Bundesgerichtshof 12.02.2009, XI ZR 510/07: Erweiterung der "Kickback" - Rechtsprechung für Vermittlung von Anteilen an geschlossenen Fonds

Aktien Fonds Anlegerschutz
16.02.20093610 Mal gelesen

Der BGH hat in einem aktuellen Beschluss vom 12.02.2009 (Az.: XI ZR 510/07) klargestellt, dass Berater auch beim Verkauf geschlossener Fonds die Rückvergütungsgebühren (sog. "kickbacks" oder Innenprovisionen) offen legen müssen. Der Käufer eines Medienfonds, der 2001 Anteile an einem Medienfonds in Höhe von 50.000,- Euro gekauft hatte, hatte eine Commerzbank-Tochter verklagt, weil die Bank beim Verkauf eine Vergütung von mindestens 8 % erhalten hatte, diese Provision jedoch dem Anleger verschwiegen hatte. Der Fonds verursachte weitgehende Verluste, er war beim Verkauf lediglich noch ca. 11.350,- Euro wert, weshalb der Anleger in Höhe von 41.000,- Euro auf Schadensersatz klagte.

Der BGH entschied nun zugunsten des Anlegers und verwies den Rechtsstreit an das OLG Naumburg zurück. Der BGH kam zu dem Schluss, dass der Berater den Anleger über die erhaltenen Provisionen hätte informieren müssen, da eine Interessenkollision bestanden hätte, und der Berater aufgrund der hohen Provisionen einen erheblichen Anreiz gehabt hätte, genau diesen geschlossenen Fonds zu empfehlen. Dass sie deshalb ein besonders hohes finanzielles Interesse an dem Verkauf hatte, hätte sie laut BGH dem Anleger bei der Beratung mitteilen müssen. Wer sich als objektiver Berater ausgibt, und hintenrum aber hohe Provisionen abkassiert, muss also mit der Geltendmachung von Regressansprüchen rechnen, wenn er diesen Sachverhalt verschweigt. Die Binsenweisheit
 
 "Wessen Brot ich es, dessen Lied ich sing!"
 wurde nun endlich Grundlage einer verwertbaren Entscheidung des BGH.
 Dies ist eine sehr gute Nachricht für sämtliche Anleger geschlossener Fonds, egal ob Immobilien-, Medien-, Schiffs- oder sonstige Fonds. Die bereits im Jahr 2006 begonnene positive BGH-Rechtsprechung wird hiermit auch für geschlossene Fonds bestätigt und Unsicherheiten beseitigt. Anlegeransprüche verjähren erst drei Jahre ab Kenntnis von den Provisionen.  Es ist daher zu erwarten, dass viele geschädigte Anleger von geschlossenen Fonds Schadensersatzansprüche geltend machen können und somit den Banken und sonstigen Anlageberatern ein massives Haftungsproblem bei Nichtaufklärung droht.
 
 Grundlage hierfür waren die Kickback I und Kickback II Entscheidungen des BGH vom 19.12.2000 und 19.12.2006:
 
 1. Kickback I - Bank zahlt an Vermögensverwalter, Urteil vom 19.12.2000, XI ZR 349/99
In diesem Falle bejaht der BGH eine Aufklärungspflicht des Vermögensverwalters über eine bestehende Provisions- und Gebührenteilungsvereinbarung mit der Depotbank. Wenn der Vermögensverwalter sich hinter dem Rücken des Kunden eine Beteiligung an Provisionen und Gebühren versprechen lässt, stellt dies eine schwerwiegende Treuwidrigkeit dar. Damit bejaht das Gericht einen Schadensersatzanspruch des Kunden in Höhe von DM 1.411.942,31 wegen erhaltener Kickback von nur DM 6.896,77; also 0,49 %.
 
 2. Kickback II - Bank nimmt Kickback, Urteil vom 19.12.2006, XI ZR 56/06
 Wenn eine Bank einen Kunden über Kapitalanlagen berät und Fondsanteile empfiehlt, bei denen sie verdeckte Rückvergütungen aus den Ausgabeauf-schlägen und jährlichen Verwaltungsgebühren erhält, muss sie den Kunden über diese Rückvergütungen aufklären, damit der Kunde beurteilen kann, ob die Anlageempfehlung allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung erfolgt ist, oder im Interesse der Bank, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten.
 
Das LG Heidelberg schlussfolgerte hieraus am 31.07.2008, Az. 3 O 98/08 richtig, dass in Depotverwaltungsverträgen vorgesehene Rückvergütungen in Euro-Beträgen anzugeben sind:
 
