Dringender Handlungsbedarf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen aufgrund der neuen Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse

Wettbewerbsrecht
14.09.2017218 Mal gelesen

I. Einleitung:

Nicht offenkundiges Know-how, also Geschäftsgeheimnisse, stellen häufig den wesentlichen Wertfaktor eines Unternehmens dar (vgl. Westermann, Handbuch Know-how-Schutz, 2007, Kap. 1, Rn. 1). Daher halten viele Unternehmen die Bedeutung ihrer Ge-schäftsgeheimnisse für (mindestens) genauso wichtig wie Patente und andere Rechte des geistigen Eigentums (vgl. Erwägungsgrund 2 zur RiLi (EU) 2016/943 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 08.06.2016). In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass Geschäftsgeheimnisse, wenn sie denn geschützt sind, durchaus Vorteile gegen-über klassischen, registrierten Schutzrechten aufweisen: Diese bestehen insbesondere darin, dass der Geheimnisschutz zeitlich und territorial unbegrenzt besteht (vgl. Mc Guire, GRUR 2016, S. 1000 (1000)).

Bislang sind Geschäftsgeheimnisse nur über die Straftatbestände der §§ 17, 18 UWG geschützt, deren Verletzung vermittelt über §§ 823 Abs. 2 BGB, 3 a UWG zu zivilrechtlichen Ansprüchen, insbesondere auf Unterlassung und Schadensersatz, führen kann. Nachteil dieser Anspruchsgrundlagen ist, dass §§ 17, 18 UWG wegen ihres Charakters als Straftatbestände auch im Zivilrecht nicht analogiefähig sind. Mittlerweile ist die RiLi (EU) 2016/943 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 08.06.2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen erlassen worden (Amtsblatt der Europäischen Union vom 15.06.2016, L 157/1). In dieser Richtlinie, die gemäß ihrem Artikel 19 Abs. 1 bis zum 09.06.2018 in nationales Recht umzusetzen ist, findet sich eine radikal andere Definition des Betriebsgeheimnisses als in den bisherigen §§ 17, 18 UWG (vgl. dazu noch nachfolgend Ziff. II.). Diese neue Definition stellt insbesondere strengere Schutzvoraussetzungen auf. Zudem erlaubt die Richtlinie grundsätzlich ein Reverse Engineering, das aber durch vertragliche Vereinbarung untersagt werden kann. Dies beides führt dazu, dass derjenige, der seine Geschäftsgeheimnisse (weiterhin) gut geschützt wissen möchte, schon jetzt aktiv handeln muss, um der zu erwartenden neuen Rechtslage zu genügen. Wer untätig bleibt, büßt unter Umständen wertvolle Schutzpositionen ein.

II. Der Geheimnisbegriff der neuen Richtlinie:

1.)
Um den der Richtlinie zugrundeliegenden Geheimnisbegriff zu verstehen, empfiehlt sich zunächst ein kurzer Vergleich mit dem Geheimnisbegriff in § 17 UWG.

Geheimnis gem. § 17 UWG
- Unternehmensbezogene Information
- In den relevanten Fachkreisen nicht offenkundig
- Objektives Interesse an Geheimhaltung seitens des Geheimnisträgers
- Subjektiver Geheimhaltungswille

Geheimnis gem. Art. 2 RiLi
- Unternehmensbezogene Information
- In den relevanten Fachkreisen nicht offenkundig
- Aufgrund der Geheimhaltung von wirtschaftlichem Wert
- Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen

Die Anforderungen der Richtlinie an die Unternehmensbezogenheit einer Information sowie an die fehlende Offenkundigkeit sind identisch. Für das neue Recht sind daher in Bezug auf Art. 2 der RiLi die Voraussetzungen des wirtschaftlichen Wertes der Geheimhaltung sowie des Erfordernisses angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen herauszuarbeiten.

2.)
Wirtschaftlicher Wert der Information aufgrund Geheimhaltung (Art. 2 lit. b RiLi):

Dieses Kriterium wird sicherlich von der Rechtsprechung auszufüllen sein, sobald die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt ist. Es kann indes nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte strenge Anforderungen stellen und verlangen, dass ein wirtschaftlicher Informationswert dargelegt werden kann, dessen Höhe auch im Einzelnen zu beziffern ist.

3.)
Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen (Art. 2 lit. c RiLi):

Weitere Neuheit des Geheimhaltungsbegriffes der Richtlinie ist, dass das Ergreifen angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen eine absolute Schutzvoraussetzung darstellt. Dies führt dazu, dass ein schutzfähiger Gegenstand sogar dann fehlt, wenn die Information aus tatsächlichen Gründen zwar geheim geblieben ist, jedoch keine Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen worden sind (vgl. Mc Guire, a.a.O., S. 1000 (1006)). Damit nimmt diese Schutzvoraussetzung eine Doppelfunktion ein. Sie umgrenzt den Geheimnisbegriff trennschärfer als das stark auslegungsbedürftige Kriterium des Geheimhaltungswillens im bisherigen § 17 UWG und stellt darüber hinaus eine Warnung für potentielle Geheimnisverletzer dar. Aus Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. b der RiLi folgt, dass nur solche Geheimhaltungsmaßnahmen tatbestandsauslösend sind, die in ausreichendem Maße dokumentiert sind. Es ist davon auszugehen, dass angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zu einer Stärkung des Problembewusstseins sowohl auf Unternehmer- als auch auf Arbeitnehmerseite führen werden.

III. Reverse Engineering:

Die Richtlinie weist noch eine weitere Besonderheit auf: Der Richtliniengeber war/ist der Auffassung, dass das sogenannte "Reverse Engineering" grundsätzlich der Innovation und der Wettbewerbsförderung dienen könne (vgl. Erwägungsgrund Nr. 16). Art. 3 Abs. 1 lit. b der RiLi erlaubt daher grundsätzlich "die Beobachtung, die Untersuchung, den Rückbau oder das Testen eines (rechtmäßig erworbenen) Produktes oder Gegenstandes, das bzw. der öffentlich verfügbar gemacht wurde."

Allerdings erlaubt die Richtlinie, das Reverse Engineering vertraglich auszuschließen.

IV. Handlungsempfehlung:

Die Richtlinie macht es nach alledem erforderlich, sich wie folgt auf die neue Rechtslage einzustellen:

1.)
Wichtig ist zunächst, den wirtschaftlichen Wert eines Geschäftsgeheimnisses zu doku-mentieren. Da selbst geschaffenes Know-how anders als erworbenes Know-how wegen der Regelung des § 248 Abs. 2 S. 2 HGB grundsätzlich nicht als Anlagevermögen in der Bilanz erfasst wird, empfiehlt es sich insoweit, vorab beispielsweise stets eine Bewertung durch einen Sachverständigen (Wirtschaftsprüfer ?) einzuholen, um eine entsprechende Dokumentation im Streitfall schnell vorlegen zu können.

2.)
Gleichzeitig müssen angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen und dokumen-tiert werden. Dies setzt eine Schutzbedarfsanalyse sowie die Erstellung eines Schutzkonzeptes voraus. Wesentlicher Bestandteil eines jeden Schutzkonzeptes sind Geheimhaltungsvereinbarungen. Hier setzt die anwaltliche Tätigkeit ein. Es sind insbesondere zu erstellen:

- Einseitige und wechselseitige non disclosure agreements, die vor Abschluss eines endgültigen
  Zusammenarbeitsvertrages, z.B. einer Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung, geschlossen
  werden.
- Geheimhaltungsklauseln in Zusammenarbeits- und Lieferverträgen
- Geheimhaltungsvereinbarungen mit Arbeitnehmern

Zudem sind technische Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Hierzu sind insbesondere IT-Sicherheitsfirmen mit zu konsultieren.

Alle ergriffenen Maßnahmen müssen zudem dokumentiert werden.

3.)
Schließlich sollte jedes Unternehmen seinen Vertragspartnern ein Reverse Engineering vertraglich untersagen.

Festzuhalten bleibt also: In Zukunft werden Geheimhaltungsvereinbarungen ein - wenn nicht das - zentrale(s) Element des betrieblichen Geheimnisschutzes sein. Deshalb ist besonderer Wert auf eine sachkundige und sorgfältige Ausarbeitung derartiger Vereinbarungen zu legen.