Die Personalabteilung als Dienstleister der Beschäftigten: Risiken von Auskunft und Beratung

Die Personalabteilung als Dienstleister der Beschäftigten: Risiken von Auskunft und Beratung
06.04.2017778 Mal gelesen
Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts rückt die Auskunfterteilung und die Beratung der Beschäftigten durch die Personalabteilung erneut in den Fokus. Aus rein rechtlicher Sicht betrachtet: Darf, muss und sollte der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?

Manche Personalabteilungen tritt heutzutage über ihre klassische Rolle hinaus auch als Dienstleister für die Beschäftigten auf. Den Beschäftigte stellen sich diverse Fragen z.B. zu Mutterschutz oder Elternzeit oder zu ihren Rechten anlässlich von Gesetzesänderungen oder Anpassungen von Tarifverträgen. Einige Beschäftigte wünschen sich hier Unterstützung von Seiten der Arbeitgeber. Diese Situation haben einige Arbeitgeber zum Anlass genommen, eine Hilfestellung durch die Personalabteilung bereit zu stellen, um das Vertrauen und die Mitarbeiterbindung zu stärken. Durch die Institutionalisierung dieser Hilfestellung soll gleichzeitig der Bearbeitungsaufwand gesenkt werden.

Vorliegend soll die Auskunfterteilung und die Beratung der Beschäftigten durch die Personalabteilung aus rein rechtlicher Sicht betrachtet werden:

1. Darf der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?
Selbstverständlich darf der Arbeitgeber seine eigenen Beschäftigten über deren Rechte und Pflichten im und rund um das Arbeitsverhältnis beraten. Es gibt keine Vorschriften oder Rechtsgrundsätze, die es verbieten, den Vertragspartner "schlau zu machen". Dies gilt selbst dann, wenn - wie im Arbeitsverhältnis - beide Vertragsparteien nicht selten unterschiedliche und einander entgegenstehende Interessen haben (können).

2. Muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?
Eine Verpflichtung des Arbeitgebers seine eigenen Beschäftigten über deren Rechte und Pflichten im und rund um das Arbeitsverhältnis aufzuklären bzw. entsprechende Auskünfte (gefragt oder ungefragt) zu geben bzw. zu beraten, kann sich in Einzelfällen und zu Einzelfragen durchaus ergeben, und zwar aufgrund (seltener) spezieller gesetzlicher Vorgaben (z.B. § 12 Abs. 1 ArbSchG, § 100 Abs. 1 2 BetrVG) oder aber aufgrund der allgemeinen Pflichten in §§ 241 Abs. 2, 242 BGB.

So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. vom 22.1.2009, 8 AZR 161/08) etwa zu einer Aufklärungspflicht hinsichtlich einer Doppelbesteuerung bei Einsatz des Beschäftigten im Ausland u.a. Folgendes ausgeführt: "Grundsätzlich hat jeder Vertragspartner selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen zu sorgen. Der jeder Partei zuzubilligende Eigennutz findet seine Grenze jedoch in dem schutzwürdigen Lebensbereich des Vertragspartners. (.) Die Rechtsprechung hat eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer auch dann bejaht, wenn dieser in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seiner Rechte, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, im Ungewissen ist, während der Arbeitgeber unschwer Auskunft geben kann. (.) Auch hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unaufgefordert über alle Umstände zu informieren, die dem Arbeitnehmer unbekannt, aber für die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung des Arbeitsvertrags erheblich sind . (.) Da sich die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers im Regelfalle im Wesentlichen auf die Rechte des Arbeitnehmers aus sein Arbeitsverhältnis bezieht, besteht keine allgemeine Aufklärungs- und Hinweispflicht auf sämtliche für den Zweck des Arbeitsverhältnisses bedeutsamen Umstände, sondern nur auf besondere atypische Risiken für den Arbeitnehmer. (.) Grundsätzlich muss sich jeder, auch der Arbeitnehmer, über die für ihn geltenden gesetzlichen Regelungen selbst informieren."

Bereits früher hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. vom 26.8.1993, 2 AZR 376/93) ganz allgemein festgestellt: "Der Arbeitgeber ist nicht zur allgemeinen Rechtsberatung des Arbeitnehmers verpflichtet. Über die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Vorschriften muss sich der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst informieren."