 (...)
 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch über die Höhe der Rückvergütungen zu informieren. Dies ist im vorliegenden Fall nicht ausreichend geschehen. Denn in den AGB zu den Depotverwaltungsverträgen ist lediglich die Rede davon, dass die Rückvergütung bis zu 100% oder den überwiegenden Teil der dem Anleger in Rechnung gestellten Vergütung betragen könne. Dies genügt zur Aufklärung über die Höhe der Rückvergütungen nicht, weil sich der Anleger bei diesen Angaben keinen Begriff von der genauen Höhe der Rückvergütungen machen kann, weil ihm insbesondere im vorhinein auch nicht bekannt ist, wie hoch die Gebühren im Einzelnen sein werden, so dass er auch nicht anhand der Prozentangaben auf die Höhe schließen könnte. Erforderlich wäre daher, dass die Rückvergütung jeweils bezogen auf den einzelnen Leistungsanbieter (beispielsweise eine Bank, einen Broker oder eine Fondsgesellschaft) in einem Euro-Betrag angegeben wird. Diese erhöhte Anforderung lässt sich der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2006 entnehmen, weil dort ausgeführt ist, dass eine Pflichtverletzung nicht daran scheitere, dass der Anleger über die Rückvergütungen dadurch informiert war, dass ihm ein Teil davon seitens der dortigen Beklagten als Bonifikation gutgeschrieben wurde. Aufgrund dieser Gutschriften wusste der Anleger in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall zumindest grob die Höhe der Rückvergütung, weil ihm ein Teil hiervon gutgeschrieben wurde. Der Bundesgerichtshof hat jedoch ausgeführt, dass die Aufklärungspflicht hierdurch nicht entfalle, sondern der Anleger weiterhin, was die Größenordnung der Rückvergütungen angehe, aufklärungsbedürftig bleibe. Daraus lässt sich entnehmen, dass eine grobe Einordnung mit der Angabe, dass eine Rückvergütung bis zu einem bestimmten Prozentsatz oder im Umfang des überwiegenden Teils der Gebühren möglich sei, nicht genügt, um der Pflicht zur Aufklärung über die Höhe der Rückvergütungen nachzukommen. Aus Sinn und Zweck dieser Aufklärungspflicht ergibt sich auch, dass bestimmte Beträge in Euro anzugeben sind, weil der Anleger ansonsten nicht hinreichend beurteilen kann, welche Anreizwirkung von den Rückvergütungen für den Depotverwalter möglicherweise ausgeht.
 (...)
 
 Depot- und Vermögensverwaltungsverträge sind deswegen genauestens zu überprüfen.
 
 
 Was gilt bei Lebensversicherungen?
 
Ohne große Öffentlichkeitsarbeit kündigte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht am 22. Februar 2008 eine kleine Revolution im Versicherungsbereich an: Die Aufhebung des Rundschreibens 5/1995 des ehemaligen BAV. Es geht um die - zumindest bisherige - Begrenzung der so genannten Abschlusskosten bei Lebensversicherungen. Durch die Aufhebung dieser Verordnung können die Versicherer nun an ihre Vermittler bezahlen, was sie wollen. Eine gesetzliche Beschränkung nach oben gibt es nicht mehr.
 
 Aber:
 
 Ab dem 1.01.2008 gilt dann das neue Versicherungsvertrags-Gesetz und zwar in Verbindung mit der Informationspflichten-Verordnung. Die Lebensversicherer sind danach verpflichtet, detaillierte Angaben zur Versicherungsleistung, den Beiträgen und den Vertriebs- und Abschlusskosten gegenüber den Versicherungsnehmern zu machen.
 
 auszugsweise VVG-InfoV:
 (...)
 § 2 Informationspflichten bei der Lebensversicherung, der Berufsunfähigkeitsversicherung und der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr
 (1) Bei der Lebensversicherung hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes zusätzlich zu den in § 1 Abs. 1 genannten Informationen die folgenden Informationen zur Verfügung zu stellen:
 1.
 Angaben zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten; dabei sind die einkalkulierten Abschlusskosten als einheitlicher Gesamtbetrag und die übrigen einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Laufzeit auszuweisen;
 (...)
 
Einer veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung zur alten Rechtslage bis 1.01.2008 zufolge wusste jeder Dritte der Befragten nicht, dass bei der Kündigung einer Kapitallebensversicherung in den ersten Jahren ? verglichen mit anderen Anlageformen ? die höchsten Kündigungskosten entstehen. Nach den Erfahrungen der Verbraucherzentrale dürfte der Kreis derer, die den Hintergrund dieser hohen Kündigungskosten nicht oder nur unzureichend kennen, noch weitaus größer zu sein.
Da von den Kosten in den Verkaufsgesprächen bis zum 1.01.2008 bislang so gut wie nie die Rede war, glauben viele Versicherungskunden, dass sie für die Vermittlung einer Police selbst nichts bezahlen müssen. Stattdessen wird oftmals geglaubt, dass der Vermittler seine Provision vom Versicherungs-unternehmen erhalte. Dies ist jedoch eine falsche Vorstellung. Der Versicherer überweist zwar die Provision an den Vermittler. Diese Zahlungen wurden dem Versicherungskunden jedoch bislang insgeheim als Abschlusskosten belastet und sind also tatsächlich von ihm zu tragen. Die Höhe der Kosten ist regelmäßig selbst auf Nachfrage nicht zu erfahren. Schon dies lässt darauf schließen, dass es sich nicht um geringe Beträge handelt. In der Regel liegen die Abschlussprovisionen zwischen vier und 4,5 Prozent der Beitragssummen, mitunter aber auch deutlich höher ? wobei insbesondere die Strukturvertriebe wie AWD, DVAG oder MLP zu den Spitzenverdienern zählen sollen. Bei einer Lebensversicherung, für die beispielsweise über 30 Jahre hinweg monat-lich 100 EUR, also insgesamt 36.000 EUR zu zahlen sind, liegt die Abschlussprovision demnach zwischen 1.400 und 1.700 EUR.
 
Angesichts der bahnbrechenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zu Rückvergütungen an Verkäufer und Vermittler ("Kickbacks") , sollten Kunden von Lebensversicherungen überprüfen, inwiefern sie selbst über die Abschlussprovisionen aufgeklärt wurden.