Dos und Don’ts beim Aufhebungsvertrag - Teil 2

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25.02.202236 Mal gelesen
Aktuelle Rechtsprechung zum Gebot fairen Verhandelns: Dos und Don’ts beim Aufhebungsvertrag - Teil 2

Bekanntlich hat das BAG bereits im Jahr 2019 entschieden, dass ein Aufhebungsvertrag unwirksam ist, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist (BAG, Urteil vom 7.2.2019, 6 AZR 75/18). Dieser Beitrag skizziert den Inhalt dieses Gebots, die Folge bei einem Verstoß sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung und zeigt dabei auf, welche Handlungsweisen von Arbeitgebern risikobehaftet sind. Dabei wird auch auf das jüngste Urteil des BAG hierzu eingegangen (BAG, Urteil vom 24.2.2022, 6 AZR 333/21, Pressemitteilung Nr. 8/22).

In Teil 1 des Fachartikels Aktuelle Rechtsprechung zum Gebot fairen Verhandelns: Dos und Don'ts beim Aufhebungsvertrag wurden Inhalt des Gebots fairen Verhandelns beim Aufhebungsvertrag und die Folge bei einem Verstoß dargestellt. Der Beitrag wird nunmehr in seinem Teil 2 fortgesetzt.

Entwicklung in der Rechtsprechung der LAG

Es gibt mittlerweile mehrere Entscheidungen von LAG, die sich im Nachgang zur Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2019 mit dem Gebot fairen Verhandelns im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen befasst haben.

Einen Verstoß bejaht hat - soweit ersichtlich - nur das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 19.5.2020, 5 Sa 173/19). Dies war den Besonderheiten des konkreten Falles geschuldet. Das LAG hat dies wie folgt begründet: Die Arbeitgeberin hat mit dem Kläger eine Probezeit vereinbart, obwohl das aufgrund der bereits annähernd zweijährigen Vorbeschäftigung rechtlich unzulässig war. Das hat der Arbeitnehmer allerdings - anders als die Arbeitgeberin - nicht erkennen können und dachte, dass er ohne Weiteres kündbar ist. Zudem hat der Arbeitnehmer aufgrund der konkreten Umstände, die bei ihm einen enormen psychischen Druck erzeugt haben, und aufgrund der Kürze des Gesprächs (12 Minuten) keine Gelegenheit gehabt, sich zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen. Dies hat die Arbeitgeberin nach Überzeugung des LAG ausgenutzt.

Im Übrigen wurde - soweit ersichtlich - ein Verstoß jeweils verneint (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.3.2019, 7 Sa 421/18; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.11.2019, 2 Sa 164/19; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.5.2021, 7 Sa 377/20; LAG Hamm, Urteil vom 17.5.2021, 18 Sa 1124/20; LAG Hessen, Urteil vom 11.6.2021, 10 Sa 1221/20; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.8.2021, 1 Sa 103/21, zu einem Änderungsvertrag). Aus diesen Entscheidungen der LAG kann insbesondere Folgendes entnommen werden:

  • Wenn sich eine Arbeitnehmerin, die anführt nicht hinreichend der deutschen Sprache mächtig zu sein, über die Konsequenzen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht geirrt haben will, lässt dies weder eine Ausnutzung unzureichender Sprachkenntnisse durch die Arbeitgeberin noch eine aus sonstigen Gründen als unfair zu bewertende Verhandlungssituation erkennen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.11.2019, 2 Sa 164/19). Dies passt zum Hinweis des BAG aus der Entscheidung aus dem Jahr 2019, das das Gebot fairen Verhandelns sich nicht auf den Inhalt des Vertrags, sondern auf den Weg zum Vertragsschluss bezieht. Etwaige Folgen eines Vertrags betreffen nicht den "Weg zum Vertragsschluss".
  • Von Arbeitnehmern angeführte, angebliche gesundheitliche bzw. mentale Schwächen wurden mehrfach als nicht hinreichend bzw. als für den Arbeitgeber nicht erkennbar angesehen, wenn der Arbeitnehmer dennoch arbeitsfähig war und ggf. sogar gearbeitet hat (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.11.2019, 2 Sa 164/19; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.5.2021, 7 Sa 377/20).
  • Es wurde als nicht ausreichend angesehen, dass der Arbeitnehmer (sogar kurzfristig) während seines Urlaubs zu einer Besprechung im Betrieb bzw. Firmensitz einbestellt wird (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.5.2021, 7 Sa 377/20).
  • Ein Verstoß wurde für den Fall verneint, dass die Arbeitgeberin einen Rechtsanwalt zu dem während der Arbeitszeit im Betrieb stattfindenden Gespräch hinzugezogen, einen nur sofort abschließbaren Aufhebungsvertrag vorlegt und dies mit der - nicht widerrechtlichen - Drohung verbunden hat, er werde andernfalls wegen einer schwerwiegenden Pflichtverletzung eine fristlose Kündigung aussprechen und Strafanzeige erstatten. Durch die Anwesenheit des Anwalts der Arbeitgeberin sei keine Drucksituation entstanden. Die Arbeitgeberin habe ein berechtigtes Interesse gehabt, ihren Rechtsanwalt zum Gespräch hinzuzuziehen, um einen rechtswirksamen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Weiterhin habe die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin eine zehnminütige Bedenkzeit gegeben. Der Arbeitnehmerin musste auch nicht das Recht eingeräumt werden, ihrerseits einen Rechtsbeistand hinzuziehen. Eine solche Pflicht würde es im Rahmen von Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht geben und das Gebot "formaler Waffengleichheit" dadurch somit auch nicht verletzt sein. Anders als etwa bei einer Anhörung eines Arbeitnehmers vor einer sog. Verdachtskündigung konnte sich die Arbeitnehmerin dem Vertragsschluss dadurch entziehen, dass sie erklärt, den Aufhebungsvertrag nicht abschließen zu wollen (LAG Hamm, Urteil vom 17.5.2021, 18 Sa 1124/20).
  • Ein Verstoß trotz Verhandlungen während einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wurde verneint, da sich die Verhandlungen im konkreten Fall über mehrere Wochen hinzogen, dem Arbeitnehmer eine Überlegungsfrist von mehreren Tagen gesetzt worden ist, er diese Zeit nutzte, um den Entwurf des Arbeitgebers einem Rechtsanwalt zur Prüfung vorzulegen und er jederzeit auf den Inhalt Einfluss nehmen konnte und auch ausgeübt hat (LAG Hessen, Urteil vom 11.6.2021, 10 Sa 1221/20).
  • Als ein Arbeitnehmer behauptet, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung unter erheblichen Medikamenteneinfluss gestanden habe und arbeitsunfähig gewesen sei, so wurde ihm vorgehalten, dass er darauf hinweisen und um eine Fristverlängerung zur Abgabe seiner Erklärung hätte bitten müssen. Es kann insoweit nicht einfach hypothetisch unterstellt werden, dass er bei einer entsprechenden Bitte unfair behandelt worden wäre und die Arbeitgeberin diesem Anliegen nicht nachgekommen wäre (LAG Hessen, Urteil vom 11.6.2021, 10 Sa 1221/20).
  • Die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen Schwäche wurde in einem Fall verneint, in dem die Arbeitnehmerin nach einer vorangegangenen längeren Arbeitsunfähigkeit noch an deutlichen Symptomen einer Erkältungserkrankung litt. Die Arbeitgeberin musste nicht davon ausgehen, dass die Arbeitnehmerin infolge dieses körperlichen Zustandes hinsichtlich ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt oder zumindest in ihrer "Widerstandskraft" hinsichtlich der Ablehnung des angetragenen Vertrags so geschwächt gewesen sein soll, dass sich die Durchführung der Verhandlungen als unfaires Verhandeln dargestellt hätte. Die Arbeitnehmerin hat selbst nicht behauptet, auf ihren schlechten gesundheitlichen Zustand hingewiesen und gleichwohl zu dem Gespräch gedrängt worden zu sein. Nicht jede Erkrankung führt zu einer Schwächung der Entscheidungsfreiheit oder der Fähigkeit, ein Vertragsangebot abzulehnen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.8.2021, 1 Sa 103/21).

Aktuelle Entscheidung des BAG

Nunmehr hatte das BAG Gelegenheit, sich erneut mit dem Gebot fairen Verhandelns zu befassen, nachdem die unterlegene Arbeitnehmerin gegen das weiter oben bereits kurz skizzierte Urteil des LAG Hamm (vom 17.5.2021, 18 Sa 1124/20) Revision eingelegt hat. Das BAG hat die Revision der Arbeitnehmerin zurückgewiesen (BAG, Urteil vom 24.2.2022, 6 AZR 333/21, Pressemitteilung Nr. 8/22). Dabei hat das BAG ausweislich der bisher nur vorliegenden Pressemitteilung Folgendes entschieden:

"Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann."

Das BAG hat die Entscheidung des LAG Hamm und die in der Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2019 aufgestellten Grundsätze bestätigt und seine Rechtsprechung zudem dahingehend präzisiert, dass es auch keinen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns bedeutet, wenn der Arbeitgeber das Verlangen des Arbeitnehmers ablehnt, zum angebotenen Aufhebungsvertrag Rechtsrat einzuholen (also auch: einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen). Damit bewertet das BAG die Situation abweichend von derjenigen bei einer Anhörung des Arbeitnehmers vor einer sog. Verdachtskündigung. Denn die Verdachtsanhörung ist zu unterbrechen und dem Arbeitnehmer die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Anhörung zuzugestehen ist, wenn der Arbeitnehmer dies verlangt, auch wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht von sich auf diese Möglichkeit hinweisen muss (so BAG, Urteil vom 12.2.2015, 6 AZR 845/13; vgl. auch BAG, Urteil vom 24.5.2012, 2 AZR 206/11; BAG, Urteil vom 13.3.2008, 2 AZR 961/06). Auch im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) kann der Arbeitnehmer nach neuerer Rechtslage eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen (§ 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX in der Fassung ab dem 10.6.2021). Es wird zwar zum Teil die Ansicht vertreten, dass ein Rechtsanwalt keine Vertrauensperson in diesem Sinn sein soll. Jedoch dürften auch Rechtsanwälte als Vertrauensperson einzustufen sein. In Zusammenhang mit der Verdachtsanhörung eines Arbeitnehmers hat das BAG Rechtsanwälte als Vertrauenspersonen bezeichnet (BAG, Urteil vom 12.2.2015, 6 AZR 845/13).

 

- Fortsetzung des Fachartikels in Teil 3 -