Wann verjährt die Mängelhaftung des Architekten?

12.01.2015 12515 Mal gelesen
Architekten, die Leistungen nach Leistungsphase 9 übernommen haben, können unter Umständen auch noch nach 20 Jahren nach Baufertigstellung auf Schadensersatz haften, wenn sie nicht auf die Abnahme ihrer eigenen Leistung achten.

Im Rahmen der Leistungsphase 9 nach § 34 HOAI sind Architekten u.a. verpflichtet, Mängel fachlich zu bewerten, die innerhalb der Verjährungsfristen für Mängelansprüche festgestellt werden, längstens bis zum Ablauf von fünf Jahren ab Abnahme der Bauleistungen. Wie verhält es sich aber mit der Verjährung der gegen den Architekten gerichteten Ansprüche des Bauherrn? Laut Gesetz gilt hierfür eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, beginnend mit der Abnahme der Architektenleistung. Der Zeitpunkt dieser Abnahme ist indes häufig nicht leicht zu bestimmen, da die Architektenleistung meist nicht schriftlich abgenommen wird. Infolgedessen können sich extrem lange Haftungszeiträume des Architekten ergeben. Dies veranschaulicht ein aktuelles Urteil des OLG Brandenburg vom 03.12.2014, Az. 4 U 40/14.

Sachverhalt:

Der Bauherr nimmt den Architekten auf Schadensersatz wegen mangelhafter Architektenleistungen in Anspruch. Die Parteien hatten im Jahre 1994 einen Vertrag über Architektenleistungen zur Errichtung eines Einfamilienhauses geschlossen. Danach war der Architekt zur Erbringung sämtlicher Leistungsphasen der Objektplanung zu einem Pauschalhonorar von DM 65.000 verpflichtet.

Der Bauherr zog 1995 in das Haus ein. Dieses war seinerzeit noch nicht vollständig fertiggestellt. Restarbeiten wurden im Folgejahr ausgeführt. Der Architekt kümmerte sich sodann in den Jahren 1997, 2001, 2005 und 2007 um die Beseitigung verschiedener Mängel.

Im Jahr 2011 trat ein massiver Schädlingsbefall auf. Der Bauherr ließ die Schäden durch einen Sachverständigen untersuchen. Dieser stellte eklatante Planungs- und Bauüberwachungsfehler fest. Daraufhin leitete der Bauherr ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der durch das Gericht beauftragte Sachverständige bezifferte die Mangelbeseitigungskosten auf knapp 150.000 Euro. Diese Kosten und weitere Schäden verlangt der Bauherr nun vom Architekten ersetzt. Dieser hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Entscheidung des Gerichts:

Der Architekt wird zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von ca. 135.000 Euro nebst Zinsen verurteilt. Außerdem ist er verpflichtet, dem Bauherrn eventuelle weitere Schäden zu ersetzen.

Die Schadensersatzansprüche des Bauherrn gegen den Architekten sind trotz des erheblichen Zeitablaufs nicht verjährt. Eine ausdrückliche Abnahme der Architektenleistungen hat unstreitig nicht stattgefunden. Auch eine konkludente Abnahme konnte das Gericht nicht feststellen.

Eine konkludente Abnahme der Architektenleistungen wurde hier weder darin gesehen, dass der Bauherr das Haus im Jahr 1995 bezogen hat, noch darin, dass er die letzte Teilzahlung auf das vereinbarte Honorar geleistet hat. Zu den fraglichen Zeitpunkten hatte der Architekt noch nicht alle vertraglich geschuldeten Leistungen vollendet, sodass eine konkludente Abnahme noch nicht in Betracht kam.

Auch ansonsten fand das Gericht keine Anhaltspunkte für eine konkludente Abnahme der Architektenleistung. Dafür wäre ein - hier nicht erkennbares - Verhalten des Bauherrn erforderlich, das als Billigung der Leistungen des Architekten als im Wesentlichen vertragsgemäß ausgelegt werden könnte.

Sodann prüft das Gericht, ob die Verjährungsfrist ohne Abnahme begonnen hat. Dies kann dann der Fall sein, wenn Umstände gegeben sind, nach denen eine Erfüllung des Vertrages nicht mehr in Betracht kommt, bspw. wenn endgültig feststeht, dass Leistungen der Leistungsphase 9 nicht mehr zu erbringen sind. Es sei denkbar, insoweit auf den Ablauf der Gewährleistungsfristen für die Leistungen der Bauunternehmen abzustellen. Indes hätte der Architekt hierzu vor Gericht substantiiert vortragen müssen, was ihm offenbar nicht gelungen ist: Dem Vortrag des Architekten war nicht zu entnehmen, wann die Abnahme gegenüber dem letzten der an der Bauausführung beteiligten Unternehmen stattgefunden hat. Damit war dann auch der Ablauf der Verjährungsfristen nicht nachvollziehbar.

Zudem weist das Gericht darauf hin, dass selbst dann, wenn Ansprüche gegen den Architekten bereits verjährt wären, dieser sich wegen der so genannten Sekundärhaftung des Architekten auf den Eintritt der Verjährung nicht berufen kann. Nach den Grundsätzen der Sekundärhaftung hat der umfassend beauftragte Architekt nicht nur die Bauherrenrechte gegenüber den Bauunternehmen wahrzunehmen. Darüber hinaus ist er auch zu einer Klärung der Mängelursachen verpflichtet, auch wenn zu diesen eigene Planungs- und Aufsichtsfehler gehören. Verletzt der Architekt diese Pflicht, begründet dies einen weiteren ("sekundären") Schadensersatzanspruch dahin, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten Mängelansprüche des Bauherrn als nicht eingetreten gilt.
Hier hätte der Architekt umfassend u.a. prüfen müssen, ob die Holzkonstruktion ausreichend vor Feuchtigkeit geschützt war. Hierbei hätte er seine eigenen Fehler bei der Planung und Bauüberwachung entdecken und den Bauherrn darauf hinweisen müssen.

Praxishinweis:

Wer als Architekt nicht noch Jahrzehnte nach Baufertigstellung von seinem Bauherrn auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden will, sollte idealerweise die Leistungsphase 9 nicht übernehmen. Oder er sollte zumindest im Vertrag vereinbaren, dass nach Beendigung der Leistungsphase 8 eine Teilabnahme der bis dahin erbrachten Leistungen durch den Bauherrn erfolgt. Die Leistungen der Leistungsphase 9 sind dann nach deren Beendigung abzunehmen. Die Abnahme sollte auch nicht nur auf dem geduldigen Papier der Vertragsurkunde stehen, sondern dann auch tatsächlich durchgeführt werden - dies möglichst schriftlich, da alles andere Jahre später vor Gericht zu Darlegungsproblemen führt.

Die HOAI in der Fassung von 2013 enthält nun eine Regelung, dass das Architektenhonorar erst nach Abnahme der Architektenleistung fällig wird (und eine prüfbare Honorarschlussrechnung überreicht worden ist), § 15 Abs. 1 HOAI. Dies sollte Architekten dafür sensibilisieren, der Abnahme ihrer eigenen Werkleistung mehr Beachtung zu schenken.

RA Dr. Andreas Schmidt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Köln

SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln