Die Betriebsprüfung der Rentenversicherungsträger

Arbeit Betrieb
29.03.2009 6564 Mal gelesen
Am 01.01.1999 trat das Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit in Kraft. Die Träger der Rentenversicherung übernahmen die gesetzliche Aufgabe der Betriebsprüfungen von den Krankenkassen. Dies hat zu einer Verschärfung der Prüfungstätigkeit geführt.

Die Krankenkassen prüften kleine und mittlere Betriebe durchschnittlich nur alle 12 bis 15 Jahre und beschränkten sich auf ihre Versicherten. Die Rentenversicherungsträger müssen dagegen jeden Betrieb mindestens alle vier Jahre prüfen und können sämtliche Beschäftigungsverhältnisse, also auch auf freie Mitarbeiter und Subunternehmer prüfen. Bis 30.06.2007 wurden nur die Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung geprüft. Ab 01.07.2007 ist die Prüfung der Künstlersozialabgabe hinzugekommen. Die sozialrechtliche Betriebsprüfung hat in der Praxis erheblich an Bedeutung gewonnen. Allein im Geschäftsjahr 2005 wurden laut Jahrebericht der DRV aufgrund von Betriebsprüfungen Beiträge in Höhe von rund 622 Mio EUR nachgefordert. Typische Beanstandungen ergeben sich erfahrungsgemäß bei Minijobs (d.h. geringfügige und kurzfristige Beschäftigungen), bei mitarbeitenden Familienangehörigen (z.B. Ehegatten), bei GmbH-Geschäftsführern, Scheinselbständigen, sowie Studenten, Praktikanten und Schülern. Viele Betrieben kennen allerdings das Verfahren und die Risiken nicht.. Selbst Steuerberatern fehlt mitunter Detailkenntnis. Unzutreffende Meldungen und spätere Nachforderungen können die Folge sein. Diese Folge informiert zunächst über den Verfahrensablauf und die Rechte und Pflichten der Betriebe. Weitere Folgen erläutern kritische Beschäftigungsverhältnisse und empfehlen Strategien zum Schutz vor Betragsnachforderungen.
 

Prüfung beim Arbeitgeber
Die Prüfung erfolgt grundsätzlich beim Arbeitgeber, daneben auch bei Steuerberatern, Rechenzentren und vergleichbaren Einrichtungen, die für den Arbeitgeber Löhne und Gehälter abrechnen oder Meldungen erstatten.
 

Vorherige Ankündigung
Eine Betriebsprüfung ist in der Regel vorher anzukündigen und zwar möglichst einen Monat, spätestens jedoch 14 Tage vor der Betriebsprüfung.
 

Umfang der Prüfung
Die Rentenversicherungsträger prüfen, welche Beschäftigten pflichtversichert sind oder ob Ausnahmetatbestände wie z.B. eine Befreiung von der Versicherungspflicht besteht. Sie sind berechtigt, über den Bereich der Lohn- und Gehaltsabrechnung hinaus zu prüfen, allerdings nicht Unterlagen außerhalb des Rechnungswesens. Sie dürfen, ohne dass hier für besondere Gründe vorliegen müssen, auch die Beschäftigungsverhältnisse von freien Mitarbeitern und die gesamte Finanzbuchhaltung, einschließlich der Aufwandskonten prüfen. Lohn- und Gehaltskonten aller Arbeitnehmer, einschließlich der Neben- und Unterbetriebe, Beitragsabrechnungen, Meldungen, Unterlagen über Versicherungsfreiheit von Mitarbeitern, Anstellungsverträge, Gesellschafterverträge, insbesondere von GmbH-Geschäftsführern, Dienst- und Werkverträge von selbstständig Beschäftigten sowie alle sonstigen Unterlagen bezüglich der Zusammensetzung des Arbeitsentgeltes, wie Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Kassenbücher, Journale dürfen eingesehen und in die Prüfung mit einbezogen werden. Die Betriebsprüfung umfaßt auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt worden sind.
 

Mitwirkungspflichten
Die Arbeitgeber müssen angemessene Prüfhilfen leisten, damit festgestellt werden kann, ob die Meldepflichten zur Sozialversicherung erfüllt und die Beiträge zutreffend abgeführt worden sind. Sie sind auch verpflichtet, Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden vorzulegen. Die Betriebsprüfer sind verpflichtet, diese Unterlagen einzusehen und eine versicherungs- und beitragsrechtliche Auswertung vorzunehmen. Das Ergebnis ist im Prüfbericht festzuhalten, ebenso die Gründe, wenn von einer Auswertung abgesehen worden ist.
 

Beteiligte am Prüfverfahren
Am Verfahren beteiligt ist zum einen der Arbeitgeber, an den der Rentenversicherungsträger seine Entscheidung richten will (z.B. einen Beitragsnachforderungsbescheid). Der Rentenversicherungsträger kann aber auch von Amts wegen oder auf Antrag, betreffende Mitarbeiter, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, (z.B. freie Mitarbeiter) als Beteiligten hinzuziehen.
 

Hinzuziehung von Bevollmächtigten
Alle Beteiligten sind berechtigt, sich durch Bevollmächtigte vertreten zu lassen. Dies kann auch ein Rechtsanwalt sein. Ob auch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten auftreten dürfen, ist allerdings umstritten. .
 

Untersuchungsgrundsatz, Beweislast
Für alle Verwaltungsverfahren, also auch für Betriebsprüfungen gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die Prüfer müssen die entscheidungsrelevanten Tatsachen selbst ermitteln. In Zweifelsfällen kann aber der Arbeitgeber beweispflichtig werden (z.B. wenn sich die Voraussetzungen eines Minijobs nicht aufklären lassen). Unklarheiten gehen dann zu seinen Lasten.

Anhörung und Schlußgespräch
Bevor ein Beitragsnachforderungsbescheid erlassen wird, erhält der Arbeitgeber Gelegenheit zur Stellungnahme (Anhörung). Der Bevollmächtigte kann dabei eingeschaltet werden.
 

Akteneinsicht
Den Beteiligten ist Einsicht in die das Prüfungsverfahren betreffenden Akten zu gestatten, so weit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung der rechtlichen Interessen erforderlich ist. Die Akten umfassen alle Aufzeichnungen einschließlich der beigefügten Unterlagen und beigezogenen Akten anderer Sozialversicherungsträger, etwa der Krankenkassen als Einzugsstellen.
 

Verhältnis zur Steuerprüfung
Der Arbeitgeber muss den Prüfern der Rentenversicherung auch Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden vorlegen. Hat das Finanzamt bereits festgestellt, dass ein freier Mitarbeiter steuerlich nicht als selbstständig anerkannt wird und wurde für diesen die Lohnsteuer nacherhoben, erhält der Rentenversicherungsträger davon Kenntnis. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die sozialversicherungsrechtliche Entscheidung aber unabhängig von der Entscheidung der Finanzbehörden zu treffen (BSGE 47,201,206; BSG SozR 3-4100 § 4 AFG Nr. 1). Umgekehrt sind auch die Rentenversicherungsträger den Finanzbehörden zur Auskunft verpflichtet. Sie sind zur Mitteilung von Sozialdaten an die Finanzbehörden von Amts wegen, d. h. im Wege der Spontanmitteilung, verpflichtet, wenn sie bei einer Betriebsprüfung dienstliche Kenntnis von Tatsachen erlangt, die den Verdacht einer Steuerstraftat begründen. Der Verdacht einer Steuerordnungswidrigkeit reicht nicht aus. Es müssen allerdings konkrete Verdachtsmomente, nicht nur Vermutungen vorliegen.

 Verjährung von Beitragsforderungen
Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, indem sie fällig geworden sind. Wurden sie vorsätzlich vorenthalten, beträgt die Frist 30 Jahre (§ 25 Abs. 1 SGB IV). Bedingter Vorsatz reicht aus. Vorsatz verantwortlicher Mitarbeiter oder anderer beauftragter Stellen, wie z.B. Steuerberater, muss sich der Arbeitgeber zurechnen lassen. Wurde der Beitrag lediglich zu gering berechnet, kann Vorsatz nur ausnahmsweise angenommen werden. Solche Fehler beruhen typischerweise auf Fahrlässigkeit.
 

Nachträglicher Abzug beim Arbeitnehmer?
Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag schuldet der Arbeitgeber. Er hat sowohl Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil an die zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle zu zahlen. Bei späteren Nachforderungen hat der Arbeitgeber praktisch keine Möglichkeiten, den Arbeitnehmeranteil im Wege des Abzugs beim Arbeitnehmer wieder zu erlangen. Der Arbeitgeber trägt somit das wirtschaftliche Risiko, dass sich eine sozialversicherungsrechtliche Einordnung später als unzutreffend herausstellt und er im Rahmen einer Betriebsprüfung den noch nicht verjährten Gesamtsozialversicherungsbeitrag nachzahlen muss.
Die Einzugsstelle kann allerdings auf Antrag des Beitragsschuldners die Beitragsforderung stunden, wenn die sofortige Einziehung der Beitragsforderung für ihn eine erhebliche Härte in wirtschaftlicher Hinsicht bedeuten würde und dadurch der Anspruch nicht gefährdet wird. Eine Stundung soll gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung erfolgen.
 

Praxistip:
Bei Ankündigung einer Betriebsprüfung empfiehlt sich eine eingehende Vorbereitung der Betriebsprüfung, wobei die Zweifelsfälle vom Arbeitgeber intern geprüft und gegebenenfalls dazu Stellungnahmen gefertigt werden, in denen die Rechtsauffassung des Arbeitgebers dargelegt wird. Der Prüfer des zuständigen Rentenversicherungsträgers darf die Entgegennahme solcher vorbereiteten Stellungnahmen des Arbeitgebers oder seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes nicht verweigern und hat sie bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 3 SGB X).