3. Sollte der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?
Erteilt der Arbeitgeber den Beschäftigten Auskünfte (auch wenn er dies an sich nicht müsste), so müssen diese Auskünfte richtig und vollständig sein (so z.B. BAG, Urt. vom 17.10.2000, 3 AZR 605/99 sowie die Lit.; offen gelassen, ob dies bei Nachfrage des MA unter allen Umständen der Fall ist, von BAG, Urt. vom 21.11.2000, 3 AZR 13/00; davon quasi nebenbei aber einfach ausgehend: BAG, Urt. vom 4.5.2010, 9 AZR 184/09, Rn. 62). Mögliche Folge der Falschauskunft ist, dass der Arbeitgeber den Beschäftigte Schadensersatz schuldet (d.h. der Arbeitgeber muss die Beschäftigten also ggf. so stellen, wie diese bei richtiger Auskunft stünden).

4. Aktuelles vom BAG
In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 15.11.2016, 6 AZR 578/15) seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Zugleich hat das Bundesarbeitsgericht nach den Auswirkungen für die Haftung des Arbeitgebers und für den Verfall eines Anspruchs des Arbeitnehmers aufgrund einer (tariflichen) Ausschlussfrist differenziert. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht Folgendes ausgeführt:
- Unterlässt es der Arbeitgeber pflichtwidrig, dem Arbeitnehmer Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung einer tariflichen Ausschlussfrist veranlasst hätten, steht dem Berufen des Arbeitgebers auf die Ausschlussfrist der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
- Im Arbeitsverhältnis hat aufgrund der im Zivilrecht geltenden Privatautonomie jede Partei grundsätzlich selbst für die Wahrnehmung ihrer Interessen zu sorgen. Der Arbeitgeber ist darum nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf tarifliche Änderungen hinzuweisen. Erteilt ein Arbeitgeber gleichwohl Informationen über die Auswirkungen einer Tarifänderung auf das Arbeitsverhältnis und sind diese Informationen unvollständig, so dass der Arbeitnehmer die tarifliche Ausschlussfrist versäumt, darf sich der Arbeitgeber auf den Verfall des Anspruchs berufen. Es fehlt an einem pflichtwidrigen Unterlassen und damit an der Voraussetzung für ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf die Ausschlussfrist.
- Erteilt der Arbeitgeber Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Der Arbeitgeber haftet dem Arbeitnehmer deshalb gemäß § 241 Abs. 2 iVm. § 280 Abs. 1 BGB für Schäden, für die eine von ihm schuldhaft erteilte fehlerhafte Auskunft ursächlich war.
- Eine Auskunft, die zu einem Schadenersatzanspruch führen kann, liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entweder auf dessen ausdrückliches Verlangen nach Information falsch informiert oder wenn er im Rahmen von Vertragsverhandlungen, die der Arbeitgeber initiiert hat, den Arbeitnehmer falsch berät.
- Eine fehlerhaft erteilte Auskunft des Arbeitgebers hat unterschiedliche Folgen für den Verfall des Anspruchs und eine schadenersatzrechtliche Haftung des Arbeitgebers, weil sich die Risikoverteilung insoweit unterscheidet. Verlässt sich der Arbeitnehmer auf eine fehlerhafte Auskunft des Arbeitgebers, fällt dies hinsichtlich der Wahrung der Ausschlussfrist ausschließlich in seine Risikosphäre. Der Arbeitgeber kann sich darauf einstellen, diesen Anspruch nicht erfüllen zu müssen. Erteilt der Arbeitgeber dagegen auf ein vom Arbeitnehmer offenbartes Informationsbedürfnis Auskunft, verlagert § 280 Abs. 1 BGB als Haftungstatbestand das Risiko, dass die erteilte Auskunft inhaltlich zutrifft, in die Risikosphäre des Arbeitgebers. Dieser haftet schadenersatzrechtlich für die Richtigkeit seiner Auskunft.

5. Fazit
Von (durchaus vorkommenden!) Ausnahmen aufgrund spezieller gesetzlicher Vorgaben oder besonderer Einzelfallumstände abgesehen bestehen keine (allgemeinen) Auskunfts- bzw. Aufklärungspflichten des Arbeitgebers ggü. den Beschäftigten hinsichtlich der Rechte und Pflichten aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Berät der Arbeitgeber aber seine Beschäftigten (z.B. zu Elternzeitfragen), so müssen die Auskünfte richtig und vollständig sein, andernfalls macht er sich potentiell schadensersatzpflichtig.