1 BGB nicht zuzubilligen, selbst wenn er ein hochwertiges Fahrzeug besitzt. Ausschlaggebend dafür ist, dass angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, an das Fehlen einer für die ordnungsmäßige Benutzung notwendigen Verbindung strenge Anforderungen zu stellen sind und daher Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und auch Zweckmäßigkeit nicht die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks rechtfertigen" (BGH 19.11.2021 - V ZR 262/20).

3. Inhalt und Umfang des Notwegerechts

Der Anspruch auf einen Notweg gemäß §§ 917 ff. BGB gewährt das Recht das benachbarte Grundstück durch Begehen und evtl. Befahren zu nutzen. Hier muss im Einzelfall hinsichtlich der Art der Nutzung, insbesondere zwischen gewerblicher und privater Nutzung unterschieden werden. Eine Zufahrt zu einem Gewerbegrundstück ist notwendig, wenn dort Be- und Entladungen durchzuführen sind (OLG Koblenz 15.12.1999 - 5 U 542/99).

Das Parken von Kraftfahrzeugen auf fremdem Grund wird durch §§ 917 ff. BGB jedoch nicht gewährt.

Praxistipp:

Zur Vermeidung von nachbarrechtlichen Streitigkeiten ist zu empfehlen, Inhalt und Umfang des Notwegrechts in einem Vertrag festzulegen und als Grunddienstbarkeit im Grundbuch eintragen zu lassen.

Der Eigentümer kann ein Notwegerecht nach der Entscheidung BGH 05.05.2006 - V ZR 139/05 nicht damit begründen, dass er das Grundstück nur mit einem solchen Weg (zu einem angemessenen Preis) vermieten oder verpachten kann. Dem Mieter/Pächter steht ein Notwegerecht aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 917 BGB nicht zu.

4. Ausschluss des Notwegerechts

Eine Verpflichtung zur Duldung eines Notwegs besteht für einen benachbarten Grundstückseigentümer gemäß § 918 Abs. 1 und 2 BGB dann nicht, wenn eine bestehende Verbindung zu einer öffentlichen Verkehrsfläche durch den Anspruchssteller aufgrund einer baulichen Maßnahme oder einer Teilübertragung (Grundstückstrennung) abgetrennt wurde, vgl. hierzu auch OLG Celle 23.01.2003 - 4 U 133/02: "Wer unter Ausnutzung der vollen Grundstücksfläche durch Errichtung eines Neubaues eine früher vorhandene Verbindung mit einem öffentlichen Weg (teilweise) beseitigt, handelt i.d.R. "willkürlich" i.S.v. § 918 Abs. 1 und 2 BGB und kann die Wiederherstellung der Verbindung nicht als Notwegrecht vom Nachbarn verlangen."

5. Verjährung des Notwegerechts / Unberechtigte Nutzung eines Nowegs

Gemäß § 924 BGB kann der Anspruch auf Duldung eines Notwegs nicht verjähren. Im Falle einer unberechtigten Beanspruchung und Nutzung eines Notwegs kann ein Anspruch auf Unterlassung wegen Verwirkung ausgeschlossen sein, insbesondere wenn der Notweg mehrere Jahre geduldet wurde und die Art der Nutzung beibehalten wird.

6. Verzicht auf den Notweg

Ein wirksamer Verzicht des Berechtigten auf sein Notwegerecht kann nur durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit erreicht werden (BGH 07.03.2014 - V ZR 137/13).

7. Entschädigung

Der Eigentümer, über dessen Grundstück der Notweg verläuft, ist gemäß §§ 917 ff. BGB durch eine sogenannte Notwegrente zu entschädigen. Grundlage der Berechnung kann hierbei der Nutzungswert (Mietertrag) oder der Verkehrswert der beanspruchten Fläche sein (vgl. auch BGH 16.11.1990 - V ZR 297/89: "Für die Bemessung der Notwegrente ist nicht auf den Vorteil oder den Nutzen abzustellen, den der Berechtigte aus dem Notweg zieht, sondern auf den Umfang des dem verpflichteten Eigentümer durch die Duldungspflicht entstehenden Nutzungsverlustes."

Hinweise:

Eine Duldungspflicht und damit auch eine Rentenzahlungspflicht entsteht erst mit dem Verlangen eines Notwegs (BGH 19.04.1985 - V ZR 152/83).

Zu beachten ist, dass eine Baugenehmigung nur erteilt werden darf, wenn eine Verbindung des Grundstücks zu einer öffentlichen Verkehrsfläche vorhanden ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Verbindung nur über einen Notweg eingerichtet werden kann. Wird eine Baugenehmigung dennoch erteilt kann der benachbarte Eigentümer, über dessen Grundstück der Notweg verlaufen würde, die Baugenehmigung anfechten. Ist die Baugenehmigung jedoch rechtskräftig und unanfechtbar, kann ein Anspruch auf einen Notweg nicht mit dem Hinweis auf die Rechtswidrigkeit abgelehnt werden.

 Siehe auch 

Duldungspflicht - nachbarrechtliche

Grenzverletzung

Wegerecht

BGH 07.07.2006 - V ZR 159/05 (Geltendmachung eines Notwegs bei Miteigentümerschaft/Nutzbarkeit eines Grundstücks nur über Notweg)

OLG Düsseldorf 16.07.2002 - 4 U 10/02

OLG Dresden 24.04.2002 - 11 W 149/02 (Zum Streitwert für die Klage auf Einräumung eines Notwegerechts)

Eusani: Wegerecht ohne Grundbuch - Baulast, Mietrecht oder Notweg? Zeitschrift für Immobilienrecht - ZfIR 2006, 827

Prütting/Wegen/Weinreich: BGB. Kommentar; 18. Auflage 2023