Rechtswörterbuch

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach Themen im Rechtswörtebuch zu suchen!

Mahnverfahren

 Normen 

§§ 688 - 703d ZPO

§§ 204, 209 BGB

§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB

§ 17 Nr. 2 RVG, Nrn. 3305 ff. Vergütungsverzeichnis zum RVG

 Information 

1. Allgemein

Außergerichtliche Möglichkeit zur zivilprozessrechtlichen Titelerlangung.

Geldforderungen gegen einen Schuldner können - ohne dass eine Klage erhoben werden muss - im Mahnverfahren geltend gemacht werden. Das Mahnverfahren ist auf andere Ansprüche als auf Zahlungsansprüche nicht anwendbar. Insbesondere bei unstreitigen Ansprüchen kann das Mahnverfahren ein schneller Weg zur Titelerlangung sein. Es besteht kein Anwaltszwang.

Der Anspruch darf nicht von einer noch ausstehenden Gegenleistung abhängen.

Zur Antragstellung sind die amtlichen Vordrucke zu verwenden.

2. Zuständigkeit

Zuständig ist das Amtsgericht, bei dem der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat bzw. das zentrale Mahngericht des Gerichtsbezirkes. Es handelt sich um eine ausschließliche Zuständigkeit. Das Amtsgericht ist auch bei höheren Streitwerten zuständig. Die Landesregierungen sind nach § 689 Abs. 3 ZPO ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit zu zentralisieren.

In den Bundesländern sind folgende zentralen Mahngerichte eingerichtet worden:

Bundesland:zentrales Mahngericht:
Baden-WürttembergAG Stuttgart
BayernAG Coburg
BerlinAG Wedding
BrandenburgAG Berlin-Wedding
BremenAG Bremen
HamburgAG Hamburg-Altona
HessenAG Hünfeld
Mecklenburg-VorpommernAG Hamburg-Altona
Niedersachsen AG Uelzen
Nordrhein-WestfalenAG Hagen für die OLG-Bezirke Hamm und Düsseldorf; AG Euskirchen für den OLG-Bezirk Köln
Rheinland-PfalzAG Mayen
SaarlandAG Mayen
SachsenAG Aschersleben, Zweigstelle Staßfurt
Sachsen-AnhaltAG Aschersleben, Zweigstelle Staßfurt
Schleswig-HolsteinAG Schleswig
ThüringenAG Aschersleben, Zweigstelle Staßfurt

Zu den einzelnen Gerichten siehe https://www.mahngerichte.de/de/mahngerichte.html.

Zu beachten ist, dass die zentrale Bearbeitung in den einzelnen Bundesländer teilweise an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft ist.

3. Verfahren

Zuständig ist gemäß § 20 RPflG der Rechtspfleger. Dieser prüft das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 688 - 690 ZPO. Es findet grundsätzlich keine Schlüssigkeitsprüfung statt.

Das Mahnverfahren hat folgenden Ablauf:

  • Der Antragsteller beantragt bei dem zuständigen Gericht den Erlass eines Mahnbescheids. Sofern nicht alle erforderlichen Angaben auf dem Antrag ausgefüllt sind, erhält der Schuldner von dem Mahngericht eine Monierung mit der Aufforderung, die konkret benannten Mängel zu beheben.

  • Der vollständig ausgefüllte Mahnbescheid wird dem Schuldner durch das Gericht zugestellt.

  • Der Schuldner hat dann drei Möglichkeiten:

    • Beginnend mit der Zustellung hat der Schuldner zwei Wochen Zeit, die im Mahnbescheid behauptete Schuld zu begleichen.

    • Er kann innerhalb der Zwei-Wochen-Frist Widerspruch einlegen. Das Verfahren wird dann auf den Antrag des Gläubigers zur Durchführung des streitigen Verfahrens an das zuständige Gericht abgegeben.

    • Wird durch den Schuldner kein Widerspruch eingelegt und bezahlt er den Anspruch auch nicht, erlässt das Amtsgericht nach dem Verstreichen der Zwei-Wochen-Frist auf Antrag des Antragstellers einen Vollstreckungsbescheid, gegen den der Schuldner wiederum innerhalb von zwei Wochen, beginnend mit der Zustellung, Einspruch einlegen kann. Der Rechtsstreit wird dann ebenfalls an das für den Rechtsstreit zuständige Gericht abgegeben.

Hinweis:

Solange der Vollstreckungsbescheid noch nicht verfügt ist, kann der Schuldner noch wirksam Widerspruch einlegen. Ist der Widerspruch verspätet, ist er als Einspruch zu behandeln.

4. Antragstellung

Gemäß § 690 Abs. 3 ZPO kann der Antrag in einer nur maschinell lesbaren Form übermittelt werden, wenn das betreffende Gericht für die maschinelle Bearbeitung der Anträge ausgestattet ist.

Rechtsanwälte können gemäß § 690 Abs. 3 S. 3 ZPO Anträge im Mahnverfahren nur in einer maschinell lesbaren Form einreichen. Dies gilt sowohl für die für Mandanten gestellte Anträge als auch für Anträge in eigener Sache. Dabei kann der Antrag entweder online übermittelt werden oder online ausgefüllt und per Post geschickt werden.

Eine Ausnahme besteht für das arbeitsgerichtliche Mahnverfahren (s.u.). Hier wird durch eine ausdrückliche Bestimmung in § 46 Abs. 1 S. 2 ArbGG die Pflicht zur Einreichung der Anträge in maschinell lesbarer Form ausdrücklich ausgenommen. Hintergrund ist, dass das Mahnverfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit eine nur untergeordnete Rolle spielt.

5. Verjährungshemmung

5.1 Allgemein

Durch die Zustellung des Mahnbescheides an den Schuldner wird die Verjährung gehemmt.

5.2 Demnächst-Zustellung

Grundsätzlich beginnt die Hemmung der Verjährung mit der Zustellung des Mahnbescheides an den Schuldner.

Der Beginn der Verjährungshemmung wird aber gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung des Mahnantrags vorverlegt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Die Zustellung ist grundsätzlich nicht mehr demnächst, wenn sie durch mindestens leicht fahrlässiges Verhalten des Antragstellers mehr als zwei bis drei Wochen verzögert wurde. Verzögerungen, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht wurden, sind dem Kläger grundsätzlich nicht zuzurechnen (BGH 12.07.2006 - IV ZR 23/05).

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Regelung des § 691 Abs. 2 ZPO, nach der eine Frist gewahrt bleibt, wenn innerhalb eines Monats nach der Zurückweisung des Mahnantrags Klage eingereicht wird und diese demnächst zugestellt wird, inhaltlich auf einen Mahnantrag übertragbar. Danach bleibt die Frist auch gewahrt, wenn der Antragsteller nach der Zurückweisung des Antrags, z.B. wegen Unzustellbarkeit, einen verbesserten Mahnantrag stellt und dieser innerhalb eines Monats beginnend mit der Zurückweisung, zugestellt wird.

Für die Rückwirkung des Mahnbescheids ist es unerheblich, ob die Verjährung zum Zeitpunkt der Zustellung auch ohne die Rückwirkung eingetreten wäre (BGH 06.03.2008 - III ZR 206/07).

5.3 Wahrheitswidrige Angaben

Für den Eintritt der Hemmungswirkung kommt es nicht auf die Zulässigkeit, sondern allein auf die Wirksamkeit des auf den Mahnantrag erlassenen und zugestellten Mahnbescheides an, sodass bei hinreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs dessen Verjährung auch dann gehemmt wird, wenn der Mahnantrag an Mängeln leidet oder sogar unzulässig ist oder wenn für die darin erhobene Forderung - von der Sachbefugnis abgesehen - noch nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.

Hat der Antragsteller jedoch bei der Beantragung des Mahnbescheids bewusst falsche Angaben gemacht, die seinem Erlass entgegengestanden hätten (z.B. dass die Gegenleistung erbracht ist), kann sich die Berufung auf die verjährungshemmende Wirkung als rechtsmissbräuchlich darstellen (BGH 21.12.2011 - VIII ZR 157/11).

6. Europäisches Mahnverfahren

Mithilfe des Europäischen Mahnverfahrens können auch grenzüberschreitende Forderungen eingetrieben werden.

7. Arbeitsgerichtliches Mahnverfahren

Für das arbeitgerichtliche Mahnverfahren gelten einige Besonderheiten: Die Forderung muss eine arbeitsrechtliche Grundlage haben.

Zuständig für die Durchführung des Mahnverfahrens ist gemäß § 46a ArbGG das Arbeitsgericht, das für die im Urteilsverfahren erhobene Klage zuständig sein würde.

Die Widerspruchs- und Einspruchsfristen betragen im Gegensatz zum "normalen" Mahnverfahren nur eine Woche. Es sind von dem Antragsteller keine Kosten vorzustrecken. Die Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trägt der Antragsteller im arbeitsgerichtlichen Verfahren in jedem Fall selbst, auch wenn der Schuldner die geltend gemachten Forderungen vollständig begleicht.

Es sind gemäß der Verordnung zur Einführung von Vordrucken für das arbeitsgerichtliche Mahnverfahren (ArbGMahnVVordrEV) zwingend die amtlichen Vordrucke zu verwenden.

 Siehe auch 

Mahnverfahren - Rechtsanwaltsgebühren

Verjährung

Vollstreckungsbescheid

BGH 05.02.2009 - III ZR 164/08 (alsbaldige Abgabe an das Prozessgericht)

BGH 21.03.2002 - VII ZR 230/01 (Zustellung demnächst bei zunächst bestehender Unzustellbarkeit)

BGH 12.03.1992 - VII ZR 207/91

BGH 13.07.1989 - VII ZR 277/88

http://www.justiz.de (Justizportal des Bundes und der Länder einschließlich einer Online-Zuordnung der eingegebenen Orte zu den Mahngerichten sowie Links zum automatisierten Mahnverfahren)

http://www.mahnverfahren-aktuell.de (Informationen zum automatisierten Mahnverfahren)

Ebert: Verjährungshemmung durch Mahnverfahren; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2003, 732

Grothe: Verjährungshemmung durch Mahnbescheid bei mehreren Mängeln; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2015, 17

Mock: Rechtsanwaltsvergütung: Mahnverfahren: Die korrekte Gebührenforderung; Anwalt und Kanzlei - AK 2014, 81

Petzold: Die Erfüllung im Mahnverfahren; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 822

Schneider: Gerichtskosten im zivilrechtlichen Mahnverfahren; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2020, 378

Schneider: Probleme der "neuen" Umsatzsteuer im Mahn- und Vollstreckungsverfahren; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2007, 1035